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Emotionaler CEO gegen taktierenden Präsidenten: Der Bespitzelungsskandal ist auch ein Stellungskrieg zwischen Urs Rohner und Tidjane Thiam.
Seit mehr als vier Jahren an der CS-Spitze – nicht immer harmonisch: CEO Tidjane Thiam (l.) und VR-Präsident Urs Rohner.
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Als Urs Rohner das letzte Mal den Pressesaal der Credit Suisse hinter dem Hauptsitz am Zürcher Paradeplatz betrat, hatte er einen Mitstreiter dabei, mit dem niemand gerechnet hatte. Man schrieb den 10. März 2015, und neben Rohner postierte sich ein 1,93 Meter grosser Mann, der frisch aus London eingeflogen war: Tidjane Thiam, bis dahin im Sold des britischen Versicherers Prudential und nur Finanzmarkt-Feinschmeckern ein Begriff. Doch offenbar eine Persönlichkeit, die Eindruck hinterlässt. Als er gestern wieder in Zürich gelandet sei, stellte der neue CEO der Credit Suisse gleich in charmantem Plauderton fest, «hat mich der Zöllner sofort erkannt und begrüsst».
Heute kennt ihn jeder – die Bespitzelung seines Ex-Untergebenen Iqbal Khan ist der Eklat des Jahres und hat die CS wieder in die Skandalecke gedrängt, aus der Thiam sie herausgeführt zu haben schien. Dennoch wollte Rohner bei seiner Rückkehr in den CS-Pressesaal viereinhalb Jahre später seinen einstigen Stargast nicht dabeihaben. Und das war umso erstaunlicher, als der Präsident seinen CEO eigentlich zum Sieger ausrief: Von der Bespitzelung, so attestierte ihm die von Rohner in Auftrag gegebene Untersuchung, habe dieser nichts gewusst.
Eigentlich der perfekte Moment, um sich gemeinsam mit dem Präsidenten von den schändlichen Machenschaften seiner Untergebenen zu distanzieren. Doch der Mann, der durchaus das Gen für den grossen Auftritt in sich trägt, war nicht da – und lieferte damit all den Kritikern Munition, die seine angebliche Nichtkenntnis über die Bespitzelung ins Fabelreich verwiesen. Rohners Botschaft: Die Aufarbeitung ist Chefsache – und der Chef bin ich.
Ob diese Form der Schadensbegrenzung genügt, bleibt ungewiss. «Der Befreiungsschlag der Credit Suisse ist misslungen – zu viele Fragen bleiben offen», titelte die «NZZ», einst treue Begleiterin der lange edelsten Bank der Limmatstadt, aber spätestens nach einigen hitzigen Zurechtweisungen Thiams ins Kritikerlager gewechselt.
Zwar bleibt fraglich, wo neue Impulse in der Affäre herkommen sollen. Dass die Ausweitung der staatsanwaltlichen Untersuchung auf weitere CS-Mitarbeiter viel bringen wird, ist unwahrscheinlich. Man darf dem beschlagenen Juristen Rohner abnehmen, dass da intern alles Notwendige abgeklärt wurde. Und auch die Finma-Untersuchung dürfte kaum umstürzend wirken – schliesslich hatten die Berner Aufseher den Wechsel Khans zur UBS ja explizit bewilligt.
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So bleibt vor allem ein riesiger Reputationsschaden – und die Frage: Weshalb hat Rohner seinen CEO nicht geschasst? Der grosse Taktiker, der in seinen zehn Jahren im Verwaltungsrat schon so viele Krisen durchgestanden hat, hätte öffentlich Führungsstärke demonstrieren und als grosser Aufräumer in die CS-Annalen eingehen können. Doch er liess die Chance verstreichen – und die grosse Frage zu diesem in der Schweizer Bankenhistorie einmaligen Skandal bleibt offen: Warum nur?
