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Viele Männer fühlen sich von der Frauenförderung bedroht, sehen ihre Karrierepläne durchkreuzt. Die Emotionen kochen hoch. Wie gross ist die Gefahr?
Dirk Ruschmann
KONKURRENTEN UM DIE BESTEN JOBS Immer öfter sehen sich Männer im Wettbewerb um die nächste Position Frauen gegenüber. Da sind ganz neue Anpassungsfähigkeiten gefragt.
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Ein junges Paar, beide noch keine 30, beide Ökonomen mit HSG-Abschluss. Die Frau ging nach der Hochschule zur UBS, der Mann zu einer der grossen Strategieberatungen. Während sie bei der Grossbank zügig aufsteigt, hat ihr Freund, berichtet sie, «den Blues». Denn «weiss und Mann», das sei trotz Top-Abschluss bei seinem Arbeitgeber gerade «eine Killer-Kombination» – während er zugleich miterlebe, «wie problemlos ich bei der UBS vowärtskomme»: gleich alt, gleiche Ausbildung, ungleiche Chancen.
Ein Mittfünfziger bewarb sich vor wenigen Monaten für eine höhere Kaderposition in der Konzernzentrale von ABB. Lange blieb das HR des Zürcher Technologiekonzerns stumm, obwohl er Support von hochrangigen Internen hatte, bis es doch noch zu einem Gespräch mit einer Personalerin kam. «Es war ganz klar pro forma, so nach dem Motto: What do you want to do in five years?», erinnert sich der erfolglose Bewerber. «Natürlich ist man dann enttäuscht», sagt er. Denn zwei seiner internen Unterstützer berichteten ihm später unabhängig voneinander, dass für ihn trotz der Vorgabe im ABB-Personalmanifest, Jobs «regardless of gender» zu besetzen, von Anfang keine Chance bestanden habe: «Auf diese Stelle sollte zwingend eine Frau.» Womöglich, mutmasst er, habe die erstarkende Schweden-Fraktion im Konzern den Quotendruck erhöht.
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Werden Männer inzwischen benachteiligt? Auf dem Altar der Frauenquote geopfert? Immerhin ist Diversität inzwischen der neue heilige Gral im Personalwesen. Und tatsächlich, «das Thema grassiert in den grossen Konzernen», sagt ein Topmanager eines Schweizer Mobilitätskonzerns.
Die Wahrnehmung sei, dass aktuell zwar Frauen noch kaum zu Leiterinnen von Geschäftsdivisionen ernannt würden, aber stattdessen in Bereichen wie Regierungsbeziehungen, Kommunikation, Legal, Human Resources oder auch Finanzen und anderen Querschnittsabteilungen («Servicefunktion darf man in diesem Zusammenhang ja nicht mehr sagen») umso häufiger befördert und gefördert würden.
Beim inoffiziellen Branchentreffen der Manager, Verwaltungsräte und ihren Höflingen, der Back-to-Work-Party der Headhunter Knight Gianella im Spätsommer, «gab es nur ein Thema», erinnert sich Thomas Flatt, selbst mehrfacher Verwaltungsrat mit CEO-Erfahrung und Präsident des Branchenverbands SwissICT. Zumal viele hochgestiegene Mittfünfziger ihre klassische Karriereplanung gefährdet sehen: Sicherte man sich früher im operativen Job bereits geschmackvolle Board-Mandate und verkündete dann treuherzig, man wolle nun wahlweise der Schweiz oder der Unternehmenswelt «etwas zurückgeben», tun sich hier neuerdings weibliche Hürden auf, gesetzlich niedergelegt in den seit Januar 2021 geltenden Geschlechterrichtwerten: Grosse Börsenkotierte sollen mindestens 30 Prozent ihrer Verwaltungsräte mit Frauen besetzen. Zwar startet die Pflicht, sich bei Nichterfüllen dazu im Geschäftsbericht zu erklären, erst 2026, doch drücken können sich die Unternehmen nur noch unter Schmerzen: «Denen sitzen Blackrock, ISS und andere Stimmrechtsberater mit ihren Diversitätsansprüchen im Nacken», sagt Flatt.
