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Signa-Pleite

Das System Benko ist gescheitert und doch haben einige profitiert – eine Bilanz

Der Immobilien-Tycoon hat einige reiche Leute noch reicher gemacht. Wer profitiert hat, wer verliert.

Marc Kowalsky

Benko

Für René Benko ist Baustopp angesagt. Vor dem Hamburger Elbtower ruhen derzeit die Baukräne.

ZVG

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Der österreichische Humor war schon immer bekannt für seinen Sarkasmus und seinen Wortwitz. Und so tauchte am Vormittag des 29. November vor der Salzburger Academy Bar, zu der auch eine Werbeagentur gehört, ein besonders böser Kundenstopper auf: «Benkomat ausser Betrieb», stand auf dem Schild, unmittelbar nachdem René Benkos Signa Holding die Insolvenz angemeldet hatte.

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Da war es also passiert, was Anfang Jahr noch keiner glauben wollte, was im Sommer erstmals diskutiert wurde und sich im Herbst immer dramatischer beschleunigte: René Benkos Immobilienimperium ist kollabiert. Kolossal gescheitert ist ausgerechnet der Selfmademan, der es ohne Schulabschluss oder Startkapital zum Milliardär schaffte, der sich damit brüstete, dass ausser der katholischen Kirche und dem britischen Königshaus niemand in Europa mehr Häuser an bester Lage besitze. Klar, Signa ist nicht die einzige Immobilienfirma, die in den letzten Wochen und Monaten in Schieflage geraten ist: Die Gerchgroup aus Düsseldorf meldete ebenso Insolvenz an wie Development Partner am selben Ort, auch die Centrum Holding von Uwe Reppegather, einem Ex-Buddy von Benko, der mit ihm zusammen vor Jahren die deutsche Warenhauskette Kaufhof übernehmen wollte. Aggregate aus Luxemburg kann eine Anleihe nicht mehr bedienen und hat ihr Grossprojekt am Berliner Ku’damm eingestellt, die europaweit tätige Adler Group, ebenfalls aus Luxemburg, brach aus dem gleichen Grund gar alle Bautätigkeiten ab.

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Aber nichts davon erreicht Signa’sche Dimensionen. Immer mehr Teilbereiche des verwinkelten Imperiums rutschen in die Insolvenz (Deutschland, Österreich) bzw. Nachlassstundung (Schweiz). Erst jetzt kommt die Monstrosität der Zahlen ans Licht: Die Holding, die im letzten Jahresabschluss ihre Beteiligungen noch mit 5,3 Milliarden Euro bewertete und 505 Millionen Verlust verzeichnete, weist bei einer (vermutlich notwendigen) Zerschlagung laut Insolvenzplan nur noch Beteiligungen im Wert von 314 Millionen aus, dafür Verbindlichkeiten von 5,3 Milliarden. Macht ein Loch von 5 Milliarden. 

Bei den drei wichtigsten Töchtern sieht es nicht viel besser aus: Die Retailsparte, zu der unter anderem die Warenhauskette Globus gehört, befindet sich inzwischen ebenfalls in Nachlassstundung und wurde komplett abgeschrieben von 132 Millionen auf null. Die Signa Prime (Verlust letztes Jahr: 1,02 Milliarden), in der die wertvollsten Immobilien liegen, wurde um 90 Prozent abgewertet auf 264 Millionen Euro. Dito die Signa Development (Verlust letztes Jahr: 316 Millionen) auf 41 Millionen. Sie entwickelt Immobilien wie den Hamburger Elbtower. Prime und Development sollen zusammen rund 13 Milliarden Schulden haben, auch ihnen droht die Insolvenz. Nicht weniger als 40'000 Menschen arbeiteten letztes Jahr in Signa-Firmen. Viele von ihnen werden ihre Jobs verlieren.