Wer Antworten sucht, muss in die Anfänge der Beziehung zwischen den so ungleichen Männern eintauchen. Für Rohner war die Verpflichtung Thiams ein Befreiungsschlag. Dessen Vorgänger Brady Dougan hatte er übernommen, und das auch noch, nachdem er ihm vier Jahre zuvor im Kampf um den CEO-Posten unterlegen war – sicher keine glückliche Konstellation. Das Verhältnis des Führungduos war dann zwar anständig, doch eher distanziert. Der asketische Investmentbanker Dougan war zwar viel zu professionell, um je offen ein schlechtes Wort über Rohner fallen zu lassen. Doch dass er ihn kaum für einen Vollblut-Banker hielt, war in der Bank ein offenes Geheimnis. Gross hineinreden ins Geschäft liess er sich nicht. Von einer drastischen Abkehr vom Investmentbanking etwa, wie sie die UBS propagiert hatte, wollte er nichts wissen.
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Trat Mitte 2015 nach acht Jahren als CEO der Credit Suisse zurück: Brady Dougan.
KEYSTONE/Ennio LeanzaTrat Mitte 2015 nach acht Jahren als CEO der Credit Suisse zurück: Brady Dougan.
KEYSTONE/Ennio LeanzaRohner kannte Thiam von Finanzkonferenzen, doch der Kontakt war eher locker. Es war der Londoner Headhunter MWM, der die beiden zusammenbrachte. Ob der Personalfahnder aktiv auf Thiam zuging oder ob sich Thiam selbst ins Spiel brachte, ist nicht ganz klar – beide Versionen haben Fürsprecher. Sicher ist: Thiam wollte weg vom eher trägen Versicherungsgeschäft und ins schneller getaktete Banking. Offenbar war er auch bei der britischen Grossbank Standard Chartered im Gespräch, doch dort wollte man keinen Nicht-Banker.
Rohner traf sich mehr als ein Dutzend Mal mit Thiam, und der Mann von der Elfenbeinküste imponierte ihm: International verdrahtet, präsidiale Aura, bei Bedarf extrem charmant. Dass er in seinem gesamten Berufsleben noch nie für eine Bank gearbeitet hatte, war da offenbar kein Nachteil – Rohner wollte nicht wieder einen Bankveteranen, der ihm die Welt erklärte. Als er am 10. März 2015 den Überraschungscoup präsentierte, wurde der Neuzugang dann auch nur bei einer Frage leicht kurzatmig: Ob er denn das Bankgeschäft verstehe? Er habe doch, so Thiam schnippisch, in seinen McKinsey-Jahren auch Banken betreut.
Allerdings, und das ist für den weiteren Verlauf der Geschichte elementar: Die CS war kein Sanierungsfall. Zwar hatte Dougan die Bank gerade bei dem Dauerthema Kapitalisierung immer hart am Wind geführt, doch die Zahlen waren gut: Bei seinem Abtritt betrug der Halbjahresgewinn mehr als eine Milliarde Franken und war damit höher als heute, die Börsenkapitalisierung lag mit stattlichen 42 Milliarden Franken deutlich über dem heutigen Wert von 30 Milliarden. Rohner betonte denn auch die Kontinuität («ein Strategiewechsel ist nicht vorgesehen») und formulierte die Anforderungen an den neuen CEO: «Unsere nächste Phase heisst Wachstum.» Thiam meldete artig zurück: «Die CS soll wieder wachsen.»
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Doch schon in den ersten Monaten von Thiams Amtszeit zeigten sich Charakterzüge, die Fragezeichen aufkommen liessen. Sergio Ermotti und Axel Weber, das Führungsduo der UBS, halten dank moderner Kommunikationsmittel jeden Montag unverhandelbar ihren Jour fixe ab. Eine enge Beziehung an der Spitze, so ihr Credo, ist elementar für den Erfolg, und an ihr müsse man arbeiten wie an einer Ehe.
Rohner und Thiam tauschen sich zwar auch regelmässig aus, doch die Enge des UBS-Führungsduos liessen sie von Anfang an vermissen – ein wöchentliches institutionalisiertes Treffen etwa gibt es nicht. Thiam setzte von Beginn an den Apparat geschickt für sich ein. Rohner gebietet zwar über ein «Chairman Office» mit etwa zwei Dutzend Mitarbeitern, doch die operative Führung des 46 000-Mitarbeiter-Konzerns liegt nun einmal beim CEO. Und der neigte schon früh zur Abschottung – innerhalb der Bank, aber eben auch gegenüber dem Verwaltungsrat.