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BJØRN JOHANSSON Elder Statesman der Gilde. Sieht Männer derzeit «ganz klar» benachteiligt.
Dan Cermak für BILANZDORIS AEBI Fordert bezahlbare Kitas und Tagesschulen. Davon hätten auch Männer was.
© sophie stieger photographyGUIDO SCHILLING Fühlt jährlich den Puls der Teppichetagen. Sieht die Frauenanteile steigen.
NZZ-Photographen-TeamFABIAN KOCH Sieht den Fachkräftemangel als grösstes Problem am Schweizer Jobmarkt.
PDSANDRO RÜEGGER Ist gegen Lohngleichheit. Man müsse mehr differenzieren, nicht weniger.
PDUnd was die Verwaltungsräte bewegt, kann jene nicht kaltlassen, die sie mit hoffentlich wertvollem Personal versorgen: die Kaste der Headhunter. Passenderweise bezeichnet sich ihr Elder Statesman Bjørn Johansson als «Global Board Advisor». Zum Erstaunen mehrerer Vertreter seiner Branche hat er kürzlich in einem Interview mit BILANZ klare Kante gezeigt. Auf die Frage, ob Männer bei VR-Besetzungen aktuell benachteiligt würden, sagte er: «Ja, ganz klar.» Zwei Drittel seiner Auftraggeber im vergangenen Jahr hätten explizit nach Frauen verlangt, tatsächlich platziert habe er sogar 70 Prozent.
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Reverse Discrimination im Auftrag des Guten – der Diversität? «Tatsächlich», sagt Headhunterin Doris Aebi von Aebi+Kuehni, «in diesem Sinn kann der Wille zur Vielfalt diskriminierend sein.» Es komme darauf an, wie das Team zusammengesetzt sein soll. Denn Vielfalt habe viel mehr Facetten als die Geschlechter: etwa Erfahrung oder Internationalität, sagt Aebi. Geisteshaltung, Expertisen, auch das Alter, ergänzt Thomas Flatt: «Vielfalt, das sind ganz einfach alle Individuen», die eng gefasste Fokussierung auf Mann und Frau hingegen, genau wie jene auf Schwarz und Weiss, «schlichte Stereotypen». Doch je mehr Unterschiede, desto bereichernder.
Dass sich viele Firmen punkto Diversität in die Verengung auf den Geschlechterkampf Mann gegen Frau treiben lassen, ist dem Umfeld geschuldet. Erstens verlangt die Politik fixe Frauenquoten in Verwaltungsrat und Geschäftsleitung, nicht nur in der Schweiz – die EU schreibt ab 2027 sogar einen Anteil von 40 Prozent Frauen in Aufsichtsräten vor. Wer hier liefert, womöglich übererfüllt, verschafft sich einen hoch dosierten Marketingfaktor, kann auch bei der umworbenen Generation Z, den ab 25-Jährigen, als moderner Arbeitgeber durchgehen. Und zweitens findet der Kampf um gleiche Chancen auf gute Jobs nicht auf einer Insel statt, sondern ist eingebettet in die gesellschaftliche Debatte um Gleichstellung und generelle Gender-Mainstreaming-Fragen, in der Themen wie «Mansplaining», soziale Absicherung bis hin zur Besteuerung oder das sprachlich-schriftliche «Gendern» teils erbittert, teils mit einiger Gehässigkeit, aber selten sachlich diskutiert werden.
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Helena Trachsel weiss aus eigener Anschauung: «Das Thema ist heiss.» Es werde «in allen Meetings diskutiert, immer wieder», sagt die Gleichstellungsbeauftragte des Kantons Zürich. Ein Manager, von dem sie selbst viel halte, habe kürzlich zu ihr gesagt: Als weisser älterer Mann gehöre er «zur einzigen Spezies, die heutzutage noch kritiklos gebasht werden darf».
