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Alte Schule

Der Alpine A110 R treibt ein altbewährtes Spasskonzept auf die Spitze

In Zeiten von Elektrifizierung und Downsizing sind einige alte Tugenden aus der Mode gekommen. Etwa Leichtbau und Leistung, kombiniert in einem kompakten Coupé, haben nicht mehr viele Marken im Programm. Nicht aber beim Alpine A110 R. Da steigen wir ein!

Dirk Ruschmann

Klein, stark, blau: Der Alpine R markiert die Spitze der erfolgreich neu aufgelegten Tochtermarke von Renault. Schnell ist er, und schnell sieht er auch aus.

Klein, stark, blau: Der Alpine R markiert die Spitze der erfolgreich neu aufgelegten Tochtermarke von Renault. Schnell ist er, und schnell sieht er auch aus.

ZVG

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An den Kugelschreibern sollst du sie erkennen: Bei Presseveranstaltungen liegen ja immer Notizblocks und Kugelschreiber bereit – könnte ja sein, dass die eine oder der andere Zeilenmagd/-knecht die Arbeitsutensilien vergessen hat. Und die Qualität der Schreibwerkzeuge sagt schon einiges über das Selbstverständnis der jeweiligen Automarke aus – es reicht, unabhängig vom sonstigen Anspruch, von ziemlich cheap bis erstaunlich hochwertig.

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Warum schreibe ich das auf? Alpine hat in diesem Vergleich die Nase ziemlich weit vorn. Das Teil liegt satt, fast schwer in der Hand, fährt die Mine mit Drehung aus und produziert einen feinen, schmierfreien Strich; der eigene Anspruch scheint mir hier ziemlich hoch zu sein.

Mit 300 Pferden unterwegs

Damit korrespondiert der Preis des zu beschreibenden Autos: 109'000 Franken kostet der Renault Alpine A110 R, die heisseste Version dieser neu aufgelegten Ikone, die schon in der Basisversion, für rund 67'000 Franken bekömmlich, viel Freude macht. Macht aber nun der R über 50 Prozent mehr Freude?

Nahe Madrid liegt die traditionsreiche Rennstrecke Jarama. Sie bietet aufregende Berg-und-Tal-Fahrten, wird aber aufgrund ihrer geringen Fahrbahnbreite nicht mehr von Formel 1 oder MotoGP besucht.

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Dafür vom Alpine R: Rein in die bequemen, superleichten (11 Kilo!) Schalensitze, Renngurte festzurren, auf Sportmodus stellen, den Rest besorgt die agile Schaltelektronik, einzig bei ganz kurvigen Bergstrassen braucht es bisweilen manuelle Eingriffe. Im Track-Modus wechseln die Gänge noch etwas schneller, hier muss aber zwingend per Wippe geschaltet werden.

Boxenausfahrt, die erste Kurve, kaum sichtbar ohne Randsteine, kommt viel zu schnell auf mich zu. Ein Japaner, der einige Tage zuvor hier war, setzte den Alpine direkt ins Gras. Die Motorisierung klingt mit 300 Pferden zwar nicht überwältigend, und auch die günstigeren Versionen A110 GT und A110 S nutzen dieses Triebwerk bereits, doch die fast endlose Liste an Gewichtseinsparungen, etwa bei den Sitzen, Karosserieteilen oder Felgen, an aerodynamischen Verbesserungen und Schärfungsarbeit am Fahrwerk, an Federn und Stossdämpfern, nicht zu vergessen die Ausstattungen mit Semi-Slick-Reifen, also Pistenspezialisten – das alles summiert sich zu einer anderen Welt der Fahreigenschaften.

Ein Autor am Steuer, leider ist die Griffhaltung etwas verrutscht. Zum Glück wurde im Stand fotografiert.

Ein Autor am Steuer, leider ist die Griffhaltung etwas verrutscht. Zum Glück wurde im Stand fotografiert.

ZVG
Ein Autor am Steuer, leider ist die Griffhaltung etwas verrutscht. Zum Glück wurde im Stand fotografiert.

Ein Autor am Steuer, leider ist die Griffhaltung etwas verrutscht. Zum Glück wurde im Stand fotografiert.

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Also nach der ersten Kurve wieder voll beschleunigen, in den engen Kurven vier und fünf geschmackvoll auf die Bremse steigen, auch sie ein Hochleistungsteil von Brembo, und in Kurve sechs, die blind nach links und steil aufwärts führt, die eigenen Impulse kontrollieren – der Strassenrand und die Grasnarbe kommen viel zackiger auf das Auto zu als berechnet. Und in der vorletzten Kehre, wo eine Ausweichbarriere mit Verkehrskegeln die ganz Übermütigen einbremsen wollte, geriet mir im Übermut eins der Hütchen unter die Karosserie; es klapperte etwas dumpf, aber der glatte Unterboden bietet keine Mitschleifmöglichkeiten. Zum Glück.