So platzierte Thiam seine treuen Prudential-Leute, notabene alles ebenfalls keine Banker, an den Schaltstellen der Macht: allen voran Stabschef Pierre-Olivier Bouée, eine Art Chef de cabinet im klassischen französischen Sinne, der schnell zur zentralen Drehscheibe aufstieg. Dazu die Kommunikationsleute John Murray und Adam Gishen und den HR-Mann Peter Goerke. Die Kultur verschob sich langsam: von einer harten, aber berechenbaren amerikanischen Business-Kultur zu einer französisch-politisierten Loyalitäts-Kultur.
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Dazu kam sein präsidentielles Auftreten. Es dauerte nur wenige Wochen, bis die ersten Geschichten über Helikopter-Flüge, Präsidentensuiten und teure Bodyguards aufkamen. Die CS dementierte nur halbherzig. Als Thiam zur Neat-Einweihung im Mai 2016 seine eigenen Leibwächter mitbringen wollte, verbot ihm das die Polizei. Wirkliches Verständnis für die Schweizer Eigenheiten offenbarte er nicht. Zwar leistete er sich zunächst einen hochkarätigen heimischen PR-Berater, der ihn etwa darauf aufmerksam machte, mehr die «Wir-Form» als die «Ich-Form» zu benutzen. Doch die Zusammenarbeit versandete schnell. Bei seinem ersten WEF-Auftritt als CS-Chef amtierte er gleich als Co-Chairman – und als während des Treffens Gerüchte über seinen Wechsel an die IMF-Spitze aufkamen, dementierte er nicht wirklich. Seine Aura: Die Schweiz ist mir zu klein.
All das konnte man noch unter Eingliederungsschwierigkeiten abbuchen, wie Rohner es tat – intern liess er auf seine CEO-Wahl nichts kommen. Doch das Verhältnis der beiden verschlechterte sich, als Thiams erster grosser Strategiewurf floppte. Unterstützt von nicht weniger als drei Beratern – BCG, Oliver Wyman und McKinsey –, wollte er zu schnell zu viel.
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Es entstand eine Zwitter-Struktur, die zwischen regionaler und zentraler Verantwortung mäanderte, das Investmentbanking nicht radikal beschnitt, bei den Kostensenkungen vage blieb und mit einer zweistufigen Kapitalbeschaffung aufwartete – 6 Milliarden Franken sollten direkt vom Markt kommen, weitere etwa 5 Milliarden durch eine – später abgesagte – Teilkotierung der Schweizer Bank. Nur für den Machtdurchgriff war die Struktur perfekt: Die grösste Sparte mit Wealth Management und Schweiz-Geschäft zerschlug Thiam, der mächtige Spartenchef Hans-Ulrich Meister wurde von Bord geschickt, stattdessen kamen zwei Manager aus der nächsten Generation zum Zug: Iqbal Khan und Thomas Gottstein.
Die Reaktion war für den erfolgsverwöhnten Manager ungewohnt harsch. Der Kurs fiel um sechs Prozent. «Ich verstehe Thiams Strategie nicht», betonte der Finanzanalyst Christopher Wheeler vom Londoner Brokerhaus Atlantic Equities stellvertretend für viele Kollegen. Und so griff der belagerte Banknovize nur wenige Wochen später zu einem Mittel, das Rohner gar nicht gefallen konnte: Er redete die Bank schlecht. Die Investmentbanker hätten ihm gefährliche Positionen verheimlicht, schoss er gegen die langjährigen Dougan-Verbündeten in New York. Das wäre, würde es denn stimmen, ein massiver Angriff auf den eigenen Chief Risk Officer und den Finanzchef.
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Und hier wurden dann zum ersten Mal die Spannungen zwischen CEO und Präsident publik: Rohner platzierte am Rande einer öffentlichen Veranstaltung ganz bewusst die Botschaft, es habe «keine Blind Spots» gegeben. Vontobel-Analyst Andreas Venditti diagnostizierte einen «tiefen Graben in der Führungsspitze». Dass der charmante Thiam, sozialisiert mit den besten Manieren der französischen Eliteschulen, auch Hardball zu spielen verstand, bekamen die Investmentbanker zu spüren: Als Beleg für die Täuschung liess er sein Kommunikationsteam interne Mails in ausgewählten Medien platzieren – ein absolutes No-Go.