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Seit 1999 geht Benko nach der immer gleichen Methode vor: Luxusimmobilien bauen oder kaufen und renovieren, teu(r)er vermieten, so buchhalterisch aufwerten und höher belehnen, mit den erhaltenen Krediten neue Projekte anstossen. Immer grösser wird das Rad, das Benko dreht, zuletzt nennt Signa auf ihrer Website ein Immobilienvermögen von 28 Milliarden Euro. Möglich ist das alles dank der Nullzinsen, durch den allgemeinen Immobilienboom, aber auch weil Benko in seiner hummelhaften Umtriebigkeit ein gutes Händchen beweist bei der Übernahme von Immobilien an den besten Lagen. Immer weiter nach oben geht es für den ehemaligen österreichischen Meister im Hallenklettern: Ihm gehören das KaDeWe in Berlin, das Hotel Bauer in Venedig, das Chrysler Building in New York, um nur ein paar zu nennen. Und es scheint eine todsichere Sache zu sein: Die Zinsen seien auf 20 Jahre abgesichert, die Mietverträge liefen im Schnitt 19 Jahre, so Benko gegenüber BILANZ im Februar 2017. Den Höhepunkt erreicht der Hype im Sommer 2021, als das österreichische Nachrichtenmagazin «Trend» das Vermögen des Tirolers 2021 mit 5,6 Milliarden Euro bewertet.

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Kaufmännische Unvernunft

Doch nach der Pandemie wendet sich das Blatt: Durch die globalen Lieferkettenprobleme steigen die Materialkosten, als im Februar 2022 Russland die Ukraine überfällt, explodieren auch noch die Energiepreise. Beides treibt die Baukosten nach oben. Ab Frühling erhöhen die Notenbanken im Rekordtempo die Zinsen, die Finanzierung neuer Projekte wird deutlich teurer. Hätte Benko in diesem neuen Umfeld Vorsicht walten lassen, hätte er Immobilien verkauft, Projekte zurückgestellt und sich aus Teilen des defizitären Handelsgeschäfts zurückgezogen – die Signa wäre heute kleiner, aber im Kern noch gesund. Doch kleinere Brötchen backen will er nicht. Stattdessen legt Benko nach: Im August 2022 schliesst er die Übernahme der britischen Kaufhausgruppe Selfridges für fünf Milliarden Euro ab, im Januar 2023 startet er mit dem Bau des 950 Millionen Euro teuren Hamburger Elbtowers – gegen jegliche kaufmännische Vernunft.

Da hat das Schicksal bereits seinen Lauf genommen: Mitte Oktober 2022 lässt die österreichische Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) die Räumlichkeiten der Signa Holding durchsuchen. Die Untersuchung erfolgt im Rahmen des Ibiza-Skandals, der zuvor bereits zum Sturz von Bundeskanzler Sebastian Kurz geführt hat. Benko wird vorgeworfen, dem Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid, einen lukrativen Job – 300'000 Euro Jahresgehalt plus ebenso hohen Bonus – angeboten zu haben, wenn dieser dafür sorge, dass zwei Steuerverfahren im Sinne von Signa entschieden würden. 

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Als Folge der Hausdurchsuchung brechen die Anleihen der Signa Development ein auf rund die Hälfte ihres Nennwerts. Die ersten Geldinstitute fordern eine Tilgung der gewährten Kredite: Benko ist nicht mehr bankable. Das Kapital für sein Geschäftsmodell muss er sich nun bei anderen Geldgebern holen. Das ist teuer: Private-Equity-Firmen oder Staatsfonds haben höhere Renditeerwartungen als Banken. Und statt auf günstige Hypothekarkredite muss Benko nun auf andere Darlehensformen wie Mezzanine-Kredite, Hybridschulden, Partizipations- oder Genussscheinkapital zurückgreifen. Und natürlich sind die Zinsen inzwischen deutlich höher als zu jener Zeit, als Benko seine 20-jährigen Kredite ausverhandelte.

Stolperstein EZB

Als wäre das noch nicht genug, beginnt im Februar 2023 ein Team der Europäischen Zentralbank (EZB) – vorwiegend mit Österreichern besetzt - eine Sonderprüfung bei verschiedenen europäischen Banken, die meisten in Deutschland und Österreich. Wie stark die Finanzinstitute mit Krediten bei der Signa engagiert seien, will es wissen. Eine sehr ungewöhnliche Untersuchung: Nie zuvor hatte die EZB das Bankenexposure bei nur einem ausgewählten Kreditnehmer unter die Lupe genommen. Diese Sonderprüfung allein ist bereits ein Warnsignal an die Finanzwelt, dass Signa gefährdet ist. Im August folgt die offizielle Empfehlung der EZB an die betroffenen Banken: Sie sollen die Darlehen zum Teil abschreiben und für potenzielle Verluste vorsorgen. Und je lauter die Spatzen von den Dächern pfeifen, dass Signa in Schieflage ist, desto schwieriger wird es für Benko, neues Kapital aufzutreiben, um sein Rad in Bewegung zu halten. Von einer Milliardensumme ist die Rede. Aber niemand will, wie es Spediteur und Signa-Investor Klaus-Michael Kühne (86) ausdrückt, «schlechtem Geld noch gutes hinterherwerfen».

