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Seine Berufung zum Swisscom-CEO war eine Überraschung. Kann Christoph Aeschlimann den grössten Telekom-Anbieter des Landes wieder in die Spur bringen?
Marc Kowalsky
Christoph Aeschlimann trägt jetzt als Swisscom-CEO die letzte Verantwortung für alles, was nicht funktioniert beim grössten Telco des Landes.
Paolo Dutto für BILANZWerbung
Die Hiobsbotschaft ereilt Christoph Aeschlimann in seinem Hotel in Mailand. Halb elf abends ist es, der 45-Jährige hatte an jenem 3. Mai den ganzen Tag Meetings mit Vertretern der italienischen Swisscom-Tochter Fastweb, als auf sein Smartphone plötzlich die Pushnachrichten einprasseln: Schweizweite Störungen im Netz, meldet das Swisscom-interne Informationssystem. Mobilfunk, Festnetz, Internet sind betroffen, 40 Prozent des Datenverkehrs können nicht übermittelt werden.
Besonders ärgerlich: Zehntausende Zuschauer verpassen die entscheidenden zwei Tore bei der Übertragung des Champions-League-Halbfinals Villareal gegen den FC Liverpool. 30 Minuten dauert es, bis die Panne behoben ist. Aeschlimann ist während dieser Zeit permanent mit dem Operation Control Center in Zürich in Kontakt. «Das war kein angenehmer Moment», erinnert er sich.
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Unangenehm für ihn gleich in mehrfacher Hinsicht: Zum Ersten fällt die Panne in sein Verantwortungsgebiet als Leiter IT, Netzwerk und Infrastruktur. Zum Zweiten war der Ausfall nur der letzte einer ganzen Serie über die vergangenen zwei Jahre, bei der zeitweise nicht einmal mehr die Notrufnummern erreichbar waren.
CEO Urs Schaeppi geriet deswegen massiv unter Druck nicht nur der Kunden, sondern auch der Politik: Mit Aeschlimann musste er gar bei Bundesrätin Simonetta Sommaruga antraben, deren UVEK für den Staatsbetrieb (die Schweiz hält 51 Prozent der Swisscom-Aktien) zuständig ist. Und zum Dritten ist Aeschlimann ab 1. Juni selbst CEO – und trägt damit die letzte Verantwortung für alles, was nicht funktioniert beim grössten Telco des Landes.
Wegen der Pannenserie mussten Urs Schaeppi (l.) und Christoph Aeschlimann bei Bundesrätin Simonetta Sommaruga antanzen.
KeystoneWegen der Pannenserie mussten Urs Schaeppi (l.) und Christoph Aeschlimann bei Bundesrätin Simonetta Sommaruga antanzen.
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Für viele war Aeschlimanns Wahl eine Überraschung, schienen doch seine Nachfolgechancen bereits verspielt mit den Pannen im Januar, Februar, Mai 2020 sowie im März, Mai und Juli letzten Jahres. «Da wird jetzt der Bock zum Gärtner gemacht» sagt denn auch einer, der die Swisscom intensiv verfolgt.
Und dennoch folgt seine Berufung einer gewissen Logik, zumindest Swisscom-intern. Mit der Ernennung des erst 45-jährigen Baslers ist der Generationenwechsel abgeschlossen an der Konzernspitze. In den letzten drei Jahren wurden fünf der sieben Top-Positionen ausgetauscht.
Präsidium und Konzernleitung: Vorgänger und Nachfolger
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Zwar waren in der Endauswahl für den CEO-Job auch zwei externe Kandidaten, doch die naheliegendsten Namen wurden von der Swisscom gar nicht erst angefragt: weder Ex-Sunrise-Chef Olaf Swantee, heute CEO beim Londoner Glasfaseranbieter Community Fibre und VR-Präsident bei Mobilezone, noch Oliver Steil, ebenfalls früher Sunrise-Chef und heute CEO beim deutschen Softwarehaus Teamviewer, noch das ehemalige Konzernleitungsmitglied und heutiger «NZZ»-CEO Felix Graf, noch Daniel Ritz, früherer Strategiechef von Swisscom, dann Chef und Board Member bei verschiedenen Telcos rund um die Welt und heute CEO von Tele Columbus in Berlin.