Die Anklage gipfelte in seinem ersten grossen Interview nach der Restrukturierung im Sommer 2016 bei «Bloomberg». Er habe es mit einer Situation zu tun, die sich über zehn Jahre entwickelt habe. «Aber jetzt sind die Probleme sichtbar, und wir haben eine Strategie, um sie anzugehen. Vorher waren sie da, aber nicht sichtbar.»
Einmal mehr ein heftiger Vorwurf an die alte Führungsriege, vor allem an den Veteranen Rohner, der vor seinem Eintritt in den Verwaltungsrat als COO die operative Nummer zwei der Bank war. Die Aussage: Entweder habe Rohner die Probleme nicht sehen können – oder nicht sehen wollen. Wohl selten hat ein CEO seinen Präsidenten so desavouiert.
Thiams Angriffsfläche blieb der Kurs: Er brach um mehr als 50 Prozent ein und erreichte Ende Juni 2016 den Allzeit-Tiefststand von 8.94 Franken. Gewiss, alle Banken mussten in dieser Zeit heftige Kursverluste hinnehmen, auch die UBS-Aktie sank um mehr als 30 Prozent. Doch die CS traf es besonders hart. Auch hier versuchte Thiam, seinen Vorgängern die Schuld in die Schuhe zu schieben. «Der Kurs ist seit meinem Start vielleicht um 50 Prozent gesunken, aber er wurde zuerst durch fünf geteilt – und das über zehn Jahre», betonte er. Und schob nach: «Fakten sind Fakten, und die Fakten sind hartnäckig.»
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Jedoch: Sie stimmten nicht. Im Juli 2005 lag der Kurs bei 50 Franken, bei Thiams Antritt zehn Jahre später bei 26 – in diesem Zeitraum teilte er sich also nicht durch fünf, sondern durch weniger als zwei. Rohner machte dennoch gute Miene: Thiam sei «genau der richtige Mann», betonte er etwa gegenüber BILANZ.
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Die Lage entspannte sich erst, als Thiam de facto seinen ersten Plan beerdigte und auf eine Strategie umschwenkte, die er zunächst partout vermeiden wollte: Die UBS zu kopieren. Aus dem Mann, der bei seinem Amtsantritt einer gesunden Bank einen frischen Wachstumskurs verpassen wollte, wurde plötzlich der härteste Kostensenker der Bankenwelt. Intern brüstete sich sein Team damit, dass die CS die Kostensenkungen liefere, die die UBS nur verspreche. Waren seine Sparziele anfangs noch zu vage, so punktete er jetzt konstant mit genauen Zielvorgaben, die er auch einhielt. Investiert wurde kaum noch – Thiam sparte die Bank gesund.
Doch eben: Nüchtern betrachtet steht die CS nicht so viel besser da, wie er gern glauben machen will. Zwar ist das Risikoprofil reduziert, die Kapitalausstattung verbessert, und die Regulatoren mit ihren verschärften Anforderungen sind befriedet. Doch von 13 Schlüsselkennzahlen haben sich nur fünf verbessert, zwei sind gleich geblieben – und sechs haben sich verschlechtert (siehe oben).
Dennoch wollte sich Thiam mit dem offiziellen Abschluss der Restrukturierung unbedingt als alleiniger Sanierer feiern lassen. Er setzte sich noch stärker von Rohner ab. Laut wurde es offenbar nie zwischen den beiden, der Umgang blieb stets höflich. Doch Thiams Vertrauensleute liessen schon mal fallen, dass der Verwaltungsrat ihn in eine Falle gelockt habe und die Wiedererstehung allein ihm zu verdanken sei. Da war es kein Zufall, dass Ende August in einer grossen Huldigung Thiams im «Economist» Rohner mit keinem Wort erwähnt wurde. Tenor: Der Retter bin ich.
