Guten Tag,
Bei der Privatbank tummeln sich auffallend viele starke Persönlichkeiten. Das scheint befruchtend zu wirken: Bei EFG läufts wieder richtig rund.
Die Kernfiguren bei EFG: Giorgio Pradelli, Alexander Classen, Boris Collardi, André Esteves, und John Latsis (von links).
kornel.ch für BILANZWerbung
Er ist persönlich nach Süditalien gereist, um seine Mannschaft anzufeuern. Boris Collardi ist Mitbesitzer des Fussballclubs US Lecce. Am Sonntag, dem 21. Mai, steht ein wichtiges Spiel im Kampf gegen den Abstieg aus der Serie A auf der Agenda. «Es geht gegen Spezia, direkter Konkurrent um den Ligaerhalt», sagt Collardi. Das Spiel endet schlussendlich null zu null unentschieden, sein Club ist also noch nicht vom Haken. Erst letztes Jahr ist er zusammen mit zwei Freunden als Investor eingestiegen, mit rund einer Million Euro. Sein Vater stamme aus der Region, von Kindesbeinen an machte die Familie hier Ferien.
Topbanker Collardi, von 2009 bis 2017 CEO von Julius Bär und danach bis 2021 im Teilhabergremium der Genfer Privatbank Pictet, ist heute in verschiedenen Bereichen als Investor tätig. Sein fussballerisches Herzblut mag US Lecce gehören, doch finanziell steht ein anderes Investment im Vordergrund: Mit rund 80 Millionen Franken ist er letztes Jahr bei der Zürcher Privatbank EFG International eingestiegen. Das Paket, 3,6 Prozent der EFG-Aktien, stammt vom griechischen Reeder-Clan Latsis, mit rund 45 Prozent grösster Aktionär von EFG. Collardi fungiert zwar seither als einer der Vertreter der Latsis-Familie im Verwaltungsrat von EFG, aber «der Kauf ist zu hundert Prozent über mein privates Vermögen finanziert», betont er.
Werbung
Sein Investment ist bereits aufgegangen: Um 27 Prozent hat der Kurs von EFG International seit seinem Einstieg am 29. April 2022 zugelegt, womit er in rund einem Jahr um über 20 Millionen Franken reicher geworden ist. Im Dreijahresvergleich konnte die Aktie gar um über 70 Prozent zulegen.
Ende April 2022 hat Boris Collardi für 80 Millionen Franken EFG-Aktien gekauft.
KeystoneEnde April 2022 hat Boris Collardi für 80 Millionen Franken EFG-Aktien gekauft.
KeystoneBei EFG läufts richtig rund: Für die ersten drei Monate des laufenden Jahres konnte die Bank mit rund 90 Millionen Franken einen Rekordgewinn vermelden. 202 Millionen waren es fürs ganze Jahr 2022 gewesen. Die Bank arbeitet sehr effizient, das Kosten-Ertrags-Verhältnis liegt bei 70 Prozent, die Gewinnmarge bei 95 Basispunkten und damit über dem selbst ernannten Ziel von 85 Basispunkten. Auch die Analysten entdecken die Aktie neu: Citigroup setzte EFG Mitte Mai von Halten auf Kaufen und legte das Kursziel bei 9.80 Franken fest.
Werbung
Dass EFG vom Mauerblümchen zur Rose werden konnte, liegt an der speziellen Konstellation innerhalb der Bank, die das Revirement ermöglicht und beschleunigt hat. EFG ist geprägt von einem Zusammenspiel starker Einzelfiguren, die sich gegenseitig gut ergänzen. Fünf Personen tummeln sich in diesem Gehege der Alphatiere: Ein CEO mit Durchsetzungskraft, ein erfahrener Branchenprofi als frischer Verwaltungsratspräsident, zwei ebenso starke wie geduldige Hauptaktionäre und dazu noch Collardi, der mit seiner Bekanntheit die Visibilität der Firma im Markt und bei den Kunden stark erhöht hat.