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Wer das für übertrieben hält, kann sich durch einen Blick auf den Streit um die AHV-Abstimmung von Ende September eines Besseren belehren lassen. Weil mehr Männer als Frauen die Vorlage annahmen, die auch für Frauen das Männer-Rentenalter 65 vorsieht, verstieg sich SP-Nationalrätin Tamara Funiciello zur Aussage, «alte, reiche, weisse Männer» hätten entschieden, dass Frauen, die immerhin «diese Gesellschaft tragen», nun ein Jahr länger arbeiten müssten. Dass hingegen die Reform der Verrechnungssteuer, ein alter Schweizer Standortnachteil, mehrheitlich von Frauen gebodigt wurde, liessen die Linken unerwähnt; in diesem Fall war es eben das Stimmvolk – Demokratie ist gut, solange die Ergebnisse konvenieren.
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Dass bürgerliche Politikerinnen vehement widersprachen, von Männern aber kaum Gegenwehr kam, dass im Vorfeld Medien wie die «Handelszeitung» ausgerechnet hatten, dass in der AHV in Wahrheit viel Geld von Männern zu Frauen umverteilt wird, Funiciello aber dennoch ihrer Wut freien Lauf lassen konnte, zeigt, wer die Lufthoheit in der Geschlechterdebatte hält: Frauen, die sich gegenseitig versichern, von Männern übervorteilt zu werden – eine Position, die auch unter Frauen umstritten ist.
So publizierte die renommierte Werberin Regula Bührer Fecker vor wenigen Tagen einen Kommentar. Sie fühle sich in ihren Frauen-Netzwerken als Teil einer «Sisterhood», gab sie zu bedenken, einem geschlossenen System, das Männer in der Gleichberechtigungsdebatte «unbeteiligt am Rande des Geschehens» stehen lässt – und warnte, dass dieser Graben zugeschüttet werden müsse, ansonsten würden sich die «Geschlechterfronten» weiter verhärten. Die Gleichstellungsbeauftragte des Kantons Zürich, Helena Trachsel, bestätigt: «Da haben sich Bubbles gebildet, die wir in der täglichen Arbeit zu öffnen versuchen.»
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Als «Opferfeminismus» bezeichnet die deutsche Rechtsprofessorin Monika Frommel diese Position, in der Solidarität über Opferrollen eingefordert werde. «Applaus-Feminismus» nennt sie die «SonntagsZeitung»-Autorin Bettina Weber. Demnach würden Frauen in eine Rolle der Hilflosigkeit von den eigenen Geschlechtsgenossinnen hineinbehauptet und diese Rolle konserviert, das sei «zutiefst reaktionär».
Schweizer Unternehmen rekrutieren immer mehr Frauen für Führungspositionen – aber noch lange nicht genug. Doris Aebi erzählt, warum es harzt. Weiterlesen. Abo.
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In derselben Ausgabe Mitte September, als Webers Text erschien, konnte man besichtigen, welche absurden Auswüchse diese Opferrhetorik treibt: Ein feinfühliger Bundeshausredaktor thematisiert die Energiesparempfehlungen des Bundesrats, wie Wohnungen nur bis 20 Grad zu heizen. Weil jedoch Frauen weniger Muskelmasse und dünnere Haut hätten als Männer, würden sie höhere Raumtemperaturen benötigen. Das Fazit hatte bereits die Überschrift geliefert: «Bundesrat lässt Frauen frieren». Und nicht nur das: Büroklimatisierungen seien seit Jahrzehnten auf die Vorlieben 40-jähriger Männer ausgelegt – Realsatire vom Feinsten.
Ein weiteres Beispiel lieferte die «NZZ am Sonntag» in einem Interview mit Bundesrätin Simonetta Sommaruga anlässlich der Rücktrittsankündigung von Kollege Ueli Maurer. Auf die Frage, ob sie sich als Nachfolgerin eine Frau wünsche, antwortete Sommaruga ausweichend, sagte aber, in ihrem ersten Bundesratsjahr seien die Frauen in der Mehrheit gewesen, «das war ein gutes Jahr». Eine Nachfrage zum Wieso und Warum blieb erstaunlicherweise aus. Empfindsame Gemüter können sich inzwischen medial von Gender-Aktivisten umzingelt fühlen. Auch Sommarugas eigener Rücktritt und der Knatsch um das weibliche Bundesrat-Ticket zeigen: Das Thema ist toxisch und hochemotional. Deshalb waren zwar viele sofort bereit, mit BILANZ über das Thema zu sprechen, bestanden jedoch auf Anonymität – die persönliche Verbitterung oder die unpopulären Ansichten mit der Welt zu teilen, davor schrecken die meisten zurück. Zu viele Fettnäpfe stehen bereit.