Und von den internen Papabili kam Aeschlimann trotz der Pannen am ehesten in Frage. Erst drei Jahre ist er im Konzern und gilt damit für viele als guter Kompromiss zwischen Kontinuität auf der einen und frischem Denken auf der anderen Seite.
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Auch dass er in seiner neuen Funktion kaum auf alte Seilschaften Rücksicht nehmen muss, wird innerhalb der Swisscom gerne gesehen. Bislang ist Aeschlimann kaum nach aussen in Erscheinung getreten, das Gespräch mit BILANZ ist das erste seit seiner Nomination für den Chefposten. Wer also ist der Hoffnungsträger? Und hat er das Zeug, die Swisscom wieder in die Spur zu bringen?
«Christoph Aeschlimann ist bodenständig, kein Blender», sagt quasi jeder, den man nach dem neuen CEO befragt. Das hat er mit seinem Vorgänger Urs Schaeppi gemeinsam. Ebenso, dass er nahbar und integrativ ist und nicht das Rampenlicht sucht. Doch damit enden die Gemeinsamkeiten auch schon.
Schaeppi musste 2013 nach dem Tod seines flamboyanten Vorgängers Carsten Schloter in grosse Fussstapfen treten; seine Aufgabe war es, die Swisscom nach den tragischen Geschehnissen in ruhige Gewässer zu führen. Für wegweisende Schritte intern oder am Markt fehlte der Mut.
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Gar als «traurige Schlaftablette» bezeichnete Fredy Künzler vom Konkurrenten Init7 Schaeppi einmal öffentlich: «Er ist ein Buchhalter und Verwalter, kein Innovator.» Jetzt aber braucht es wieder einen Typen wie Schloter an der Spitze, und diesem Bild entspricht Aeschlimann nicht schlecht: Er gilt als dynamisch und innovativ, als Macher und als jemand, der auch bereit ist, risikobehaftete Entscheide zu treffen.
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Und während Schaeppi mit jeder Pore seine Berner Herkunft verströmt, ist Aeschlimann deutlich weltoffener: Der gebürtige Basler hat in Lausanne studiert, seinen MBA im kanadischen Montreal gemacht, er wohnt in Genf und ist verheiratet mit einer französisch-schweizerischen Doppelbürgerin. «Das Multikulturelle ist ein wichtiger Teil von mir», sagt er selbst.
Vor allem aber kommt Aeschlimann aus einer ganz anderen Ecke als Schaeppi, der einst in der Papierfabrik Biberist die Produktion leitete: aus der IT.
Das wurde ihm quasi in die Wiege gelegt: Auch Vater Felix Aeschlimann war Informatiker, er leitete fast neun Jahre die Division Cards & Payments des Börsenbetreibers SIX Group. So begann der Junior bereits als 14-Jähriger zu programmieren, später baute er mit seinem Bruder – er arbeitet heute ebenfalls als Informatiker – selber seine Rechner zusammen. «Ich war ein Computerfreak», sagt er, und das Nerdhafte ist in seinem Auftritt bis heute ein bisschen geblieben.
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Aeschlimann legt eine regelrechte Blitzkarriere hin. Eine spätere Berufung zum CEO ist bei den Einstellungsgesprächen «nicht das Hauptthema».
Paolo Dutto für BILANZAeschlimann legt eine regelrechte Blitzkarriere hin. Eine spätere Berufung zum CEO ist bei den Einstellungsgesprächen «nicht das Hauptthema».
Paolo Dutto für BILANZNach der Matura entscheidet sich der Basler für ein Studium an der EPFL in Lausanne («Mir hat der Campus am Besuchertag gefallen») in Telekommunikation, doch dazu kommt es nicht: Die Informatikkurse, die dafür in den ersten vier Semestern obligatorisch sind, gefallen ihm so gut, dass er nicht nach dem Grundstudium wechselt, sondern mit dem Informatikdiplom abschliesst. Anschliessend arbeitet er als Programmierer in Zürich.