Kernfigur im System ist CEO Giorgio Pradelli, seit rund zwanzig Jahren bei der Bankengruppe, ein Mann, der bei der Firma jede Schraube kennt. Seit 2018 ist er CEO, doch schon vorher besetzte er als Finanz- und Compliance-Chef Schlüsselpositionen. Sein Gesellenstück ist die Integration der Banca della Svizzera Italiana (BSI), die nach einigen Wirren schliesslich bei EFG gelandet war. Dies nach hektischer Vorgeschichte: 2014 hatte die brasilianische Bankengruppe BTG Pactual unter André Esteves, heute nebst der Latsis-Familie der zweite grosse Aktionär von EFG, die BSI als Tochtergesellschaft übernommen. Bald zeigte sich: Die Bank war bis ins Mark mit Problemen belastet. Wegen des Verstosses gegen Geldwäschereivorschriften verfügte die Finanzmarktaufsicht (Finma) 2016 die Auflösung von BSI. In enger Zusammenarbeit mit der Finma wurde EFG als eine Art Auffangbecken für das Business auserkoren und BSI in EFG integriert. Für die EFG bedeutete dies zunächst mal Jahre der Knochenarbeit für die Integration. War der Kauf rückblickend gesehen gar ein Fehler? «Nein», sagt Pradelli, «denn der Kauf hat uns die nötige kritische Masse gegeben.» Strategisch sei der Fit ideal. So sei der Ausbau der Präsenz in der Schweiz in jenen Jahren eines der strategischen Hauptziele gewesen. Vor der Akquisition sei die Schweiz nur Nummer vier in der regionalen Ausrichtung gewesen, heute die wichtigste Marktregion. EFG betreibt heute acht Kernstandorte. In Europa sind es nebst der Schweiz noch London, Luxemburg und Monaco, in Asien Singapur und Hongkong, in den Americas Miami und Nassau auf den Bahamas. Pradelli hat die Organisation gestrafft, das Portfolio optimiert und mehrere Booking Center geschlossen oder verkauft, etwa in Italien, Frankreich oder den Kanalinseln.
Werbung
Auch was Compliance betrifft, hat er die Bank in die neue Zeit geführt. EFG, das war das Institut, das in der Branche als «Unternehmerbank» galt, mit sehr selbstständig agierenden Kundenberatern, die allesamt wie kleine Unternehmer – böse Stimmen sagen gar kleine Könige – agierten. Die Privatbank war 1995 entstanden, als der griechische Milliardär Spiro Latsis seine vielfältigen Bankaktivitäten unter ein einheitliches Dach setzte. 2005 ging EFG International dann an die Börse.
An dieser Stelle findest du einen ergänzenden externen Inhalt. Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Werbung
Der Goldgräber-Spirit der frühen Jahre ist heute vorbei; Priorität geniesst die strikte Kontrolle, damit anrüchige Kundengelder ferngehalten werden können – die Bank musste in den letzten Jahren regelrecht ausmisten. Offenbar mit Erfolg: In einem Update vom 6. April dieses Jahres attestiert die Ratingagentur Fitch der Bank «eine gute Qualität der Assets», «konservative Underwriting Standards» und eine «profunde Liquidität». Die Zeiten hätten sich seit 2005 in der Tat stark verändert, «heute gibt es keinerlei Spielraum, was die Reputation und die Compliance angeht», sagt Pradelli. Gleichzeitig sei es wichtig, die unternehmerische DNA der Bank zu bewahren. Noch schlummern angesichts eines empfindlichen Exposures im Bereich Lebensversicherung noch einige Risiken in der Bilanz, wie auch in der Presse wiederholt kritisch angemerkt wurde, aber «wir haben in den letzten Jahren die Risiken in diesem Zusammenhang laufend reduziert, sodass dies kein grosses Thema mehr ist», so Pradelli.
Werbung
Auch der Verwaltungsrat hat grossen Anteil an der Neuaufstellung der Bank. Eine grosse Rolle spielte dabei Peter Fanconi, der von 2020 bis im letzten Herbst als Verwaltungsratspräsident wirkte. Dies neben seiner Rolle als Präsident der Graubündner Kantonalbank. Die Doppelbelastung war für Fanconi aber auf die Dauer zu viel, er bekam gesundheitliche Probleme; nach akuten Herzproblemen und einer Lungenembolie rieten ihm die Ärzte, kürzerzutreten. Mit Alexander Classen hat ihn im Oktober 2022 ein Mann mit grosser Erfahrung im Private Banking ersetzt, er war vorher als CEO und Länderchef von HSBC in der Schweiz tätig. In seiner dreissigjährigen Bankerkarriere bekleidete er wichtige Positionen unter anderem bei Coutts, Morgan Stanley Private Wealth, Goldman Sachs und Pictet. Classen will auf das Erreichte seiner Vorgänger aufbauen. «Mein Ziel ist es, die in den letzten Jahren aufgebaute Kultur zu unterstützen und weiterzuentwickeln.» Wichtig sei, dass man agil bleibe, auch in strategischer Hinsicht. In der Branche kursierten wiederholt Übernahmegerüchte, etwa über einen Zusammenschluss mit Konkurrenten wie J. Safra Sarasin oder gar Julius Bär. Dazu will Classen keine Stellung nehmen, betont aber, dass das organische Wachstum weiter klar im Vordergrund stehe. «Wir sind offen für Akquisitionen, aber diese müssen kulturell zu EFG passen», ergänzt er.
Werbung
John Latsis vertritt den Familienclan und Grossaktionär im VR von EFG.
PDJohn Latsis vertritt den Familienclan und Grossaktionär im VR von EFG.