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Denn lange Zeit läuft alles gut: Ein Jahr lang dauert die Due Diligence, die Unternehmensberater Roland Berger durchführt, bevor er 2013 bei Benko einsteigt. Bei Kühne sind es sogar eineinhalb Jahre. Alles sieht sauber aus, und jeder zusätzliche seriöse Name auf der Investorenliste lässt Benko und sein Geschäftsmodell noch glaubwürdiger aussehen. Und er schart ehemalige Politiker um sich: Alfred Gusenbauer, ehemaliger östereichischer Bundeskanzler, sitzt seit 2008 im Beirat und lässt sich dafür mit stolzen 280'000 Euro pro Jahr entlöhnen, auch Ex-Vizekanzlerin Susanne Riess holt er ins Gremium. Später macht ihm auch noch Ex-Kanzler Sebastian Kurz ein paar Türen auf, gegen ein Honorar von 2,5 Millionen Euro. 

Benko kümmert sich persönlich um die Anleger, beeindruckt sie mit Arbeitseifer und Fachwissen, hat jede Zahl seines Konzerns im Kopf, ist transparent. Verkaufen kann er nach seiner Zeit beim Finanzvermittler AWD ja sowieso. Und er hat je länger, je mehr einen soliden Track Record vorzuweisen: Jahr für Jahr steigt der Wert seiner Signa Prime, erst 2022 gab es erstmals eine Abwertung. Und die Forecasts kennen auch nur eine Richtung. Hinzu kommen grosszügige Dividenden: Vier bis sechs Prozent jedes Jahr bei der Prime und der Holding, bei der Signa Development sogar noch etwas mehr. Erst 2022 stoppt der Geldfluss bei der Holding, Prime und Development schütten auch dieses Jahr noch 225 bzw. 115 Millionen aus. 

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Für die verwöhnten Investoren gab es also kaum einen Grund auszusteigen. Sie hätten schon ganz genau hinschauen müssen, um die Zeichen der Zeit zu deuten. Etwa, dass das Konzerngeflecht immer komplexer wurde und die Transparenz darunter spürbar litt. Oder dass die Jahresabschlüsse viel zu spät veröffentlicht wurden: bis zu fünf Jahre nach Stichtag bei der Prime, bis zu vier Jahre bei der Holding. Oder dass Benko mit zunehmendem Erfolg immer mehr abhob und immer seltener erreichbar war: «Das Schöne ist, dass alle – oder die meisten – etwas von mir wollen», sagte er 2019 beim Erntedankfest dem ORF: «Vorher war es andersherum.» 

Doch nicht alle waren so unvorsichtig: Hedgefonds-Pionier Rainer-Marc Frey prüfte einen Einstieg, aber investierte nicht, weil er das Konstrukt der rund tausend Tochtergesellschaften der Signa nicht durchschaute. Sika-Erbe Urs Burkard sagte ab, nachdem René Benko ihn eine Viertelstunde hatte warten lassen und dann nur doziert hatte. Und auch mit Milliardär Jorge Lemann (Budweiser, Burger King), der am Zürichsee wohnt, wurde intensiv über einen Einstieg im grossen Stil verhandelt. Er lehnte schliesslich ab, weil ihm die Branche zu wenig industriell ist. Heute werden sie froh sein über ihre Entscheidung. 

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Bis zum Totalverlust

Für alle anderen gilt: Wer die guten Jahre mitmachte und rechtzeitig ausstieg, ist fein raus. Nur: Das sind die wenigsten. Die meisten Aktionäre, von den jahrelang hohen Renditen verwöhnt, zogen bei den Kapitalerhöhungen mit, hielten Benko bis zum Schluss die Treue. Jetzt zeigt sich einmal mehr: Die Letzten beissen die Hunde. 

