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Morten Wierod muss den Erfolg seines Vorgängers fortsetzen. Doch ihm sind die Hände gebunden.
Gemischtes Bild: ABB konzentriert sich auf Elektrifizierung und Automation. Doch nur drei von vier Sparten performen.
kornel.ch für BILANZWerbung
Bei den Zügelunternehmen ist Morten Wierod derzeit ein gern gesehener Kunde. Im Moment zieht er mit seiner Frau von Egg ZH nach Zug. Weil die Kinder nun ausgeflogen sind, geben die beiden ihr Haus mit Garten auf und beziehen eine kleine Wohnung. Für Seeblick hat es nicht gereicht, wichtiger war ihnen die Nähe zum Bahnhof. Denn das neue Zuhause befindet sich gut gelegen zwischen dem – ziemlich grossen – Ferienanwesen im Tessin und Wierods Arbeitsort in Zürich Oerlikon.
Auch dort hat der 52-Jährige kürzlich gezügelt. Er hat sein Büro im zweiten Stock des ABB-Hauptsitzes geräumt und ein neues, ungleich grösseres bezogen im fünften und obersten Stock: das Eckbüro ganz hinten rechts, mit Blick auf den MFO-Park, eine von Kletterpflanzen gesäumte Grünfläche. Vom Office des VR-Präsidenten Peter Voser trennt ihn nur ein Meetingraum. Denn Wierod besetzt nun das CEO-Büro.
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Seit 1. August also ist der Norweger der neue Chef von ABB. Und der Erwartungsdruck ist riesig. Denn sein Vorgänger Björn Rosengren hat den Konzern in den letzten vier Jahren komplett umgekrempelt: Allein im ersten Halbjahr hatte er 10'000 Arbeitsplätze abgebaut, 45 Standorte geschlossen und 200 verlustbringende Projekte gestoppt. Vor allem aber pushte er die Entscheidungsgewalt in die Sparten und damit näher zu den Kunden, gab den 18 Spartenleitern weitgehende Freiheit, aber auch die alleinige Ergebnisverantwortung. Die Belegschaft am Hauptsitz schrumpfte so von 18'000 auf 600 Personen. Und Rosengren führte – genauso wie bei seinen früheren Arbeitgebern Wärtsila und Sandvik – ein elaboriertes System aus 15 Finanzkennzahlen ein, einen Rolling Forecast, der jedes Quartal erneuert wird und sich anbahnende Missstände frühzeitig anzeigen soll. «The ABB Way» taufte er dieses Massnahmenpaket, und die Ergebnisse waren spektakulär: Die EBITA-Margen stiegen von 10 bis 11 auf zuletzt 19 Prozent, der vorher lange Zeit darbende Aktienkurs explodierte von 15 auf über 50 Franken.
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177 Produktionsstätten betreibt ABB rund um den Globus.
19 Prozent betrug die EBITA-Marge im 3. Quartal – Rekord!
Und das genau ist das Problem von Morten Wierod. «Es wird für ABB immer schwieriger, das hohe Niveau zu halten und noch zu steigern», sagt Bernd Laux, Analyst bei der ZKB. Denn 19 Prozent war bereits der obere Rand der Margenziele, die Rosengren ausgegeben hatte. «Der Markt wird nach neuen, ambitionierteren Zielen rufen, da wird auch Wierod mit der Zeit nicht drum rumkommen, noch eine Schippe draufzulegen», so Laux. Rosengren selber ist seit der Stabübergabe am 1. August bis Ende Jahr noch als Berater tätig, was ihm erlaubt, noch einmal ein komplettes Jahressalär zu beziehen (2023 erhielt er inklusive Boni knapp 16 Millionen Franken). De facto aber wurde der Schwede am Hauptsitz seither nicht mehr gesehen. «Er ist verfügbar, aber drängt sich nicht auf», so die offizielle Sprachregelung.