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Es war diese Gemengelage, in der die Personalie Khan eine besondere Sprengkraft entwickelte. Rohner pflegte ein enges Verhältnis mit dem Chef der internationalen Vermögensverwaltung: Er kannte ihn seit mehr als zehn Jahren, und im Führungszirkel der Bank galt es als offenes Geheimnis, dass er in ihm einen potenziellen Thiam-Nachfolger sah. Das blieb dem CEO nicht verborgen. Kam hinzu, dass Khan extrem selbstbewusst auftrat. Zwar gibt sich Thiam nach aussen jovial und preist die Autonomie seiner Spartenchefs, doch in der Realität, so langjährige Wegbegleiter, fordert er nicht nur unbedingte Loyalität, sondern auch genauen Einblick. Gottstein hatte damit offenbar kein Problem, doch Khan schottete seinen Bereich immer stärker ab. Es kam zu heftigen Spannungen, die auch innerhalb der Konzernleitung spürbar waren.
Was Thiam offenbar besonders störte: Etliche der grossen Kunden in Khans Bereich waren nicht besonders erpicht darauf, ihn zu sehen, und das teilte Khan dem Bankchef auch unverblümt mit. Thiam war zwar stets sehr unterhaltend, doch die fundierten Markteinschätzungen, die Dougan geliefert hatte, bot Thiam weniger. Khan scharte seine Elite-Truppe der Top-Kundenberater in der von ihm gegründeten Abteilung der Strategic Client Partners (SCP) um sich, und die hielten Thiam bewusst aussen vor. Thiam kochte deshalb, so ein Ex-Konzernleitungsmitglied.
Dass dann der mittlerweile legendäre Nachbarschaftsstreit so eskalierte, lag auch an diesen Spannungen. Denn plötzlich musste Thiam erfahren, dass ihn Rohner nicht voll stützte: Dass sich der Präsident überhaupt mit dem Zwist beschäftigte, war schon ein Affront für Thiam, der die Angelegenheit als Privatsache abtun wollte.
Doch Khan stellte die angebliche Bedrohung durch Thiam offenbar als massiv genug dar, um Rohner zu einem Entgegenkommen zu bewegen. Dass der Präsident Khans Kündigungsfrist auf drei Monate verkürzte, musste der hochemotionale Thiam als Affront empfinden. Der Bankchef, der in seiner Heimat einen Putsch überlebt hat, gilt als Manager mit extremer Freund-Feind-Kennung – und in diesem Geist kam es dann auch zum Auftrag zur Bespitzelung Khans.
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Iqbal Khan (l.) stürzte Bankchef Thiam in die Krise, Risikochefin Lara Warner und Grossinvestor David Herro stützen den CS-CEO.
Reuters, BloombergIqbal Khan (l.) stürzte Bankchef Thiam in die Krise, Risikochefin Lara Warner und Grossinvestor David Herro stützen den CS-CEO.
Reuters, BloombergDass Thiam davon wirklich nichts gewusst hat, gilt für die meisten Bankkenner als unwahrscheinlich. Denn es war eine extrem ungewöhnliche Massnahme. Als etwa vor einem Jahr der Wechsel des ehemaligen Schweizer CS-Investmentbanking-Chefs Marco Illy zur UBS platzte, war dieser nicht etwa bespitzelt worden, sondern hatte selbst gemeldet, dass er einen Kunden an die UBS vermittelt habe. Das nahm die damalige Compliance- und heutige Risk-Chefin Lara Warner zum Anlass für eine grosse Untersuchung – und stieg so in der Gunst des Chefs weiter auf. Thiams Schlüsselmann Boueé glänzte zwar oft durch vorauseilenden Gehorsam. Doch eine so spezielle Anordnung wie die Bespitzelung: Das wäre schon sehr viel Eigeninitiative für den servilen Bouée.
Aber Beweise für das Mitwissen Thiams gab es eben nicht. Sein Team versuchte dann auch fieberhaft, Schaden vom Chef abzuwenden, einmal mehr mit harten Bandagen. So gelangten das Memo an das Detektivbüro und der Name des Sicherheitsberaters an die Öffentlichkeit – beides gegen den ausdrücklichen Wunsch der Beteiligten. Es kam zu einem Selbstmord. Dass sogar die ihm so lange wohlgesonnenen Leitmedien wie «Financial Times» und «Bloomberg» seinen Rücktritt forderten, führte bei Thiam offenbar zu Wutausbrüchen. Die schlechte Kommunikation ist dann auch ein Thema im Verwaltungsrat. Hier würden personelle Wechsel nicht überraschen.