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Mit seiner damaligen Freundin, einer ETH-Doktorandin in Chemie, geht er drei Jahre später für den MBA an die McGill University nach Vancouver. Die Kosten für zwei Jahre Vollzeitkurse trägt er selbst. Nebeneffekt des MBA: Die beiden sind längst verheiratet, haben einen Sohn (11) und eine Tochter (13) und seit Kurzem einen Beagle. Die Familie wohnt heute in einer Doppelhaushälfte mit Garten in Vessy bei Genf. Ehefrau Marie-Agnès ist in einer globalen Rolle beim Duftstoffhersteller Givaudan tätig, die Kinderbetreuung haben sie aufgeteilt unter sich und der öffentlichen Ganztagesschule.
Nach dem MBA arbeitet Aeschlimann weiter erst als Programmierer, dann im Verkauf bei verschiedenen Finanzsoftwarefirmen. 2012 wechselt er zum IT-Consulter Erni – ein wichtiger Karriereschritt. Es sind Rekordjahre: Die Softwareindustrie boomt, und Erni wächst noch 10 bis 20 Prozent über dem Branchenschnitt. Als Aeschlimann kommt, zählt die Gruppe 130 Mitarbeiter; als er 2019 geht, sind es 700.
Als Abteilungsleiter erschliesst Aeschlimann neue Segmente wie Steuerungssoftware für Maschinen oder Laborauswertungssoftware und baut neue Entwicklungszentren auf in Rumänien, der Slowakei und auf den Philippinen. «Ich war relativ viel unterwegs», erinnert er sich. Später übernimmt er die Leitung Schweiz, ist damit verantwortlich für die gesamte Akquise, die Projektabwicklung und die Erfolgsrechnung.
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Foto: Paolo Dutto für BILANZ
Unter Aeschlimann wird Erni auf dem Markt sichtbarer, in der Kommunikation auffälliger – und effizienter: «Er hat sich nicht gescheut, das Fleischermesser rauszunehmen und Speck abzuschneiden, wo es nötig war», erinnert sich sein damaliger Kollege Martin Graf.
Gleichzeitig stellt er die Verkaufsabteilung neu auf und entwickelt moderne Tools und Prozesse, um die Abschlussquoten zu steigern. «Das hat sehr viel Wirkung gezeigt», so Graf. 2017 wird Aeschlimann CEO und zeigt damit die nötige Härte, um sich als Externer in einem Familienunternehmen durchzusetzen.
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«Er ist ein natürlicher Führer», sagt Ex-Kollege Thierry Divenot. Danach etabliert Aeschlimann den bisher rein Schweizer Player in Auslandsmärkten wie Deutschland, Spanien, Singapur und den USA. Als ihn die Swisscom 2019 via Headhunter kontaktiert, ist er für rund 70 Millionen Franken Umsatz verantwortlich.
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Die Swisscom will ihn als Leiter der Sparte IT, Network & Infrastructure, kurz INI – das technologische Herzstück des Unternehmens mit 3700 Mitarbeitern. Eine spätere Berufung zum CEO ist bei den Gesprächen «nicht das Hauptthema», sagt Aeschlimann. Will heissen: Es ist ein Thema. Schliesslich ist schon damals absehbar, dass Schaeppi irgendwann in den nächsten Jahren abtreten würde. Interne Quellen bestätigen, dass Aeschlimann vom Verwaltungsrat auch mit der Perspektive einer möglichen CEO-Nachfolge an Bord geholt wurde.