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Insbesondere Männer ab etwa 55 verfallen in erschrecktes Staunen. Denn der klassische Abschied von der operativen Front in die Sphäre der Profi-Verwaltungsräte gelingt nur noch Topleuten reibungslos, vielen anderen mit schmerzhaften Abstrichen oder gar nicht mehr. Bei einer Frauenquote von 26 Prozent stehen die Verwaltungsräte der 100 grössten Schweizer Firmen derzeit, also nur noch wenig unter den geforderten 30, «diese Marke wird 2024 erreicht», prognostiziert Headhunter Guido Schilling in seinem jährlich aktualisierten Report. Auch in Geschäftsleitungen liegt der Wert inzwischen bei 17 Prozent, gefordert ist ein Fünftel (siehe Grafik unten). Schillings Diagnose: Die Schweiz stehe an der Schwelle von der «Bewusstseinsphase» zur «Akzeptanzphase».
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Dass diese Phase noch nicht ganz erreicht sein kann, legt das gut vernehmbare Grummeln auf Seiten der Männer nahe. Doch hier raten sogar Geschlechtsgenossen zu Entspannungsübungen: Klagen, man sei Opfer der Frauenförderung geworden, «kommen nach meiner Erfahrung meistens von Männern, die auf ihrem Weg einmal eine unschöne Erfahrung machen mussten», sprich: einen Job nicht bekommen haben, sagt Jürg Eggenberger, Geschäftsführer der Kaderorganisation Swiss Leaders. «Die Vorgaben sind nun mal zu erfüllen – da ist es klar, dass bei gleicher oder ähnlicher Eignung öfter mal eine Frau bevorzugt wird.» Sicher gebe es hier und da Männer mit Tendenz zur Frustration, aber mit Sicherheit keine systematische Benachteiligung. Guido Schilling hält diese Vorstellung sogar «für einen Männerwitz», denn «davon sind wir weit entfernt». Die Zahlen, sagt Schilling, sprechen eine andere Sprache. Ein Drittel Frauen im VR bedeute ja immer noch: Zwei Drittel der dorthin Beförderten sind Männer.
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Und es sei sehr aufwendig, die Frauen zu finden: Auf neun Männer, die für eine spezifische Position etwa in einer Geschäftsleitung passen, komme meist nur eine Frau, also müsse man die Suche verbreitern. Im Mittelmanagement schätzt Schilling den Frauenanteil «auf vielleicht 15 bis 16 Prozent». Er, der sich auf das oberste Kader spezialisiert hat, löst das Problem, indem er Frauen mit Potenzial in einem sehr frühen Stadium ihrer Karriere identifiziert und dann begleitet, bis sie für Teppichetage oder Verwaltungsrat bereit sind.
Thomas Flatt war einst mit gerade 33 in die Geschäftsleitung der Swisscom befördert worden. Rückblickend sagt er, frühe Aufstiege könnten steile Lernkurven auslösen, bisher unerkannte Potenziale aufzeigen – und plädiert für Förderung, «sofern Talent erkennbar ist». Ein Freund der Quote ist er hingegen nicht, obwohl er selbst zahlreiche Frauen in seine Verwaltungsräte geholt hat: «Denn das wollen auch die guten Frauen nicht.» Nach seiner Erfahrung hätten alle Frauen, die zur harten «Ochsentour» nach oben über die Karrierestufen und Linienfunktionen bereit waren und durchhielten, «super Leistungen gezeigt». Flatt sieht die ganze Übung als «gesamtwirtschaftliches Trainee-Programm».