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Sicher ist: Mit Wierod ist nun ein ganz anderer Typ Manager am Steuer. Klar, beide sind Skandinavier, beide etwas hemdsärmelig, beide suchen nicht das Rampenlicht. Das wars dann aber auch schon mit Gemeinsamkeiten. Wierod ist nicht nur 13 Jahre jünger als sein Vorgänger, er tickt auch anders. Er gilt als offen und unverkrampft, macht auch mal selbst Videos für die interne Kommunikation und Social Media. Rosengren gibt sich nach aussen konziliant, ist aber nach innen recht hart, hat häufig eine vorgefertigte Meinung – «dann ist er nur mässig an einer anderen Sicht der Dinge interessiert» (ein Weggefährte). Wierod hingegen gilt als reflektiert, als guter Zuhörer, der die Leute involviert und dann seine Schlüsse zieht. Der Schwede kann auch auf den Tisch hauen, wenn ihm etwas nicht passt oder – viel schlimmer – wenn er den Eindruck hat, ihm werde eine Fehlentwicklung verheimlicht: «Verärgere ihn um Gottes willen nicht in einer Sitzung!», so ein Ex-ABBler: «Björn kennt sein Rolling-Forecast-System.» Der Norweger hingegen wird nicht laut, er kommt eher hintenrum, wenn etwas schiefläuft. «Aber in manchen Situationen ist es notwendig, auf den Tisch zu hauen», sagt ein ihm sonst wohlgesinnter Ex-Kollege. Der Hauptunterschied freilich: Rosengren kam von aussen, er ist ein klassischer Holdingmanager, der mit Scorecards und Kennzahlen die Sparten führt. Wierod hingegen ist ein ABB-Gewächs durch und durch, er hat nie woanders gearbeitet. Dafür kennt er den Konzern und dessen Kunden à fond und bietet den Managern seine Hilfe an, wenn es Probleme in einem Bereich gibt. «Er weiss, was funktioniert und was nicht, und merkt, wenn ihm jemand Bullshit erzählt», sagt Craig McDonnell, Bereichsleiter in der Robotiksparte.
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Siegessicher: Am World Economic Forum dieses Jahr in Davos konnten manche bereits erahnen, dass Wierod der neue ABB-CEO wird.
PRSiegessicher: Am World Economic Forum dieses Jahr in Davos konnten manche bereits erahnen, dass Wierod der neue ABB-CEO wird.
PRAls Sechsjähriger wartete Wierod häufig vor der BBC-Fabrik im norwegischen Skien auf seinen Opa, der dort arbeitete. Dass er dann 20 Jahre später selber beim Nachfolgekonzern ABB landete, war aber Zufall: «Die meisten meiner Kommilitonen wollten zu ABB Norwegen – das war das Unternehmen Nummer eins für uns angehende Ingenieure, mich eingeschlossen», sagt Wierod. Bereits nach kurzer Zeit machte er als Verantwortlicher für das Geschäft mit Sicherungen und Schaltern auf sich aufmerksam: «Wir wurden vorher global nicht gross beachtet, aber Morten hat unsere kleine Sparte auf die Landkarte gesetzt», erinnert sich sein Weggefährte Steffen Waal. Auch Präsident Voser, damals noch CFO, lernte Wierod bereits in dieser frühen Phase kennen. 2008 wurde er für drei Jahre nach Xiamen transferiert, zum grössten ABB-Standort in China, damals ein absoluter Boommarkt. «Das war eine einmalige Chance für mich und eine wichtige Entscheidung», erinnert er sich. «Es hat mir geholfen, die Welt nicht nur durch eine europäische Linse zu sehen. Und ich bin froh, dass auch meine Kinder diese Erfahrung gemacht haben. Wir haben immer noch Freunde in China.»
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Im Reich der Mitte: Wierod mit Kollegen aus dem Bereich Elektrifizierung im Oktober 2010 in Beijing.
PR / zVgIm Reich der Mitte: Wierod mit Kollegen aus dem Bereich Elektrifizierung im Oktober 2010 in Beijing.