Also: Sehr schnell fährt man den Alpine R sehr schnell – und erlebt dabei keinerlei Überraschungen, der Alpine tut das, was man erwartet. Das Limit wird vom eigenen Können gesetzt, und so spöttelte einer der höchst versierten Kollegen, «mit diesem Auto haben auch weniger erfahrene Leute Spass». Sei es ihm gegönnt.

Auf kurvigen Landstrassen macht der R naturgemäss genauso viel Freude. Der Sound knackig, aber nicht aufdringlich, inklusive des guten alten «Schubblubberns», das entsteht, wenn Kraftstoff eingespritzt und verbrannt wird, obwohl er gerade nicht benötigt wird, etwa bei Bergabfahrten – es rotzt und knallt ein wenig, durchaus kontrolliert, aber ein Rest Rebellion sorgt ja für den gewissen Sex-Appeal. Ambitionierte Fahrer werden es geniessen, dem Motor so direkt bei der Arbeit zu lauschen. Mit nur 4,26 Länge, entsprechend kurzem Radstand und einem Leergewicht von 1082 Kilo, Karbon allüberall sei Dank, fährt sich der Alpine handlicher als jedes andere Auto, das ich kenne. So müssen sich zu Zeiten von Gilles Villeneuve oder Stefan Bellof scharfgemachte Strassenrenner angefühlt haben. «Born from Racing», dichtet Alpine-Projektleiter Xavier Sommer zum R, «für anspruchsvolle Kunden». Sei die bisher zackigste Variante S «sportlich für die Strasse, glaubwürdig auf der Rennstrecke» positioniert worden, so gelte die Gewichtung entgegengesetzt für den R: entwickelt für den Racetrack, aber problemlos nutzbar auf der Strasse.

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Wiederum Autor am Steuer, dieses Mal in voller Fahrt auf der Berg-und-Tal-Bahn Jarama.

Wiederum Autor am Steuer, dieses Mal in voller Fahrt auf der Berg-und-Tal-Bahn Jarama.

ZVG
Wiederum Autor am Steuer, dieses Mal in voller Fahrt auf der Berg-und-Tal-Bahn Jarama.

Wiederum Autor am Steuer, dieses Mal in voller Fahrt auf der Berg-und-Tal-Bahn Jarama.

ZVG

Obacht geben ist dennoch angesagt im freien Verkehr. Temposchwellen und Bordsteine sind potenzielle Feinde und erfordern Gefühl im Gasfuss, und der Hosenträgergurt hält mich zwar noch beim schlimmsten Geruckel bombenfest im Karbonsitz, aber wer sich bei Einmündungen nach vorne beugen will, um Querverkehr zu erkennen, muss zuvor den Gurt lockern. Oder er bleibt, wie ich, als Fahrerpressteil in der Schale stecken. Auch sonst erfordert der R diverse Kompromisse bei der Alltagstauglichkeit: Innenspiegel hat und braucht es nicht, weil es keine Sicht durch die Heckscheibe gibt. Und die Kofferräume vorn und hinten gehen maximal als Reisetaschen-Staufächer durch.

Spassmobil der Extraklasse

Doch was solls – als Erstwagen ist der Alpine R ohnehin kaum gedacht. Wer ein One-fits-all-Auto sucht, wäre im vergleichbaren Segment zum Beispiel mit einem Porsche Cayman GTS 4.0, der zudem 100 Pferdchen mehr mobilisiert, womöglich besser bedient: etwas mehr Platz und Bequemlichkeit, guter Werterhalt, und er kostet laut Liste rund 300 Franken weniger, das ergibt ein schickes, weingeschwängertes Abendessen. Wer nicht so viel ausgeben kann oder möchte und grundsätzlich den Alpine-typischen Leichtbau schätzt, könnte auch den weniger extremen S oder den komfortableren GT wählen. Die belassen etwa 30 Kilofranken mehr im Haushaltsbudget.

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Aber mit solchen Kategorien sollte man dem Alpine R nicht kommen. Er ist nicht gemacht für Leute, die etwas zum Essen brauchen, sondern für jene, die ein Leckerli zum Naschen suchen: teuer, aber topfit getrimmt, ein Spassmobil der Extraklasse. Die Exemplare sind nummeriert, obwohl es kein Limit auf die Produktion geben soll – dennoch wird er immer ein bestaunter Exot auf Schweizer Strassen bleiben. Ein Liebhaberstück. Selten wie ein guter Automarkenkugelschreiber.

Über die Autoren
Dirk Ruschmann

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