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Militärökonom Marcus Keupp sähe in einer Niederlage eine Chance für Russland.
Marcus Keupp (46) ist Experte für Fragen zum Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine. Als Dozent für Militärökonomie an der ETH Zürich unterrichtet Keupp Berufsoffiziere der Schweizer Armee.
Stephan Rappo / 13 PhotoWerbung
Die Abnutzungsrate auf russischer Seite ist unverändert hoch. Die einsatzfähigen Bestände sind allmählich aufgebraucht. Russland mobilisiert immer ältere Systeme. Und gut 40 Prozent aller russischen Verluste bei der Artillerie sind in den letzten drei Monaten entstanden. Die russische Logistik wird bald überdehnt sein.
Ich stehe unverändert zu meiner Aussage, dass der Krieg im Oktober strategisch entschieden sein wird. Das heisst natürlich nicht, dass die Kampfhandlungen enden. Mit jedem Kriegstag werden die Russen stärker abgenutzt und ihre Position schlechter. Ich bin nach wie vor optimistisch, dass der Krieg mit der Wiederherstellung der Ukraine in den Grenzen von 1991 endet. Ich wünsche dem russischen Angriffskrieg ein Ende im Desaster.
Das könnte der russischen Gesellschaft klarmachen, was dieses Regime angerichtet hat. Und Putin und seine Anhänger verstünden dann, dass brutale Eroberungskriege, wie in Georgien und der Ukraine, nicht mehr möglich sind.
Es wird sich ein neuer Kalter Krieg manifestieren – mit einem revanchistisch eingestellten Russland, das antiwestliche und neostalinistische Züge trägt.
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Gerade wurde in Moskau unter dem Applaus der Politelite eine neue Statue von Feliks Dzierzynski, dem Gründer der gefürchteten sowjetischen Geheimpolizei, aufgestellt. Das ist ein plakatives, aber anschauliches Beispiel für die Rehabilitierung der Sowjetzeit.
Die Rubelschwäche schlägt auf die Konsumgüterpreise durch. Die Zentralbank Russlands hat daher die Leitzinsen auf 13 Prozent angehoben. Zudem werden die Verteidigungsausgaben erhöht. Das Problem ist, dass die Öl- und Gasexporte und damit die Staatseinnahmen eingebrochen sind.
Unternehmen müssen derzeit eine «freiwillige» Sondersteuer zahlen, um den Krieg zu finanzieren. Doch die Situation wird sich nicht verbessern, weil Russland vom Rest der Welt isoliert bleibt.
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