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Doch nicht in jedem Fall glückt die Auswahl der Kandidatinnen – und bestätigt dann bei vielen Beobachtern die impliziten Urteile, hier seien wieder mal nicht «die Besten», sondern eben «nur» Frauen genommen worden. Die Liste beginnt beim prominentesten Beispiel, der ehemaligen Post-Chefin Susanne Ruoff, die vom damaligen Präsidenten Peter Hasler als «Perle für die Post» eingeführt wurde und nach einer eher glanzlosen Amtszeit über die Postauto-Affäre stolperte, für die sie wenig konnte, aber als Bauernopfer taugte. Der Punkt bei Ruoff ist: Als vormalige Chefin von British Telecom Schweiz führte sie rund 60 Mitarbeiter, bei der Post 60'000. Einem Mann, so der Vorbehalt, hätte man einen derartigen Sprung verweigert.
DURCHZOGENER LEISTUNGSAUSWEIS Von links nach rechts: Sandra Emme (Google), Andréa Mächler (SNB), Susanne Ruoff (ex Post) und Isabelle Welton («Zürich»).
PD, Reuters, KeystoneDURCHZOGENER LEISTUNGSAUSWEIS Von links nach rechts: Sandra Emme (Google), Andréa Mächler (SNB), Susanne Ruoff (ex Post) und Isabelle Welton («Zürich»).
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Nationalbank-Direktorin Andréa Maechler hätte eigentlich dem scheidenden Fritz Zurbrügg als Nummer zwei folgen müssen, so will es das ungeschriebene SNB-Gesetz. Präsident Thomas Jordan zog ihr jedoch seinen Zögling Martin Schlegel aus der zweiten Reihe vor. Maechler gilt intern als umstritten und verdankte ihre Ernennung ins Dreier-Führungsgremium der SNB zu grossen Teilen dem Wunsch der damaligen Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf, die eine Frau dabeihaben wollte. Isabelle Welton war als HR-Chefin mit Einsitz in der Konzernleitung bei der «Zürich» an den Ansprüchen von «Iron Mario» Greco gescheitert und hat neben ihren zahlreichen Mandaten nun als künftige «NZZ»-Präsidentin einen Posten mit Strahlkraft, um ihre Fähigkeiten zu zeigen. Jeannine Pilloud, neben Ruoff und Welton die dritte Managerin aus der Kaderschmiede IBM, gilt als coole und toughe Frau, stand aber bei den SBB als Personenverkehrschefin im Schatten von CEO Andreas Meyer und überzeugte später bei Ascom weder im VR noch als CEO.
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In diversen Fällen bröckelt sogar die «Sisterhood». Wenn Frauen über Frauen lästern, weil die «auf dem Frauenticket nach oben fahren» würden, geht es bisweilen ans Eingemachte. Eine bestens vernetzte Medienunternehmerin kennt das Sister-Geflüster, etwa über Post-Digitalchefin Nicole Burth («hat wenig Erfahrung, gilt als overrated»), über die neue Leiterin des Agenturnetzwerks Dentsu für den deutschsprachigen Raum, Karin Zimmermann («wichtig war hier nur: die wollten eine Frau») oder Google-Managerin Sandra Emme, die es sich habe leisten können, in die Verwaltungsräte sowohl von Belimo als auch der Zehnder Group einzutreten, obwohl beide Firmen in derselben Branche, Gebäudetechnik, unterwegs sind, «einem Mann hätte man das nie erlaubt».
FÜHRUNGSFRAUEN MIT WEITEREM POTENZIAL Von links: Andrea Rytz (Schulthess-Klinik), Barbara Frei (Schneider Electric), Daniela Bosshardt (Galenica) und Philomena Colatrella (CSS).
PD / Herbert Zimmermann / 13 PhotoFÜHRUNGSFRAUEN MIT WEITEREM POTENZIAL Von links: Andrea Rytz (Schulthess-Klinik), Barbara Frei (Schneider Electric), Daniela Bosshardt (Galenica) und Philomena Colatrella (CSS).
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So spricht der Zuger Fondsmanager Marc Possa – als Stimmvertreter eines der grössten Schweizer Investmentfonds für KMUs, SaraSelect, hat er Einblick ins Innenleben zahlreicher Unternehmen. Er kritisiert auch die kurze Verweildauer von CEO Sabrina Soussan bei Dormakaba, die als talentierte Managerin gilt, aber mit dem machtbewussten Präsidenten Riet Cadonau fremdelte. Sie blieb kein Jahr in der Schweiz, «das sind Riesenkosten, schon die Einarbeitung eines CEO dauert normalerweise länger», sagt Possa. Er beobachtet in kleineren, patronal geführten Firmen immer noch die ehrliche Suche nach den besten Kandidatinnen und Kandidaten für Geschäftsleitung und Board, «je öffentlicher und näher am Staat, beginnen aber die ESG-Ayatollahs zu regieren»: Stimmrechtsberater wie ISS oder Glass Lewis, Ratingfirmen wie Morningstar: «Die denken ausschliesslich in Quoten.»
