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Schweizerischer Gewerbeverband

So ist der künftige SGV-Direktor Henrique Schneider vernetzt

Der designierte Direktor des Gewerbeverbands ­wird die stramm bürgerliche Linie beibehalten – und gerne anecken.

pamela beltrame

Bastian Heiniger

&

Pamela Beltrame

Portrait von Henrique Schneider, Direktor des Gewerbeverbands SGV

Der künftige SGV-Direktor Henrique Schneider soll die letzten Zweifler überzeugt haben und wurde einstimmig gewählt.

SGV

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Er ist schwierig zu greifen. Der designierte Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbands (SGV) Henrique Schneider (45) ist weder auf Twitter noch auf LinkedIn präsent. Anfragen für Interviews lehnt er bis zu seinem Antritt Ende Juni ab – auch halte er sich nicht für eine so spannende Persönlichkeit, schreibt er auf die Anfrage. An die Öffentlichkeit tritt er dennoch: Als Akademiker schreibt er über Themen wie China, Neutralität oder Datenschutz. Als Autor verfasste er Bücher über liberale Persönlichkeiten, Sharing Economy oder Dorfgemeinschaften in Kosovo. Und als SGV-Vizedirektor textete er Positionspapiere, etwa zur Versorgungssicherheit, zum CO2-Gesetz oder zur Energiestrategie 2050. «In das Energiedossier hat er sich sehr tief eingearbeitet», sagt ein SGV-Mitglied, das anonym bleiben will und Schneider eine hohe Kompetenz attestiert. Gewählt wurde er einstimmig. In seiner «brillanten» Präsentation vor der Gewerbekammer soll er die letzten Zweifler überzeugt haben. Moderate und besonders linke Kreise hofften davor auf einen Neuanfang nach der Ära um den aufmüpfigen Hans-Ulrich Bigler. Sie wurden enttäuscht. Schneider wird ähnliche Positionen vertreten und für einen Abbau von Regulierungen kämpfen. Und er wird unpopuläre Meinungen wohl ebenso genüsslich verteidigen.

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Die Mitstreiter

Gemeinsam mit Mitte-Nationalrat und SGV-Präsident Fabio Regazzi steht Henrique Schneider als künftiger Direktor bald an der Spitze des Gewerbeverbands. Regazzi bezeichnete ihn bereits als «Schnelldenker», der innerhalb des Verbands sehr geschätzt sei. Das Duo Regazzi/Schneider dürfte der eingeschlagenen Strategie treu bleiben und als unbequeme Kraft öfters über Kreuz liegen mit Economiesuisse, dem Verband der Grosskonzerne, den Schneider nur halb im Scherz auch schon als «Sozis vom Hegibach» bezeichnete. Im Hinblick auf die Wahlen im Herbst gibt es jedoch eine Art Burgfrieden unter den Wirtschaftsverbänden, die zusammen mit dem Bauern- und dem Arbeitgeberverband unter der Klammer «Perspektive Schweiz» dafür weibeln, dass die Wähler auf wirtschaftsfreundliche Politiker setzen. Ein Bindeglied ist etwa Gian-Luca Lardi, Zentralpräsident des Baumeisterverbands, der allen drei Wirtschaftsdachverbänden angehört. Rückendeckung bei Themen wie hohe Strompreise, Inflation und Fachkräftemangel dürfte Schneider auch von GastroSuisse-Präsident Casimir Platzer und HotellerieSuisse-Präsident Andreas Züllig erhalten – beide sitzen auch im SGV-Vorstand. Da Schneider sein Professorenamt niederlegt, dürfte für den intellektuellen Austausch das von Olivier Kessler geleitete Liberale Institut mit Hauptsitz in Zürich wichtig bleiben. Schneider sitzt im Stiftungsrat und veröffentlicht für die Denkfabrik regelmässig Papers zu freiheitlichen Themen. 

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Fabio Regazzi, Präsident Schweizerischer Gewerbeverband SGV, spricht an einer Medienkonferenz über die Eidgenössischen Vorlagen zur AHV, Verrechnungssteuer und Massentierhaltung.

Schneider dürfte gemeinsam mit Fabio Regazzi, dem Präsidenten des SGV, künftig für Wirbel sorgen.

Keystone
Fabio Regazzi, Präsident Schweizerischer Gewerbeverband SGV, spricht an einer Medienkonferenz über die Eidgenössischen Vorlagen zur AHV, Verrechnungssteuer und Massentierhaltung.

Schneider dürfte gemeinsam mit Fabio Regazzi, dem Präsidenten des SGV, künftig für Wirbel sorgen.

Keystone

Privates

Schneider gibt so gut wie nichts über sein Privatleben preis. Ist er verheiratet, hat er Kinder? Selbst Mitstreiter in Verbänden wissen nicht mehr. Das Einzige, was über den 45-Jährigen bekannt ist: Er lebt im Appenzellerland. Und er pendelt nach Bern. Sein Volkswirtschaftsstudium begann er an der Hochschule St. Gallen, wo er den 2022 verstorbenen Hochschulseelsorger Frank Jehle kennenlernte. In einem Nachruf für Jehle, den Schneider verfasst hat, betont er, wie sehr der Theologe sein Leben geprägt habe. Nach der HSG studierte Schneider an verschiedenen Universitäten, etwa in Österreich und China – der Kosmopolit Schneider soll passabel Chinesisch sprechen. In den USA beendete er an der Auburn University in Alabama sein Studium und promovierte dort, weshalb er nun einen Doktortitel trägt.