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Die IT-Erfahrung von Aeschlimann ist mitentscheidend für seine Wahl, bewegt sich doch das ganze Carriergeschäft von der Hardware weg Richtung Software. Das fehlende Telco-Wissen, so bestätigen mehrere Weggefährten, habe er sich in erstaunlich kurzer Zeit zugelegt. Als INI-Chef verschlankt er die Prozesse und baut – analog zu Erni – in Rotterdam und Riga zwei Softwareentwicklungszentren auf. Und um der Bundesbehäbigkeit gerade beim Festnetz Herr zu werden, führt er agile Arbeitsformen ein – wichtig auch, um junge Talente zu gewinnen. «Da ist er sehr stark prägend gewesen», sagt ein Wegbegleiter.
Entsprechend sieht sein Führungsstil aus: Aeschlimann entscheidet schnell, priorisiert und delegiert. Seinen Untergebenen lässt er auf dem Weg zur Zielerreichung viele Freiheiten, aber Accountability ist ihm extrem wichtig. «Wir haben sehr viel Zeit investiert, damit die Teams verstehen, was wir wollen, sodass sie dann autonom agieren können», drückt er es aus. Entsprechend nimmt er Erfolge nie für sich allein in Anspruch: «Die gibt es bei ihm nur im Team oder gar nicht», so ein ehemaliger Weggefährte.
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Aeschlimann kann gut zuhören, er erfasst die Dinge schnell; wenn es ihm zu lange geht, lässt er die anderen seine Ungeduld spüren. Anfangs wirkt er etwas kühl und distanziert, manchmal überfordert er die Leute mit seiner akademischen Art. «Er ist ein Schnelldenker mit viel Empathie, bei dessen Tempo vielleicht nicht immer alle mithalten können», sagt Martin Bürki, Chef von Ericsson Schweiz. Aeschlimann schwingt keine grossen Reden, aber er kommuniziert fadengrad: «Er ist sehr direkt, manchmal weniger diplomatisch», sagt sein ehemals Direktunterstellter Martin Graf: «Damit muss man umgehen können.»
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Als Aeschlimann etwa im Juli 2013 für ein zweitägiges Führungsseminar in den Campus Sursee einrückte, tat er lautstark seinen Unmut darüber kund, dass er keine Agenda vorfand. Abends an der Hotelbar entschuldigte er sich dafür. «Er hat die Grösse zu sagen: Sorry, ich bin falsch gelegen, lass uns neu starten», sagt Reto Gurini, der damals das Seminar leitete. Andererseits gilt: «Wenn er etwas sagt, kann man sich drauf verlassen», sagt Stefan Widmer, einst sein Arbeitskollege und heute beim Softwarehaus Netcetera.
Aeschlimann kann «recht kernig verhandeln», sagt einer, der es erlebt hat: Er stellt dann hohe, manchmal sogar forsche Forderungen, ist dabei aber immer transparent. «Christoph akzeptiert auch kritische Meinungen, man muss bei ihm nicht taktieren», sagt Ericsson-Chef Bürki. «Er ist einer der beeindruckendsten jungen Leader, die ich in dieser Industrie auf der ganzen Welt getroffen habe», fasst es Adolfo Hernandez zusammen, der bei Amazon Web Services das globale Telekom-Geschäft verantwortet und der Swisscom Cloud-Dienste liefert.
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Bei Erni hat Aeschlimann Erfahrung in der Technologie, in der Softwareentwicklung, bei Grossprojekten und im Verkauf gesammelt und gezeigt, dass er CEO kann. Jetzt muss er es bei einer fast 30-mal grösseren Firma beweisen. «Das wird eine grosse Herausforderung», so ein ehemaliger Weggefährte. Zumal die politischen Kräfte nicht zu unterschätzen sind, die bei der Swisscom im Hintergrund wirken – gerade, wenn die Firma transformiert werden soll. Die Vernetzung in Bundesbern aber muss sich Aeschlimann erst aufbauen, auch wenn er sagt, er habe im Rahmen des Netzausbaus bereits mit Politakteuren und Behörden zu tun gehabt.