Denn so sieht es heute aus: Die Signa Holding hat nach österreichischem Recht drei Monate Zeit, um das Insolvenzverfahren in Eigenverantwortung durchzuführen. Die Firma hat den Gläubigern in Aussicht gestellt, 30 Prozent der Forderungen zu bedienen. Doch das ist nicht realistisch: Angesichts der über tausend Tochterfirmen mit gegenseitigen Forderungen und Guthaben und mangels einer konsolidierten Bilanz glauben die wenigsten, dass sich Insolvenzverwalter Christof Stapf in dieser kurzen Zeit ein Bild machen kann von den tatsächlich noch vorhandenen Vermögenswerten. Das vorläufige Organigramm der Gruppe umfasse 46 Seiten im A3-Format, so Stapf an der ersten Gläubigerversammlung. Allein die Holding verfüge über 53 direkte Beteiligungen an Gesellschaften und weitere mittelbare Beteiligungen an mehreren hundert anderen Gesellschaften. Und Stapf attestiert dem Kader eklatante Defizite: Im mittleren Management der Gruppe gebe es einen «Mangel an Managementkapazitäten mit übergreifendem Wissen», die Holding sei daher «ihrer Kontrollfunktion zuletzt nur mehr teilweise nachgekommen». Sogar die Datensicherung sei «schwierig» und erst mit Verspätung begonnen worden.

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Es dürfte also auf eine Zerschlagung des Konzerns hinauslaufen. Die Aktionäre der Signa Holding erleiden dabei voraussichtlich einen Totalverlust. Teilhaber von Prime und Development müssen wohl 90 Prozent abschreiben. Konkret: Für den österreichischen Bauunternehmer Hans Peter Haselsteiner (Strabag), der mit 15 Prozent an der Holding und 9,2 Prozent an der Signa Development investiert ist, stehen Beteiligungen im Feuer, die vor der Krise noch mit 833 Millionen Euro bewertet wurden. Kein anderer Investor hat ein höheres Exposure bei Benko. Bei Torsten Toeller, dem Gründer der Tierfutterkette Fressnapf, sind es 239 Millionen, bei Roland Berger 51 Millionen.

Prominente Geschädigte

Grösster Schweizer Verlierer ist Arthur Eugster, Eigentümer und Chef des Kaffeemaschinenherstellers Eugster/Frismag mit 750 Millionen Franken Umsatz und über 3000 Mitarbeitern. Der 72-Jährige tritt in der Öffentlichkeit nicht auf, redet nicht mit Journalisten, ist seit Jahrzehnten ein Phantom. Jemand, der ihn kennt, beschreibt ihn als «sehr korrekt, bodenständig und nett.» Er investierte etwa 2014 in die Signa Prime, schichtete danach mehrmals um. Heute gehören ihm direkt und indirekt über seine AE Familienholding 15 Prozent der Signa Holding und 7,2 Prozent der Signa Development. Vor der Krise wurden diese Assets noch mit 825 Millionen bewertet.

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Fast ebenso hoch, mit 742 Millionen Euro, wurde die Beteiligung der Familie Arduini-Koranyi an der Signa Holding in deren letztem Jahresabschluss bewertet: 14 Prozent hält sie über eine Zwischengesellschaft, die Liechtensteiner Ameria Invest, und verschiedene Tarnkonstrukte an der Signa Holding, bei der letzten Kapitalerhöhung im Juli 2023 schoss sie noch einmal 56 Millionen ein. Das Vermögen der brasilianisch-ungarischen Industriellenfamilie stammt aus dem Betrieb von Eisenbahnen und Häfen. Riccardo Arduini (75) lebt mit seiner aus dem italienischen Peschiera del Garda stammenden Frau Julia Dora (73) in Wollerau SZ sowie in São Paulo, die beiden Söhne Jean Carlo (38) und Allessandro (40) managen von Brasilien aus die Beteiligungen. Seit 2015 ist die Familie in Benko investiert, zunächst in der Retailsparte, ein Jahr später übernahm sie jenen Anteil an der Holding, den die Falcon Bank nach dem Geldwäscheskandal rund um den malaysischen Staatsfonds 1MDB zurückgeben müsste.