Die Karriere

Der Wirtschaftsverband Economiesuisse retournierte Schneiders Bewerbungsunterlagen. Dafür kam er beim Gewerbeverband zum Zug. Und stieg schnell auf – vom Sachbearbeiter zum Chefökonomen und Stellvertreter des abtretenden Hans-Ulrich Bigler. Der langjährige SGV-Vormann kann als ein wichtiger Karrieretreiber für Schneider gesehen werden. Gemeinsam veröffentlichten sie 2019 etwa das Buch «Der Wert der KMU», das dem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Nutzen der Kleinfirmen huldigt. Und in dem die Autoren – in üblicher Schneider-Manier – für weniger Staatseingriffe weibeln. Neben dem SGV-Amt lehrt Schneider als Professor für Volkswirtschaft an der privaten Hochschule Nordakademie im deutschen Bundesland Schleswig-Holstein. Als SGV-Direktor wird er den Posten jedoch abgeben. Dass Schneider sich bereits vor seiner Wahl zum Ober-Gewerbler einer gewissen Bekanntheit erfreute, ist auch seinen diversen Publikationen zu verdanken. Er schreibt über Themen wie Konfuzianismus, Ethik in der Öffentlichkeitsarbeit der Armee oder künstliche Intelligenz. In rechtsliberalen Medien ist er ein gern gesehener Gastautor: «Nebelspalter»-Chef Markus Somm und «Weltwoche»-Verleger Roger Köppel geben dem Ökonomen in Form von Gastkommentaren und Kolumnen gerne eine Plattform.

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Hans-Ulrich Bigler, Direktor Schweizerischer Gewerbeverband sgv, spricht während einer SGV Medienkonferenz ueber das CO2-Gesetz.

Mit dem abtretenden Hans-Ulrich Bigler veröffentlichte Schneider ein Buch über die Wichtigkeit von KMU.

Keystone
Hans-Ulrich Bigler, Direktor Schweizerischer Gewerbeverband sgv, spricht während einer SGV Medienkonferenz ueber das CO2-Gesetz.

Mit dem abtretenden Hans-Ulrich Bigler veröffentlichte Schneider ein Buch über die Wichtigkeit von KMU.

Keystone

Die Gegenspieler

Im «Blick» zeigte sich Mitte-Nationalrat Alois Gmür kritisch: «Es braucht einen Wechsel an der Spitze des SGV.» Schneider sei schon lange Vizepräsident. Auch in den Medien hagelte es kritische Berichte: Der «Tages-Anzeiger» nannte ihn «Rechtsaussen-Professor», und «Work», das Hausblatt der Gewerkschaft Unia um Präsidentin Vania Alleva, kritisierte, dass der SGV nun «einen rechten Ideologen an die Spitze» setze. Die Zuschreibungen kommen nicht von ungefähr. In der Pandemie sprach Schneider von «Impfreligion» und unterstützte das Referendum gegen das Covid-Gesetz – entgegen der SGV-Position. Aufgefallen ist er auch als Mitglied der Wettbewerbskommission: So kritisierte er die starke Stellung des von Patrik Ducrey geleiteten Weko-Sekretariats und sorgte mit einem Diktatur-Vergleich für Wirbel.

Portrait von Vania Alleva, der Präsidentin der Gewerkschaft UNIA

Die Gewerkschaft Unia um Präsidentin Vania Alleva kritisiert die Wahl von Henrique Schneider als Direktor des SGV.

Keystone
Portrait von Vania Alleva, der Präsidentin der Gewerkschaft UNIA

Die Gewerkschaft Unia um Präsidentin Vania Alleva kritisiert die Wahl von Henrique Schneider als Direktor des SGV.

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Die Energie-Connection

Im SGV war Schneider bisher für das Energiedossier zuständig, und so sitzt er auch in diversen Branchengremien ein. Etwa im Vorstand des AKW-Lobbyvereins Nuklearforum, in dem neben Hans-Ulrich Bigler auch Michael Frank, Direktor des Branchenverbands der Schweizer Stromwirtschaft VSE, sitzt sowie diverse Kaderleute von Axpo über Alpiq und BKW zu ABB. Zudem ist er Mitglied im Stiftungsrat der Stiftung Klimarappen, die in Projekte zur CO2-Reduktion investiert. Mit an Bord sind etwa Economiesuisse-Chefökonom Rudolf Minsch oder Daniel Hofer, der 18 Jahre lang die Migros-Tochter Migrol leitete und inzwischen den Treibstoff-Verband Avenergy präsidiert. Aktiv ist Schneider auch im Referendumskomitee für ein Nein zum Klimaschutzgesetz, über das im Juni abgestimmt wird. Die SVP hatte das Referendum eingereicht und kritisiert die im Herbst vom Parlament beschlossene Vorlage als «Stromfresser-Gesetz». Im Komitee sind bekannte SVP-Gesichter wie die Nationalräte Christian Imark, Magdalena Martullo-Blocher und SVP-Präsident Marco Chiesa. Politisch ähnlich unterwegs ist er bei der «Umwelt-Zeitung». Schneider ist dort Verleger zusammen mit Philipp Gut, der für die Aargauer SVP in den Nationalrat will.

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Michael Frank, Direktor Verband Schweizer Elektrizitätsunternehmen VSE, posiert für ein Portrait.

Mit Michael Frank, dem Direktor des VSE, sitzt Schneider im Vorstand des AKW-Lobbyvereins Nuklearforum.

Keystone
Michael Frank, Direktor Verband Schweizer Elektrizitätsunternehmen VSE, posiert für ein Portrait.

Mit Michael Frank, dem Direktor des VSE, sitzt Schneider im Vorstand des AKW-Lobbyvereins Nuklearforum.

Keystone

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