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Unnötig zu sagen, dass es viel mehr Männer gibt als Frauen, die schwache oder Minus-Performance abliefern. Swissair-Hunter Philippe Bruggisser, der abgestürzte UBS-Antreiber Marcel Ospel, der Möchtegern-Investmentbanker Jacques Aigrain und sein unaufmerksamer Aufseher Walter Kielholz von der Swiss Re oder zahlreiche Credit-Suisse-Vormänner seit und mit Lukas Mühlemann sind nur die prominentesten Vertreter.
Auf der anderen Seite fallen Possa und diversen Headhuntern jede Menge weibliche Rollenmodelle ein; Top-Managerinnen, die Frauen wie Männern als Vorbilder dienen können. Seien es Ems-Chefin Magdalena Martullo oder UBS-Topshot Sabine Keller-Busse, die beide für durchzugsstarken Führungsstil bekannt sind. Ähnliches gilt für die Chefin der Schulthess-Klinik, Daniela Rytz, die dort, sagt ein Insider, «den alten Herren den Tarif durchgibt». Oder die allseits gelobte Suzanne Thoma, die nicht nur Leistung abliefert, sondern mit glasklarer Kommunikation glänzt. Oder Monique Bourquin, nach operativer Karriere bei Unilever heute Vorreiterin weiblicher Profi-Verwaltungsräte.
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ERSTKLASSIGE ROLLENMODELLE Von links: Suzanne Thoma (Sulzer), Monique Bourquin (Profi-VR), Dorothea von Boxberg (Lufthansa), Magdalena Martullo (Ems-Chemie) und Sabine Keller-Busse (UBS).
Daniel Winkler / 13 PhotoERSTKLASSIGE ROLLENMODELLE Von links: Suzanne Thoma (Sulzer), Monique Bourquin (Profi-VR), Dorothea von Boxberg (Lufthansa), Magdalena Martullo (Ems-Chemie) und Sabine Keller-Busse (UBS).
Daniel Winkler / 13 PhotoBei Swiss-Mutter Lufthansa beweisen sich Christina Foerster im Konzernvorstand und Dorothea von Boxberg als Chefin des Cargo-Geschäfts; sie gilt als kommendes CEO-Material. Die riesige Riege erfolgreicher weiblicher CEOs weltweit wird von General-Motors-Chefin Mary Barra angeführt. Aufstrebende Schweizer Managerinnen, von denen Beobachter noch einiges erwarten, sind etwa Barbara Frei, Europa-Chefin beim französischen Riesen Schneider Electric, Philomena Colatrella, die die Krankenkasse CSS im Eiltempodigitalisiert, oder die Präsidentin des Gesundheitsdienstleisters Galenica, Daniela Bosshardt.
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Interessantes Detail: Die Quote für Verwaltungsräte halten viele Beobachter für weniger bedeutend als für operative Leitungen. «Die meisten Boards werden von drei, vier zentralen Personen dominiert», sagt einer, der Rest laufe nur mit. «In einer Divisionsleitung jedoch wirken sich Fehler viel gravierender aus.»