PDClassen ist als unabhängiger Vertreter im Verwaltungsrat und muss die Interessen aller Aktionäre wahrnehmen. Doch der eigentlich starke Mann im Gremium ist John Latsis, Sohn des Clanchefs Spiro Latsis. 2018 hat er den Vater im Verwaltungsrat von EFG ersetzt. Seine Stimme im Rat hat auch darum viel Gewicht, weil er sich in der Finanzwelt gut auskennt: Der Oxford- und Cambridge-geschulte Historiker und Sozialwissenschaftler hat unter anderem mehrere Jahre als Associate Professor an der Henley Business School, der renommierten Wirtschaftsschule der britischen University of Reading, gelehrt. Ohne ihn geht im VR nichts.
Werbung
Der zweite Grossaktionär ist die brasilianische BTG Pactual von André Esteves, die 19,8 Prozent hält. Esteves ist eine schillernde Figur, seine Pactual verkaufte er einst der UBS, um sie 2009 in der Finanzkrise von der taumelnden Grossbank zu einem günstigen Preis wieder zurückzukaufen. Esteves ist nicht selbst im Verwaltungsrat, sondern hat seinen Vertrauten Roberto Isolani geschickt. BTG Pactual ist als der kleinere der beiden Grossaktionäre allerdings in einer unangenehmen Situation, weil man zwar finanziell stark engagiert ist, aber im Grunde nicht viel zu sagen hat. Immer wieder tauchen Gerüchte auf, Esteves habe die Nase voll und wolle aussteigen, doch Firmenkenner halten dies derzeit für wenig wahrscheinlich, weil natürlich auch BTG Pactual vom Kursanstieg der letzten Jahre profitiert hat und hoffen kann, der Aufschwung gehe noch weiter.
Werbung
Die brasilianische Bank BTG Pactual unter Chairman André Esteves hält knapp 20 Prozent an EFG.
AFPDie brasilianische Bank BTG Pactual unter Chairman André Esteves hält knapp 20 Prozent an EFG.
AFPBoris Collardis Rolle bei EFG wiederum wurde zuletzt noch ausgeweitet: Im Februar wurde er zum Vorsitzenden des Asien-Pazifik-Beratergremiums ernannt. Collardi hat seine Bankerkarriere einst in Singapur gestartet und als CEO von Julius Bär das Asien-Geschäft gezielt gepusht. Aus seinen Bär- und Pictet-Zeiten hat er bis heute ausgezeichnete Kontakte in der Region. «Es geht bei dieser Funktion nicht ums Frontgeschäft oder darum, dass ich selbst Kunden akquiriere», sagt Collardi. Das Beratergremium müsse man sich eher wie eine Art Verwaltungsrat für die asiatischen Dependancen vorstellen, die keinen VR haben. «Wir begleiten das lokale Management in Fragen der strategischen Positionierung», sagt Collardi. Vor Kurzem sei etwa eine neue China-Strategie erarbeitet worden.
Werbung
Auch im Verwaltungsrat ist er weiter gestärkt worden: An der Generalversammlung vom 21. April wurde er in den Vergütungs- und den Nominationsausschuss gewählt, die beiden Machtzentralen im Verwaltungsrat. Dass Collardi, der wegen seiner Millionenboni bei Julius Bär immer wieder in der Kritik stand, nun selber das Geld verteilen darf, entbehrt nicht einer gewissen Ironie.
Ob das subtile Zusammenspiel der Hauptprotagonisten auf die Länge weiter so gut funktioniert, dürfte stark davon abhängen, ob sich jeder an seine Rolle hält. Classen, in seiner bisherigen Karriere stets ein Mann der Front, darf dem CEO nicht dreinreden: «Ich bin mir bewusst, dass ich Distanz zum operativen Geschäft halten muss», räumt er ein. Er habe sich in der Übergangszeit aber bereits gut in seine neue Rolle eingelebt, der Austausch mit dem operativen Management und innerhalb des Verwaltungsrats sei sehr gut.
Werbung
Der umtriebige Collardi wiederum muss aufpassen, dass seine Person für EFG nicht zu sehr im Mittelpunkt steht und man ihm weitergehende Ambitionen zuschreibt. Dass er betont, ein mögliches Vorrücken auf den Präsidentenstuhl stehe «absolut nicht zur Diskussion», ist sicher auch im Sinne von Classen.
Operativ will EFG weiter Gas geben. Ein Dreijahresplan wurde aufgegleist. Zentrales Element sei ein weiter forciertes internes Wachstum, unter anderem durch die systematische Anstellung von 50 bis 70 neuen Kundenberatern pro Jahr, sagt Pradelli. Die Krise der Credit Suisse ist natürlich auch für EFG Wasser auf die Mühlen, jüngst etwa machte der Wechsel von zwei indischen Topbankern von der Grossbank zu EFG Schlagzeilen. In Zeiten der Unruhe in der Schweizer Bankbranche kann EFG mit Konstanz punkten: Fast die Hälfte der Kundenberater und Kundenberaterinnen ist schon mehr als zehn Jahre für die Bank tätig.
Werbung
Werbung