PR / zVgDanach wechselte Wierod, ein glühender FC-Chelsea-Fan, an den Konzernhauptsitz in Oerlikon und übernahm globale Verantwortung: erst als Geschäftsführer für Automatisierungsprodukte im Niederspannungsgeschäft, dann als Geschäftsführer Frequenzumrichter. Ein weiterer karrieredefinierender Moment war 2019 die Berufung in die Konzernleitung unter Ulrich Spiesshofer: Wierod war zuständig für die Konzerndivision Antriebstechnik mit 20'000 Mitarbeitern und sechs Milliarden Dollar Umsatz. Bereits damals galt er als langfristiger CEO-Kandidat: «Morten hatte das richtige Alter, und er ist Skandinavier», so ein damaliger Kollege. Denn die schwedischen Grossaktionäre Investor AB (Familie Wallenberg) und Cevian sorgen dafür, dass der Schweizer Einfluss im 1988 durch die Fusion der schwedischen Asea mit der Schweizer BBC entstandenen Konzern nicht zu gross wird. Schweizer ist Wierod übrigens in den 14 Jahren in Zürich nicht geworden, obwohl er die Möglichkeit gehabt hätte. «Die Schweiz ist mein Zuhause, ich geniesse meine Zeit hier», sagt er: «Gleichzeitig bin ich ein stolzer Norweger und gehe regelmässig zurück. Es gab also keinen Grund, etwas an meiner Staatsbürgerschaft zu ändern.»
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In seiner neuen Rolle gelang es Wierod, den Umsatz um 15 Prozent und die EBITA-Margen um 0,8 Prozent zu steigern: «Morten hat einen grossartigen Job gemacht, er war sehr kostenbewusst», sagt einer, der es erlebt hat. Ein anderer attestiert ihm ein «permanentes Gespür für Spitzenleistungen». Vor zweieinhalb Jahren verdichteten sich dann die Vorzeichen, er würde CEO werden: In einem beispiellosen Revirement tauschten Wierod und Tarak Mehta die Sparten – Wierod übernahm die wichtigste Division Elektrifizierung, mit damals 13,2 Milliarden Dollar Umsatz fast doppelt so gross wie sein bisheriger Bereich und verantwortlich für fast die Hälfte des Konzern-EBITDA. Auch hier performte Wierod: Er steigerte den Umsatz in zwei Jahren um 15 Prozent und die EBITA-Marge gleich um 6,8 Prozentpunkte. «Am WEF dieses Jahr war ich überzeugt, dass er der nächste CEO wird», erinnert sich eine Teilnehmerin: «Denn man konnte sehen, wie sehr sein Selbstvertrauen gestiegen war.» Wierods Berufung im Frühling war ein Richtungsentscheid: Gegenkandidat Tarak Mehta (er hat ABB inzwischen verlassen) gilt als deutlich eigenwilliger und gestaltungsfreudiger. Von Wierod wird erwartet, dass er den vom jahrelangen Umbau gebeutelten Konzern zur Ruhe bringt und den von Rosengren eingeschlagenen Kurs fortsetzt. «Morten ist eher Typ Manager als Typ Unternehmer» sagt jemand, der ihn gut kennt, «er ist kein Revoluzzer, mit ihm wird man ABB nicht umbauen.» ABB-Verwaltungsrat Lars Förberg vom Grossaktionär Cevian sagte es im BILANZ-Interview sogar in aller Deutlichkeit: «Wir brauchen keine Experimente!»