Und auch im unteren und mittleren Management sind Frauen auf dem Vormarsch. «Sie erwerben im Schnitt mehr Hochschulabschlüsse als Männer, und sie holen auch in naturwissenschaftlichen Fächern auf», sagt Doris Aebi. Ein anderer Personalberater sagt: «Die Pipeline an tollen Frauen in den Unternehmen ist gut gefüllt.» Dass viele jedoch im Alter zwischen 30 und 40 aus dem Berufsleben ausscheiden, sagt Aebi, sei schlicht «volkswirtschaftlicher Blödsinn». Tatsächlich «ist das wichtigste Thema am Arbeitsmarkt der Fachkräftemangel», bestätigt Fabian Koch, Geschäftsführer der Personalberatung Humanis. Beide betonen, die Schweiz könne es sich nicht mehr leisten, auf so viele gut ausgebildete Frauen zu verzichten. Dass es in technischen Fächern immer noch zu wenig sind, beklagt der Leiter einer «Practice» einer globalen Strategieberatung. Nur ein Bruchteil seiner Bewerberinnen sei weiblich, doch er solle sein Team zur Hälfte mit Frauen besetzen: «Die Ansage war: Die Gesellschaft erwartet das von uns, also erwartet die Firma das von dir.» So was nennt man einen Bückling vor dem Zeitgeist.
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Noch ist die Realität eine andere. Einerseits müsse das klassische Rollenbild aufgebrochen werden, das «gerade in der Schweiz noch stark verankert ist», sagt Doris Aebi, zweitens fordert sie «genügend Tagesschulen und Kitas, die bezahlbar und qualitativ gut sind». Ausserdem braucht es, sagt Helena Trachsel, Betreuungsmöglichkeiten für kranke Kinder, die nicht zur Schule können oder dürfen. Trachsel und Aebi schwebt eine Art «Kinder-Spitex» vor. Zumal längst auch Männer gern mehr Zeit mit ihren Kindern hätten.
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Beim Thema Lohngleichheit, einer Lieblingsforderung der Linken, hört der Spass bei vielen Beratern allerdings auf. Sandro Rüegger etwa hält das bei Kadern für unmöglich. «Da gehts nicht um Mann oder Frau, sondern um Menschen, zudem um unzählige Einzelfaktoren – man müsste im Gegenteil oft noch mehr differenzieren.» Zumal er «nie auch nur im Ansatz erlebt hat, dass eine Frau benachteiligt wurde».
Dafür aber Männer? Die Frauenquote sei «nur für mittelmässige Männer eine Gefahr», sagt ein Topmanager. Firmen wollten «eine gute Gender-Balance, vor allem aber die Besten». Eher diene die Quote Männern «als Ausrede, wenn eine Bewerbung nicht geklappt hat». Denn, so vermutet Helena Trachsel, Niederlagen gegen Männer könnten Männer akzeptieren, gegen Frauen jedoch nicht: «Das nehmen sie persönlich und sehen es als Ehrverletzung.»
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Dass Bjørn Johansson Benachteiligung identifiziert, dürfte also mit seiner spezifischen Klientel zu tun haben, denn ganz oben entfaltet die Quote nachhaltige Wirkung.
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Ansonsten jedoch, fragt Thomas Flatt rhetorisch: «Ist das schlimm?» – «Für Einzelne», sagt er, «manchmal vielleicht schon – fürs Gesamtsystem ist es auf Dauer aber wohl heilsam.» Auch als Signal an die nächste Generation.
Was soll man also tun, wähnt man sich ganz persönlich als Opfer der Frauenförderung? Doris Aebi rät: «Der Wettbewerb ist nun mal gestiegen, man sollte ihn annehmen.» Helena Trachsel rät: «Niederlagen sollte man als Chance begreifen, auch sich selbst zu reflektieren.» Der als «Männer-Berater» bekannt gewordene Psychologe Markus Theunert springt bei: Männer seien «strukturell an Privilegien gewohnt» und müssten sich nun fragen, «ob nicht der Abschied vom gefühlten Recht auf Vorzugsbehandlung ansteht». Bei Trachsel gehen gelegentlich Beschwerden von Männern ein, die sich diskriminiert fühlen. «Nach Durchsicht der Fakten muss ich aber meist sagen: Die Entscheidung war rein sachlich.» So oder so: Weinerlichkeit hilft sicher nicht weiter.
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Klar ist: Das Ganze geht nicht mehr weg. Unser Tipp: Auf ans Gerät und polieren Sie Ihr CV, wenn Sie bei Ihrer derzeitigen Firma nicht weiterkommen! Wenn Sie so gut sind, wie Sie glauben, dann klappt es bei einer anderen. Zur Unterstützung stehen zahlreiche Headhunter bereit. Natürlich auch weibliche.
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