Abo
UBS schluckt Credit Suisse

Das soll keine Staatsrettung sein? Die Merkwürdigkeiten der CS-Übernahme

Regierung, SNB und Finma gaben sich Mühe, der CS-Rettung den Mantel einer sauberen Lösung umzuhängen. Doch es gibt zahlreiche Widersprüche.

Holger Alichrop

A traffic light signals green in front of the logos of the Swiss banks Credit Suisse and UBS in Zurich, Switzerland, Sunday March 19, 2023. (Michael Buholzer/Keystone via AP)

Grünes Licht: Die UBS übernimmt die CS – und der Bund hilft dabei.

Keystone

Werbung

Die UBS übernimmt die Credit Suisse für rund 3 Milliarden Franken. Der Bund hilft per De-facto-Rettungsübernahme mit einem ganzen Arsenal an Werkzeugen und milliardenschweren Garantien. Von einer Staatsrettung will Finanzministerin Karin Keller-Sutter aber partout nicht sprechen. Der Auftritt der Macherinnen und Macher des historischen Bankendeals enthält weitere Merkwürdigkeiten. Eine Übersicht: 

Partner-Inhalte

1. Die Credit Suisse wird nicht vom Staat gerettet

Das sieht wohl nur die Regierung so. Es mag zwar stimmen, dass weder Bund noch SNB irgendwelche Schrottpapiere kaufen wie damals bei der UBS-Rettung 2008 und dass keine Rekapitalisierung mit Staatsgeldern stattfindet. Aber natürlich tragen die staatlichen Retter auch in dieser Hilfsaktion ein Risiko – mit einem potenziell grossen Schaden. 

Erstens steht der Bund für allfällige Verluste der SNB bei den Liquiditätshilfen an die CS gerade. Denn von den Liquiditätshilfen im Umfang von insgesamt 200 Milliarden Franken sind nur 50 mit Sicherheiten wie etwa Hypotheken oder Wertpapieren gedeckt. Es handelt sich dabei um die Hilfen im Rahmen der Notfallfazilität mit der Abkürzung ELA (Emergency Liquidity Assistance).

Den Rest der Kredite bekommt die CS ohne Sicherheiten, sie sind nur durch ein Konkursprivileg geschützt. Bei einem Konkurs werden die Forderungen der SNB direkt nach Löhnen und Pensionskassenforderungen bedient. Der verbleibende Verlust ist vom Bund gedeckt. Der Renditeaufschlag für diese vom Bund garantierten Liquiditätsdarlehen beträgt 1,5 Prozentpunkte.

Werbung

Zweitens übernimmt der Bund auf ein CS-Portfolio eine Verlustgarantie von maximal 9 Milliarden Franken. Bei den Anlagen im Portfolio handelt es sich gemäss UBS um langfristige Derivate und Swaps, welche die UBS auf die Schnelle nicht eingehend hätte prüfen können. Sollte die UBS diese Assets abschreiben müssen, trägt die Grossbank die ersten 5 Milliarden Franken Verlust, dann ist der Bund mit 9 Milliarden Franken an der Reihe. Reicht das immer noch nicht aus, müssen sich beide Seiten auf die weitere Verlustaufteilung einigen.

Unser Podcast zum Thema

2. Die UBS darf weiter Boni auszahlen

Die UBS bekommt für den Deal umfangreiche Garantien und Liquiditätshilfen, für die der Staat letztlich ebenfalls haftet. Dennoch hat der Staat bei der Bonuspolitik nichts mitzureden. Der angegebene Grund: Es handelt sich nicht um eine Bankrettung, sondern um eine privatwirtschaftliche Transaktion, die der Staat unterstützt. Für Mitarbeitende der übernommenen CS aber wird es kaum mehr Boni geben. Die Auszahlung variabler Vergütungen könne ganz oder teilweise verboten werden, heisst es im Q&A des Finanzdepartements. 

Werbung

Die Frage ist, was mit CS-Mitarbeitenden passiert, die künftig auf die Payroll der UBS wechseln. Gilt das Bonus-Verbot dann auch für sie? Auch dieser Punkt wirkt etwas unausgegoren und dürfte noch für Polemiken sorgen. Klar scheint aber auch: Wäre der Preis für die CS-Übernahme ein Bonus-Verbot bei der UBS gewesen, hätten Kelleher und Co. abgewinkt – und der Staat hätte die CS übernehmen müssen. 