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Wierods Berufung wurde intern gut aufgenommen, denn er ist beliebt im Konzern. Als «kundenorientiert, offen, und sehr zugänglich» bezeichnet ihn etwa Panu Virolainen, CTO im Bereich Antriebstechnik. «Sehr zugänglich», diese Bezeichnung hört man auffallend oft, wenn man sich im Bauch von ABB über den neuen Chef umhört: Wierod begrüsst jeden, hat immer ein offenes Ohr, gilt als stets freundlich und als menschlich sehr korrekt. «Die Leute gehen für ihn durchs Feuer», sagt jemand, der die letzten Jahre mit ihm zusammengearbeitet hat. Auch, weil er sie an der langen Leine lässt und nur eingreift, wenn etwas schiefzulaufen droht: «Operative Freiheit und Verantwortlichkeit gehen Hand in Hand, man kann nicht das eine ohne das andere haben», definiert Wierod selber seinen Führungsstil. Er wolle Spass im Job haben und einen guten Spirit: «Das ist aber kein Grund, nicht zu performen.» Auch in schwierigeren Situationen ist Wierod ein ruhender Pol, kein Haudegen, manche bezeichnen ihn gar als «Langweiler». Auch wenn sich der eine oder andere mehr Spritzigkeit und Charisma vom neuen Chef erhofft hätte: Vermutlich ist Langeweile genau das, was ABB jetzt braucht. Vorausgesetzt, Wierod bekommt auch seine Defizite in den Griff: Bisher hatte er kaum Berührungspunkte mit der Öffentlichkeit, sprach nicht mit den Medien, ging nur sehr selten auf Roadshows. Er muss lernen, mit dem Board umzugehen. Und er gilt als jemand, der sich wegduckt, um nicht in die Schusslinie zu kommen. Dieser Punkt wird wichtig sein, wenn die skandinavischen Grossaktionäre mit ihren Entscheidungen mal wieder nicht auf die Gegenliebe der Konzernleitung stossen. «Björn scheute sich nicht, dann auch mal quer im Stall zu stehen», so ein hochrangiger Ex-ABBler: «Morten wird ihren Willen erfüllen.»
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Die grosse Frage ist also: Wo kann Wierod seine eigenen Duftmarken setzen? Denn Rosengren hat alle niedrig und auch die mittelhoch hängenden Früchte abgeerntet. Die Sparten Mechanical Power Transmission (Dodge) und Solarwechselrichter sind verkauft, das Turboladergeschäft unter dem Namen Accelleron an die Börse gebracht. Ausser dem Bereich E-mobility, der später ebenfalls an die Börse kommen soll, gibt es keine Verkaufskandidaten mehr. Und dieses IPO wird ABB erst mal kein Geld einbringen: Die Aktie wird den bisherigen Investoren einfach zusätzlich ins Depot gelegt.
Andersherum liegen auch grosse Akquisitionen nicht drin, weil kaum Mittel dafür freigegeben werden: Nur ein bis zwei Prozent des Wachstums sollen aus Übernahmen kommen – ein Ziel, das der Konzern bisher noch nicht mal erreicht hat. Etwa 1,5 Milliarden Dollar Spielraum gibt sich ABB, das reicht für ein paar Arrondierungen wie heuer etwa das Siemens-Wiring-Accessories-Business (150 Millionen Umsatz, 350 Angestellte) in China, die amerikanische SEAM Group (250 Mitarbeiter) oder die deutsche Födisch (55 Millionen Umsatz). Es sind Ergänzungskäufe, die sich relativ schnell rechnen, wenn sie von den Vorteilen des Konzerns profitieren. Ihre Anzahl soll nun erhöht werden. Risikoreichere grössere Deals hingegen hat ABB seit Jahren gemieden, und transformative Targets wären derzeit auch gar nicht in Sicht.
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Podestplatz: Wierod bei der Siegerehrung des Berliner Grand Prix in der Formel E, die von ABB gesponsert wird.
DPPI via AFPPodestplatz: Wierod bei der Siegerehrung des Berliner Grand Prix in der Formel E, die von ABB gesponsert wird.
DPPI via AFPUnd auch für Aktienrückkaufprogramme ist nicht mehr viel Geld da: Für über zehn Milliarden Dollar hatte der Konzern in den letzten vier Jahren eigene Titel aus dem Markt genommen, das erklärt einen Teil des gewaltigen Kursanstieges unter Rosengren. Die Mittel dafür stammten hauptsächlich aus den Verkaufserlösen für die Stromnetzsparte und für Dodge. Doch die sind nun aufgebraucht, bereits das aktuelle Rückkaufprogramm in Höhe von bis zu einer Milliarde muss der Konzern aus dem Free Cash Flow finanzieren. Und Priorität bei der Mittelverwendung hat bei ABB eigentlich das profitable Wachstum. Zudem hat sich der Konzern verpflichtet, die Dividende jedes Jahr zu erhöhen. Auch das kostet Geld, gleichzeitig hat der Aktienmarkt das bereits eingepreist.