«Die ersten drei Tage geht es um Kunden», sagt Aeschlimann über seinen CEO-Start, und man versteht: Er will zunächst einmal zuhören und sich in die neue Rolle einleben. Seine Langfriststrategie indes unterscheidet sich nicht von der bisherigen: das beste Kundenerlebnis zu bieten, die Kosten zu reduzieren und in einem schrumpfenden Markt Wachstum zu generieren, speziell in den Gebieten Cloud-Dienste und Cybersecurity.
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An der Konzernleitung will er nichts verändern, an den Strukturen auch nicht, die Prozesse «sind wir kontinuierlich am Verbessern» (Aeschlimann): Die Fähigkeiten und auch die Legitimation, bei der Swisscom aufzuräumen, hätte er. Allein der Wille scheint zu fehlen. Vor allem im Board: «Es geht nicht darum, einen CEO zu haben, der alles auf den Kopf stellt», sagt VR-Präsident Michael Rechsteiner: «Es geht darum, einen existierenden Plan konsequent umzusetzen.»Dabei gäbe es genug zu tun. Urs Schaeppi hinterlässt ihm zwar eine finanziell gesunde Swisscom: In seiner neunjährigen Amtszeit konnte er den Umsatz und das Betriebsergebnis einigermassen halten, was in einem schrumpfenden Markt eine Leistung ist. Doch der Börsenkurs hinkt dem SMI weit hinterher, für die Aktionäre war es eine verlorene Dekade. Die zuverlässig solide Dividende ist da nur ein schwacher Trost.
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««Viele Kunden im B2B-Markt nehmen die Swisscom als arrogant und selbstherrlich wahr»»
«Die Probleme der Swisscom haben auch viel mit Leadership zu tun», sagt ein Beobachter. So ist die Firma immer noch zu gross und zu komplex, verglichen mit anderen Incumbents. Eine starke Stellung am Markt (auch nach der Fusion der beiden Hauptkonkurrenten Sunrise und UPC ist die Swisscom fast dreimal so gross wie die Nummer zwei), überdurchschnittlich hohe Saläre, für nicht wenige Mitarbeiter eine geschützte Werkstätte, viele alte Zöpfe – das spornt nicht zu Höchstleistungen an.
«Viele Kunden im B2B-Markt nehmen die Swisscom als arrogant und selbstherrlich wahr», sagt einer, der das selber so sieht. Vor allem kamen aus dem Hause Swisscom in den letzten Jahren kaum mehr erfolgreiche Innovationen. Bleibt abzuwarten, ob ein neuer Wind an der Konzernspitze auch die hintersten Einzelbüros durchlüftet: «Wir lancieren laufend neue Produkte und Dienstleistungen, aber das ‹Next Big Thing› gibt es einfach nicht am Horizont», dämpft Aeschlimann die Erwartungen.
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Andere Probleme sind strategisch: Jahr für Jahr rettet Fastweb die Konzernergebnisse, doch die Frage ist, wie lange die italienische Tochter noch so stark wachsen kann, dass sie das schrumpfende Schweizer Kerngeschäft ausgleicht. Ebenso wie sein Vorgänger wird also auch Aeschlimann nicht umhinkommen, Jahr für Jahr 100 Millionen an Kosten abzubauen – mindestens. Bisher profitierte die Swisscom dabei von der kontinuierlichen Preiserosion bei Hardware. Doch nun, in der Inflation, erhöhen die Lieferanten ihre Preise.
Der neue CEO sieht Sparpotenziale woanders: bei der Digitalisierung der Kundenschnittstellen und der Automatisierung von manuellen, papierbasierten Prozessen (doch, die gibt es immer noch bei Swisscom!). «Da können wir noch viel holen», sagt er.Alle Budgets über den Haufen werfen freilich könnte eine andere Baustelle, die ihm Schaeppi hinterlassen hat: die Auseinandersetzung um den Glasfaserausbau. Seit Jahren tobt der Streit, nach dem Sommer dürfte das Bundesgericht final entscheiden, ob die Swisscom die Haushalte mit nur einer Glasfaser erschliessen darf oder ob sie weiterhin vier Kabel auch für andere Anbieter legen muss, wie dies die Konkurrenz fordert. Unterliegt Aeschlimann, kommen Mehrkosten von 400 bis 600 Millionen Franken auf die Swisscom zu. Ebenfalls ärgerlich: Die bisher mit nur einer Faser verlegten rund 250 000 Anschlüsse darf Aeschlimann nicht vermarkten, bis das Urteil gesprochen ist.