Jene Privatbank spielt eine Schlüsselrolle in der Geschichte der Signa. Als Benko 2011 Kapital brauchte für die Karstadt-Übernahme, kaufte sie zunächst 20 Prozent an der Prime und 25 Prozent an der Signa Development, um die Anteile an die eigene Klientel weiterzuvermitteln. «Wir haben 30 Kunden eine Beteiligung angeboten, 15 haben mitgemacht. Fünf haben gesagt: Ich fühle mich nicht komfortabel. Zehn haben gesag: Zu hohes Risiko», so der damalige Falcon-Chef Edi Leeman (BILANZ 12/2015). Bei den meisten dieser Kunden handelte es sich um mittelständische Unternehmer aus verschiedenen Regionen der Schweiz. Zwei Namen sind bekannt: Rudolf Bär von der gleichnamigen Bankendynastie war oder ist beteiligt, Genaueres weiss man nicht. Und Hans-Ulrich Lehmann, Gründer des Handy-Importeurs Autronic und Ex- Eigentümer des EHC Kloten. Er kaufte von Benko nicht nur eine Villa am Gardasee, sondern hielt auch zwei Prozent an der Signa Prime, die er 2021 mit rund vierfacher Wertsteigerung verkaufte. Lehmann ist damit einer der wenigen Profiteure des Systems Benko. Weniger Glück hatte der damalige Falcon-Kundenberater Markus Beck, der auch privat investierte: Laut gut informierten Quellen hält er seinen Anteil an der Prime (es müssen weniger als 2,3 Prozent sein) noch immer.

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Hans-Ulrich Lehmann besass zwei Prozent an der Prime, verkaufte auf dem Höhepunkt 2021.

Hans-Ulrich Lehmann besass zwei Prozent an der Prime, verkaufte auf dem Höhepunkt 2021.

PD
Hans-Ulrich Lehmann besass zwei Prozent an der Prime, verkaufte auf dem Höhepunkt 2021.

Hans-Ulrich Lehmann besass zwei Prozent an der Prime, verkaufte auf dem Höhepunkt 2021.

PD

Bluten muss auch die teilweise im Waadtland wohnhafte Familie Peugeot aus der gleichnamigen Autodynastie: Für sie stehen Anteile im Wert von 163 Millionen auf dem Spiel. Die teils in Lausanne domizilierte Familie Rausing, die Erfinder des Tetra Pak, hält über ihr Family Office Longbow Finance 3,9 Prozent an der Signa Prime und 5,4 Prozent an der Signa Development. Gesamtwert vor der Krise: 125 Millionen Euro. Und Erwin Conradi, in Hünenberg ZG lebender Ex-CEO des Einzelhandelsgiganten Metro, hält 2,8 Prozent an der Signa Development, die mal rund 11,5 Millionen wert waren.

Noch offen ist die Rechnung bei Klaus-Michael Kühne, Eigner des Logistikkonzerns Hapag-Lloyd mit Sitz in Schindellegi SZ. Er hält 10 Prozent an der Signa Prime, was vor der Krise einem Wert von 264 Millionen entsprach. Der 25-fache Milliardär ging im vergangenen März als einer der Ersten auf Distanz zu Benko. Angesprochen auf seine Beteiligung, gab er zu Protokoll: «Das ist derzeit etwas volatil; das Thema haben wir unter Beobachtung.» Dennoch steckte er im Sommer 350 Millionen in ein Joint Venture mit Signa für das Projekt BEAM in Berlin-Mitte, im November kaufte er auch noch Benkos 50 Prozent an der Baustelle – wohl zu einem guten Preis. Auch am Elbtower in seiner Heimatstadt Hamburg, bei dem derzeit mangels Geld die Baukräne stillstehen, ist er interessiert. 

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Schäfchen im Trockenen

Profitiert haben nur wenige – jene, die rechtzeitig ausstiegen, wie der genannte Hans-Ulrich Lehmann. Auch Lindt-Chef Ernst Tanner hat seine Schäfchen im Trockenen, obwohl er noch drei Prozent an der Holding hält. Er investierte seit 2013 insgesamt rund 200 Millionen zuerst in die Signa Prime, dann in die Holding und später in eine Kapitalerhöhung derselben. 2021 verkaufte er vier Prozent der Holding für 300 Millionen Franken. Oder Wendelin Wiedeking. Der ehemalige Porsche-Chef war 2011 einer der ersten Investoren, hielt vier Prozent der Signa Prime, wurde später auch in den Beirat der Holding berufen. Ende 2016 stieg er im Streit aus. Über das Warum gibt es zwei Versionen. «Ich bin 2016 bei Signa als Aktionär ausgeschieden, weil die Zahlen, die mir vorgelegt wurden, nicht mit dem übereinstimmten, was uns Benko in den Sitzungen vorgetragen hat», so die Version Wiedeking. «Er wurde gegangen wegen der Art, wie er mit Leuten umgeht und sich in Sitzungen aufspielt. Es gibt Menschen, die nie verwinden können, dass sie nicht mehr sind, was sie mal waren», lautet die Version, die man aus dem Kreise der anderen Investoren hört. 