3. Die Too-big-to-fail-Regeln kommen nicht zu Anwendung – oder nur ein bisschen

Nach der Finanzkrise 2008 wurde eine Flut neuer Vorschriften erlassen, wonach Banken mehr Kapital und Liquidität vorhalten und Aufspaltungspläne vorlegen müssen. Nun muss am Ende doch der Staat wieder einspringen. Und schafft mit der Fusion eine noch grössere Bank, die erst recht niemals pleitegehen können darf. «Darüber habe ich auch viel nachgedacht», sagte Finanzministerin Keller-Sutter. «Da hat man eine Too-big-to-fail-Gesetzgebung (TBTF) und dann hat man einen Fall, bei dem man sie nicht anwenden kann.» 

Der Grund: Die Abwicklung der CS hätte eine «neue Finanzkrise» ausgelöst. Und: Der abrupte Vertrauensverlust, den sich die CS gegenübersah, den habe man mit den TBTF-Regeln nicht vorgesehen. 

Auch wenn man vor einer Abwicklung der CS absah, so ganz ungenutzt blieb das Regelwerk aber nicht. Denn die Investoren, welche die erste Tranche der CS-Anleihen zeichneten, die im Krisenfall zum Eigenkapital zählen, werden rasiert: Ihre 16 Milliarden Franken Anleihe-Investments werden komplett abgeschrieben. Dieses zusätzliche Kapital soll die UBS vor Verlusten im Zuge des Umbaus schützen. Die Bilanz der CS weist aber noch weitere solcher Kapitalpuffer auf, doch andere Tranchen werden nicht in Eigenkapital zur Deckung von Verlusten gewandelt. Dieser Rückgriff auf das Krisenkapital durch die Finma wirkt etwas willkürlich. Und wird sicher noch zu reden geben, wenn nicht gar Klagen nach sich ziehen. 

Werbung

4. Die Aktionäre werden entmachtet

Die Schweiz ist stolz auf ihre Aktionärsdemokratie und ihre Rechtsstaatlichkeit. Doch in der Krise ist das es damit nicht weit her. Das zeigt der Fall der Übernahme der CS. So wird die Bankenfusion der Schweizer Geschichte durchgedrückt, ohne dass die Aktionärinnen und Aktionäre ein Mitsprache-Recht haben. Weder die Eigner der CS noch jene der UBS können ihr Eigentumsrecht wahrnehmen und darüber abstimmen, ob sie die Fusion wollen.

Das Ziel ist klar: «Das Closing der Transaktion soll in Wochen oder einem knappen Monat erreicht sein», sagte UBS-Chef Colm Kelleher bei der Medienkonferenz. Eine Hängepartie über Wochen bis zu einem Entschluss der Generalversammlungen hätte die CS vermutlich nicht überlebt. Doch auf der Medienkonferenz war diese Entmachtung der Eigner den Beteiligten nicht einmal eine Erklärung wert. Für den Finanzplatz Schweiz droht hier ein Image-Schaden. Investoren werden sich in Zukunft wohl zweimal überlegen, ob es noch sicher ist, hierzulande sein Geld anzulegen. 

5. Cost-Cutting in Höhe von 8 Milliarden, aber keine Angaben zum Stellenabbau

Es ist ein beliebtes Argument von Bank-Managerinnen und Managern, dass es nicht auf die Zahl der gestrichenen Stellen ankommt, sondern auf die erreichten Kosteneinsparungen. So beziffert die UBS die angepeilten Kostenreduktionen auf über 8 Milliarden Franken, die bis zum Jahr 2027 dank der Zusammenführung beider Banken erreicht werden sollen.

Werbung

Aber wie viele Jobs dafür gestrichen werden, dazu gab es nicht einmal eine grobe Annäherung. «Es ist viel zu früh, dazu etwas zu sagen», erklärte UBS-Präsident Kelleher. Da Banken primär Personal und IT als Kostenblöcke haben, ist es wohl nicht zu hoch gegriffen, den zu erwarteten Jobabbau grob mit mehreren Zehntausend Jobs zu taxieren. Denn eine komplette Bankverwaltung mit IT, Personal, Compliance und anderen Abteilungen kann eingespart werden, von den insgesamt rund 300 Bankfilialen kann wohl die Hälfte geschlossen werden. 

6. Die Marke Credit Suisse verschwindet

Dieses Fusionsvorhaben ist so gewaltig, dass wichtige Dinge ganz unter den Tisch fallen: Denn mit der Übernahme der Credit Suisse durch die UBS wird die Traditionsmarke Credit Suisse verschwinden. Die Bank gibt es seit 1856, «Credit Suisse» als Marke wurde 2006 eingeführt. Noch in diesem Jahr werden die Logos mit den beiden Segeln von den Gebäuden abgeschraubt. Die UBS erklärte, nach dem Closing des Deals nur noch «UBS» als Marke verwenden zu wollen.

 

Über die Autoren
Holger Alich

Holger Alich

Holger Alich
rop

Peter Rohner

Peter Rohner

Auch interessant

Werbung