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Gerne ausbauen würde er auch das Mobilfunknetz. Doch die zahlreichen Einsprachen (schweizweit sind über 3000 hängig) und die verglichen mit dem Ausland deutlich strengere Strahlenschutzverordnung hindern ihn weitgehend daran. So gravierend ist das Problem, dass die Schweiz ihre einstige Führungsrolle beim Mobilfunk verloren hat, wie eine kürzlich publizierte Studie ergab: Hierzulande ist der 5G-Empfang deutlich schlechter als in den Nachbarländern.
Das Problem betrifft alle drei Schweizer Mobilfunkanbieter, aber keinen so stark wie die Swisscom mit ihrer Premiumpositionierung. Und noch völlig ungelöst ist die Frage: Wie monetisiert man 5G? Gibt es überhaupt Anwendungen, für welche die Nutzer extra zu zahlen bereit sind? «Das wird entscheidend sein», weiss auch Aeschlimann.
Noch entscheidender für das Urteil über seine Fähigkeiten als CEO freilich ist eine andere Frage: Gelingt es ihm, die Pannenserie bei der Swisscom endlich zu beenden? Denn die hat das Firmenimage nachhaltig beschädigt und damit auch die Positionierung als Premiumanbieter, mit der die hohen Preise gerechtfertigt werden. Die Netzsicherheit sei in den letzten Jahren schon deutlich besser geworden, wenn man die Inzidenz und die Ausfallminuten zähle, heisst es bei der Swisscom.
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Foto: Paolo Dutto für BILANZ
«Aber gleichzeitig ist – auch wegen Homeoffice – die Sensibilität gestiegen und die Fehlertoleranz gesunken», sagt Aeschlimann. Klar ist: Bei 4000 Eingriffen pro Woche kann es keine 100-prozentige Garantie geben, dass immer alles gut kommt. Ansatzpunkte zur Verbesserung hätte Aeschlimann jedoch genug.
So betreibt die Swisscom etwa ihr Mobilfunknetz immer noch selber, während die meisten Carrier rund um die Welt dies in die Hände des Herstellers (also meistens Nokia, Ericsson oder Huawei) gelegt haben. Software schreibt die Swisscom lieber selber, statt sie in Auftrag zu geben, und Änderungen im Code waren auch der Grund für die jüngste Panne.
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«Not invented here», nennt man in der Informatik dieses Syndrom, will heissen: Was wir nicht selber entwickelt haben, dafür interessieren wir uns nicht. Aeschlimann dürfte da pragmatischer sein: «Wenn er auslagern kann, wird er das ziemlich sicher machen», sagt Ex-Arbeitskollege Stefan Widmer.
Und die Swisscom betreibt heute noch verschiedene Teilnetze, entstanden vor einem Vierteljahrhundert, als die Plattformen für Fixnetz, Mobilfunk, Fernsehen und Internet noch unabhängig waren. Doch die Verbindungen zwischen diesen Teilnetzen generieren viel Komplexität und sind fehleranfällig. Deshalb arbeitet Aeschlimann seit zwei Jahren daran, dieses Stückwerk zu ersetzen: «Wir bauen zwei neue komplett konvergente Kernnetze: Wenn eines ausfällt, kann das andere jeden einzelnen Teilbereich übernehmen», sagt er. 2025 soll das Werk vollendet sein, einen dreistelligen Millionenbetrag nimmt die Swisscom dafür in die Hand. «Wir sind weltweit einer der ersten Carrier, die das machen», sagt Aeschlimann stolz.
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Alles, damit er nicht noch weitere unangenehme Momente erleben muss wie Anfang Mai in Mailand.
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