Mit den meisten Aktionären hat Benko ein Put-Call-System vereinbart: Die Anleger dürfen ihre Investments jederzeit zurückgeben, gegen einen Abschlag von fünf Prozent. Gleichzeitig kann er die Anteile jederzeit zurückfordern und zahlt dafür fünf Prozent Aufpreis auf deren Wert. 50 Millionen zahlte Benko für den Rückkauf von Wiedekings Aktien. Das hat sich für den Ex-Porsche-Chef gelohnt: Seinen Einsatz soll er mehr als verdoppelt haben.

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Der allererste Investor bei Benko war der - inzwischen verstorbene - österreichische Tankstellenerbe Karl Kovarik. Im Jahr 2000 steckte er 25 Millionen in die Signa Holding, finanzierte damit unter anderem den Kauf des damals heruntergekommenen Kaufhauses Tyrol in Innsbruck, das durch die Renovation zum ersten Vorzeigeprojekt des jungen Benko wurde. Und er öffnete ihm die Türen in Wirtschaft und Politik. Kovarics Anteile (50 Prozent der Holding) übernahm 2009 der griechische Reeder George Economou – zum 20-fachen Preis. Doch das lohnte sich: Als Benko 2015 Economou in zwei Schritten auskaufte, soll er dafür 750 Millionen Euro bezahlt haben. Auch Beny Steinmetz ist unter den Nettogewinnern: Der israelische Diamantenhändler war mit Signa von 2013 bis 2015 verbunden, er finanzierte teilweise die Übernahme der deutschen Kaufhauskette Karstadt via ein Joint Venture mit Signa. Nach erfolgter Akquisition wurde er von Benko mit 15 Karstadt-Immobilien plus Cash ausgezahlt. Geniessen kann der Milliardär sein Geld allerdings nicht: Vergangenen Frühling wurde Steinmetz in Genf wegen Korruption zu einer dreijährigen Haftstrafe verurteilt, von der er 18 Monate absitzen muss.

Am meisten profitiert von Aufstieg und Fall des René Benko aber hat: René Benko. Das Magazin «Trend» schätzte sein Vermögen noch diesen Juli auf 4,2 Milliarden. Inzwischen dürfte es erheblich weniger sein; das US-Wirtschaftsmagazin «Fortune» strich Benko Anfang Monat gar von seiner Milliardärsliste. Tatsache aber bleibt: Im Laufe der Jahre hat der Pleitier wohl fast eine Milliarde an Dividenden eingesammelt, zuletzt vor zwei Jahren flossen rund 150 Millionen für das Geschäftsjahr 2020. 

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Schlauer Stiftungsaufbau 

Sie gingen in die Familie-Benko-Privatstiftung, die er bereits im zarten Alter von 24 Jahren gründete und die das unternehmerische Vermögen verwaltet. Fünf Jahre später kam die Laura-Privatstiftung hinzu, die nach seiner Tochter aus erster Ehe benannt ist, bei der aber Benkos Mutter Ingeborg Co-Stifterin ist. Hinzu kommt die nach der Mutter benannte Ingbe-Stiftung in Vaduz. Auch hierhin sollen Millionen geflossen sein.

René Benko mit seiner Frau Nathalie, die er in Ischgl in einer Bar kennengelernt hat, wo sie servierte. Sie ist in Lausanne aufgewachsen. Zusammen haben sie drei Kinder.

René Benko mit seiner Frau Nathalie, die er in Ischgl in einer Bar kennengelernt hat, wo sie servierte. Sie ist in Lausanne aufgewachsen. Zusammen haben sie drei Kinder.

Getty Images
René Benko mit seiner Frau Nathalie, die er in Ischgl in einer Bar kennengelernt hat, wo sie servierte. Sie ist in Lausanne aufgewachsen. Zusammen haben sie drei Kinder.

René Benko mit seiner Frau Nathalie, die er in Ischgl in einer Bar kennengelernt hat, wo sie servierte. Sie ist in Lausanne aufgewachsen. Zusammen haben sie drei Kinder.