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Die Kursimpulse müssen also in Zukunft woanders herkommen. Die Richtung hat Rosengren vorgegeben. Jede Sparte müsse sich zunächst um eine angemessene Profitabilität kümmern. Erst wenn eine Marge von 15 Prozent erreicht sei, dürfen sie in den Wachstumsmodus wechseln. In diesem befinden sich offiziell 60 Prozent des Konzernumsatzes. Anders ausgedrückt: Bei 6 der 18 Sparten, so schätzt man in der Branche, ist das noch nicht Fall. Das Geschäftsfeld Distribution Solutions aus dem Bereich Elektrifizierung, mit rund vier Milliarden Umsatz eine der grössten Sparten im Konzern, soll das Ziel bis Ende Jahr erreichen. Bei Large Motors im Bereich Antriebstechnik, mit rund einer Milliarde Umsatz ein kleinerer Fisch, ist es unklar, ebenso bei der ähnlich kleinen Sparte Measurement & Analytics im Bereich Prozessautomation.
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Viel zu holen gibt es hingegen in der inzwischen ausgegliederten Sparte E-mobility. Das Geschäft mit Ladesäulen für Elektroautos stand zwei Wochen vor dem Börsengang, als der Ukraine-Krieg ausbrach. Rosengren bekam kalte Füsse und schickte das IPO in die Warteschleife. Seither türmen sich die Probleme: Ein zu grosses und veraltetes Produktportfolio, Qualitätsmängel, Managementwechsel und ein Markt, der kollabiert – von der einstigen Begeisterung für Elektrofahrzeuge ist in Europa nur noch wenig zu spüren. Bei ABB macht der Bereich geschätzte 750 Millionen Umsatz und einen Verlust von 150 bis 200 Millionen – als «pretty shitty business» bezeichnete Rosengren die Sparte letztes Jahr im kleinen Kreis. Auch andere etablierte Hersteller leiden: Die australische Tritium ging in Insolvenz, die deutsche ABL wurde von der spanischen Wallbox übernommen, die französische Engie wickelt ihre Tochter EVBox gerade ab. Auch weil junge Start-ups mit moderner Technologie den Markt vergiften: Sie müssen für die Investoren volle Auftragsbücher zeigen und nehmen deshalb mitunter Bestellungen an, die man besser nicht annehmen sollte. ABB will nun ihre Produktpalette stark reduzieren und im vierten Quartal komplett erneuern. Mittelfristig, so Elektrifizierungschef Giampiero Frisio, soll der Markt dann wieder besser aussehen: «Der Börsengang ist weiterhin eine Option, noch ist nichts entschieden.»
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Auch die Sparte Robotik und Fertigungsautomation ist eine grössere Baustelle. An mangelnder Grösse liegt es nicht, ABB ist auf dem Weltmarkt die Nummer zwei. Aber das Robotergeschäft ist sehr zyklisch und momentan in der Talsohle. Zudem fluten chinesische Hersteller den Markt mit günstigeren Systemen, Roboter werden immer mehr zur Commodity. Robotik ist noch meilenweit vom Margenziel entfernt. Der Bereich Fertigungsautomation (Umsatz rund eine Milliarde) ist sogar defizitär. Ein Grossteil des Geschäftes besteht aus der 2017 für zu viel Geld übernommenen österreichischen B&R, die sich inzwischen als Enttäuschung entpuppt hat und bei der nun Stellen abgebaut werden. Das Geschäft ist sehr deutschlandlastig, aber die deutsche Automobilindustrie etwa schwächelt und ist deshalb nicht in Investitionslaune.
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Gelassen: Morten Wierod ist zufrieden, wenn er Kunden helfen konnte, sich zu verbessern. Aufbruchstimmung klingt anders.
PRGelassen: Morten Wierod ist zufrieden, wenn er Kunden helfen konnte, sich zu verbessern. Aufbruchstimmung klingt anders.