Doch warum wurde Thiam verschont? Die Aktionäre taugen nicht wirklich als Begründung. Zwar verfügt die CS im Gegensatz zur UBS über vier gewichtige Grossaktionäre mit jeweils etwa fünf Prozent: Die Staatsfonds aus Katar und Norwegen, dazu die saudische Olayan Group und der US-Geldverwalter Harris Associates. Doch keiner von ihnen ist im Verwaltungsrat vertreten, und man kann davon ausgehen, dass weder die Norweger, die Kataris oder Olayan sich gegen die Demission Thiams ausgesprochen hätten, wenn Rohner sie wirklich gewollt hätte – sie haben alle mit ihrem CS-Investment heftige Verluste eingefahren (siehe unten).
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Die einzige Ausnahme bildet Harris-Anlagechef David Herro, der Thiam sofort und von wenig Sachkenntnis getrübt beisprang: Dass er den Bankchef schon vor der Bekanntgabe des Untersuchungsberichts freisprach, ist wenig seriös. Und die ganze Affäre als reine PR-Story abzutun, ist schlicht falsch: Die Bespitzelung ist ein Fakt, genauso wie die Strafanzeige.
Herro zeigte sich stets wendig: Beim Amtsantritt Thiams verteidigte er den Kurs Dougans noch vehement, wechselte dann aber nach einem Gespräch mit Thiam radikal seine Meinung und investierte bei der Präsentation von dessen Strategieplan noch einmal massiv. Der brutale Kurseinbruch erwischte ihn voll – nur ein erfolgreicher Thiam kann da seine Fehleinschätzung kaschieren. Mehr als eine Milliarde Franken hat er schon verloren auf sein CS-Investment. Als Entscheidungsträger fällt er aus – Rohner muss sich eher fragen lassen, warum er den Vielredner nicht bremst.
Und so bleibt nur eine Schlussfolgerung: Der grosse Taktiker Rohner hat Thiam im Amt belassen, weil es ihm nützt. Mit dem neuen COO James Walker ist jetzt ein Schotte mit amerikanischem Pass Thiams Bürochef, der auch ein Ohr für den Präsidenten hat. Und Thiams Aufstieg zum VR-Präsidenten, schon vor der Affäre unwahrscheinlich, ist definitiv vom Tisch.
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Im Gespräch als Rohners Nachfolger: Noch-UBS-Banker Ulrich Körner, Ex-SNBChef Philipp Hildebrand, CS-Verwaltungsrat Alexander Gut (v.l.).
Markus Senn, 13 Photo, BloombergIm Gespräch als Rohners Nachfolger: Noch-UBS-Banker Ulrich Körner, Ex-SNBChef Philipp Hildebrand, CS-Verwaltungsrat Alexander Gut (v.l.).
Markus Senn, 13 Photo, BloombergStatt sich auf eine mühsame CEO-Suche einzulassen, kann Rohner jetzt in Ruhe seine eigene Nachfolge aufgleisen. Im Frühjahr 2021 ist Schluss – dann greift für den Juristen, der am 1. Dezember 60 Jahre alt wird, die von ihm selbst eingeführte Amtszeitlimite von zwölf Jahren.
Intern gibt es kaum Kandidaten: Roche-Chef Severin Schwan, im CS-Verwaltungsrat Rohners Vize, hat bereits öffentlich abgewunken. Alexander Gut, Sohn der CS-Legende Rainer E. Gut, fehlt die internationale Erfahrung. Von den externen Kandidaten gilt der häufig genannte Ex-Nationalbankchef Philipp Hildebrand im Verwaltungsrat als chancenlos. Anders ist das bei Ulrich Körner, noch in Diensten der UBS: den langjährigen CS-Mann hat Rohner immer geschätzt. Körner müsste zudem nicht unbedingt sofort einsteigen: Die Finma würde wohl auch seine direkte Wahl zum Präsidenten absegnen, ohne dass er vorher VR-Mitglied war. Dann könnte Rohner noch sein letztes volles Amtsjahr geniessen – ohne Nachfolger im Nacken.
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Dieser Text erschien in der November-Ausgabe 11/2019 der BILANZ.
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