Getty Images

Die Laura-Privatstiftung dient als Family Office: Sie kümmert sich um private Investments, besitzt etwa die Familienvilla in Innsbruck oder einen Anteil am Wiener Nobelrestaurant Fabios. Zum Familienvermögen zählt auch das Chalet N (benannt nach seiner Frau Nathalie und den drei Kindern Noel, Noemi und Noah), das Benko in Oberlech am Arlberg für 38 Millionen Euro hat bauen lassen und das er für 270'000 Euro pro Woche vermietet. Ausserdem ein grosses Anwesen am Gardasee, ein 500 m2 grosses Appartement in Wien mit Blick auf den Stephansdom oder ein 1300 Hektar umfassendes Jagdrevier in der Steiermark, das Benko 2020 für rund 30 Millionen kaufte und dabei den inzwischen verstorbenen Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz ausstach. Ebenso der Laura-Privatstiftung gehören das Werk «L'Étreinte» von Pablo Picasso und ein Selbstporträt von Jean-Michel Basquiat von 1988. Benko hatte sie vor zwei Jahren beim Auktionshaus Christie’s für 17 bzw. 11 Millionen Euro erworben, nun sollen beide Gemälde zum Verkauf stehen. Auch diverse Warhols soll Benko in seiner Kunstsammlung haben.

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Eine Yacht, zwei Privatjets

Und dann natürlich die unumgänglichen Insignien des Erfolgs: Yacht und Privatjet. Beide kaufte Benko dem österreichischen Investor Ronny Pecik ab, der hierzulande einst Furore machte mit der Übernahme von OC Oerlikon und seinen Beteiligungen an Ascom und Sulzer. Pecik mietet seither Yacht und Jet jedes Jahr für seinen Urlaub, aber wohl nicht mehr lang: Die «Roma» (62 Meter lang, 12 Passagiere und 16 Mann Besatzung, Swimmingpool, Fitnesscenter, Kino, Wasserrutsche) steht für 39,9 Millionen zum Verkauf, 20 Millionen weniger, als Benko damals Pecik gezahlt hatte. Den Bombardier Global Express Typ 2001 (Baujahr 2009, Kennung OE-IRB, Reichweite 10'000 Kilometer, ausgestattet mit Büro, Drucker, Videokonferenzanlage etc.) darf er auf Weisung des Insolvenzverwalters zumindest beruflich nicht mehr benutzen: Allein letztes Jahr hatte Privatmann Benko der Signa dafür 2,2 Millionen Euro in Rechnung gestellt. Der zweite Privatjet, eine Cessna Citation XLS im Wert von rund fünf Millionen Euro, gehört der Holding und soll nun verkauft werden. Leasing kam für Benko nie in Frage: «Ich habe von meinem Grossvater gelernt, nur anzuschaffen, was man sich auch leisten kann», sagte er zu besseren Zeiten gegenüber BILANZ.

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René Benkos Luxusleben

Aus Benkos Besitz: Yacht Roma, ...
... Chalet N in Lech am Arlberg, ...
... Selbstportrait von Jean-Michel Basquiat, ...
... Privatjet Bombardier Global Express.
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Aus Benkos Besitz: Yacht Roma, ...

PD

Weil all diese Vermögenswerte nicht mehr in den konkursiten Firmen, sondern in den Familienstiftungen parkiert sind, haben die Gläubiger darauf keinen Zugriff. Dafür müsste man Benko schon eine betrügerische Insolvenz nachweisen. Dafür gibt es derzeit keinerlei Anhaltspunkte. Und anders als etwa der deutsche Bauunternehmer Jürgen Schneider, der in den 1990er Jahren eine Milliardenpleite hinlegte und seither in einfachen Verhältnissen lebt, haftet Benko nicht persönlich. Dass er jetzt drei Milliönchen aus seinem Privatvermögen in die Holding einschiesst, damit diese überhaupt das Insolvenzverfahren übersteht, dürften viele Geschädigte für einen Hohn halten.

Egal wie das Signa-Drama ausgeht: Benko ist fein raus. Der erst 46-Jährige kann sich auf einen gemütlichen Lebensabend an einem schönen Flecken irgendwo auf der Welt einrichten. Als Buhmann zwar, aber als reicher Buhmann.

Über die Autoren
Marc Kowalsky

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