PRSchon lange wird im Konzern diskutiert, ob die beiden Bereiche langfristig überhaupt noch zu ABB gehören sollen. Aber die Fertigungsautomation hat interne Synergien mit der Sparte Antriebstechnik. Und ganz abgesehen davon, dass angesichts der momentanen Marktschwäche der Zeitpunkt für einen Verkauf völlig falsch wäre: ABB definiert ihre Existenzberechtigung, neudeutsch Purpose, ausdrücklich über die Technologieführerschaft bei Elektrifizierung und Automation. Wierod muss also gelingen, was Rosengren nicht gelang: die beiden Bereiche wieder auf die Beine zu bringen. «Da sind wir nicht, wo wir sein wollen, da haben wir noch Hausaufgaben zu machen», sagt er selber. «Wenn es Wierod schafft, Robotik, Fertigungsautomation und E-mobility zu sanieren, würde ABB den nächsten Schritt machen und aufschliessen zu den Besten in der Industrie», sagt ZKB-Analyst Laux. Die amerikanischen Konkurrenten wie Honeywell, Eaton, Rockwell oder Emerson liegen in Sachen Marge zwei bis fünf Prozentpunkte oberhalb ABB.
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Und beim Wachstum haben europäische Konkurrenten wie Siemens, Schneider oder Legrand die Nase klar vorn: Sie setzen seit Jahren stark auf Software, einen Bereich, der nun sehr stark zulegt. ABB hat diesen Zug verschlafen. Wollte man in Zürich heute ein ähnlich grosses Standbein aufbauen, wären milliardenschwere Investitionen nötig – die der VR kaum genehmigen würde. Wie Wierod da ein auch nur annähernd vergleichbares Wachstum hinbekommen will, bleibt sein Geheimnis.
Doch ganz unabhängig davon stellt sich die übergeordnete Frage: Wie lang kann man eine so grosse Firma nur über Finanzzahlen führen? «Das Rolling-Forecast-Modell mit den 15 Kennzahlen wird fortgesetzt werden, grosse Änderungen sind nicht vorgesehen», sagt Frisio. Doch die Investoren und auch die Mitarbeiter erwarten von Wierod eine Langfristvision: Wie soll ABB dereinst aussehen? Schliesslich ist der neue CEO erst 52, könnte den Konzern also noch 13 Jahre lang führen.
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Das Problem: Durch Visionen ist Wierod in seiner Karriere nie aufgefallen, auch nicht durch unbändigen Gestaltungswillen. Das Wort «Verwalter» verwenden gleich mehrere Wegbegleiter. Er selber beschreibt sein Mandat spektakulär unspektakulär: «Bessere Unterstützung der Kunden, schnellere Verbreitung von Best Practices im Unternehmen, das ist mein Auftrag.» Er sagt: «Ich bin happy, wenn ich von einem Kunden höre, dass ABB ihm geholfen habe, sich zu verändern.» Und wenn Wierod heute über seine Pläne spricht, sind «maintain», «keep», «remain», «continue» die meistgenutzten Wörter. Aufbruch klingt anders. Will der neue Chef ABB zu weiteren Höhenflügen antreiben, muss er sich also zunächst einmal selbst neu erfinden – keine leichte Aufgabe für einen 52-Jährigen, zumal ihm ja das Board und sein Vorgänger enge Leitplanken gesetzt haben.
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In einem Gebiet freilich hat sich Wierod von seinem Vorgänger abgesetzt – noch. Beide spielen Golf, der Norweger im Heimaturlaub im Golfclub Kragerø am Skagerrak, bevorzugt für zwei Wochen im August nach der Bekanntgabe der Zahlen für das zweite Quartal. Rosengren und seine Frau Cecilia sind Mitglied im Golfpark Zürichsee in Nuolen SZ. Wierod hat Handicap 11, Rosengren 17. Doch der Schwede hat nun deutlich mehr Zeit zum Spielen. Und so machte Rosengren seinem Nachfolger bei der Amtsübergabe schon mal eine klare Ansage: «Wenn du ein paar Monate im Job bist, werde ich besser sein als du!»
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