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António Horta-Osório muss der CS neuen Schub verleihen

Die Credit Suisse darf sich auf ­etwas gefasst machen: Der ­Nachfolger von Urs Rohner fordert viel – von sich und anderen.

Erik Nolmans

Antonio Horta Osorio

Vollblutbanker: Der 56-jährige Portugiese wird der erste Präsident in der 164-jährigen Geschichte der Bank, der keinen Schweizer Pass hat.

Jordi Adria

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Fragt man Bekannte von António Horta-Osório, ob sie von einer Episode wüssten, die ihn gut beschreibe, dann ist es diese: An seinem 30. Geburtstag brach er sich bei einem Tennismatch das Handgelenk. Die Ärzte sagten ihm, die Verletzung sei so schwer, dass er nie mehr werde spielen können. Doch er war nicht bereit, sein Schicksal einfach so hinzunehmen – und zwang sich, mit der anderen Hand spielen zu lernen. Noch heute übt er seinen Lieblingssport aus, wenn es die Agenda erlaubt zwei Mal wöchentlich. Nur eines habe sich seit damals nicht verändert, wird berichtet: Er hasse es zu verlieren.

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Wenn der Portugiese nach der Generalversammlung vom 30. April 2021 Urs Rohner ablösen wird, wird erstmals in der 164-jährigen Geschichte ein Ausländer auf dem Präsidentensessel der Bank Platz nehmen. Dass sich der 56-Jährige den mit über vier Millionen Franken Salär gut dotierten Posten als bequemes Ruhekissen ausgesucht hat, ist wenig wahrscheinlich. Denn der neue Präsident ist – im Gegensatz zum stets spröde gebliebenen Juristen Rohner – ein Vollblut-banker und zudem einer, der anzupacken weiss.

Nicht lange fackeln

Als er 2011 den Chefposten bei der von der Finanzkrise arg gebeutelten Lloyds Banking Group in London antrat, fackelte er nicht lange: Er beschloss, die verzettelte Bank zu einem auf Grossbritannien konzentrierten Powerhaus zu machen, schloss Abteilungen in 24  Ländern, baute unzählige Niederlassungen und Tausende Jobs ab und investierte dafür in die digitale Infrastruktur. Der britische Staat, der die Bank in der Krise mit 20 Milliarden Pfund hatte retten müssen, konnte 2017 seine letzten Aktien abstossen – mit einem Gewinn von fast 900 Millionen Pfund.

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Vertreter der Finanzbranche von Zürich bis London, mit denen BILANZ sprechen konnte, loben Horta-Osório fast unisono in den höchsten Tönen. Und werfen doch die kritische Frage auf: Wird er die neue Rolle als Chairman mit genügend Zurückhaltung interpretieren, um CEO Thomas Gottstein Freiraum zu lassen? Denn von der operativen Truppe um Gottstein müssen die Impulse im Grunde kommen.

Der Schweizer, der den nach der Spionageaffäre abgetretenen Tidjane Thiam im Februar als CEO ablöste, hat zwar mit viel Elan losgelegt und mit Auftritten in volkstümlichen Fernsehsendungen wie dem «Donnschtig-Jass» auch einen guten Draht zur Bevölkerung aufgebaut, doch die Börse ist noch nicht wirklich elektrisiert: Seit dem Antritt von Gottstein ist der Kurs um weitere 13,3 Prozent gesunken, jener von Konkurrentin UBS nur um 2,2  Prozent (Stand 11. Dezember). Die Credit Suisse kann zusätzlichen Schub also durchaus gebrauchen.

Involviert in den Suchprozess war Gottstein nicht, er wurde in der Schlussphase informiert, berichten Insider, die in die Anstellung von Horta-Osório involviert waren. Das ist allerdings nicht ungewöhnlich, denn die Nominierung ist Sache des Verwaltungsrats. Als Königsmacher präsentierte sich kurz nach der Bekanntgabe Urs Rohner, der sich mit einer gelungenen Nachfolge am Schluss seiner zwölfjährigen Amtszeit wohl noch ein paar Image-Punkte sichern wollte. Doch der entscheidende Mann war nicht er, sondern Vizepräsident und Lead Independent Director Severin Schwan, der Rohner «auf seine charmante österreichische Art, aber doch sehr bestimmt» das Heft aus der Hand genommen habe, so ein Involvierter.

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Rohner war zwar als Vorsitzender des sechsköpfigen Nominations Committee offiziell der Leiter der Nachfolgesuche, doch Schwan bildete laut Quellen daneben intern ein informelles «Chairman Search Committee» unter seiner Leitung und unter Ausschluss von Rohner. Als Erstes wurde Rohners präferierte Headhunterfirma, mit der er üblicherweise zusammenarbeitet und die für den Präsidenten beispielsweise auch die neuen weiblichen Verwaltungsratsmitglieder Blythe Masters und Clare Brady zur CS lotste, durch einen Headhunter von Schwans Gnaden abgelöst.

Auch anderen Plänen Rohners schob Schwan einen Riegel vor. So soll Rohner auch ein paar heimische Kandidaten aus seinem persönlichen Umfeld ventiliert haben – etwa Ulrich Körner, lange in CS-Diensten, bevor er zur UBS wechselte –, doch diese waren im Ausschuss um den überkorrekten Roche-Chef genauso chancenlos wie Rohners Liebäugeln mit der Verlängerung des eigenen Mandats.

Schwan wollte zum Suchprozess keine Stellung nehmen, die CS liess ausrichten, «dass Urs Rohner als VR-Präsident in enger Absprache mit dem Lead Independent Director und den übrigen Mitgliedern das Search Committee des Verwaltungsrats geleitet hat. (...) Der Suchprozess wurde mit klaren Kriterien professionell und umfassend durchgeführt.»

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Antonio Horta-Osorio. CEO Lloyds Bank UK

«Er hasst es zu verlieren»: Beim Tennis mit seinem Personal Trainer. Als er sich mit 30 das Handgelenk brach, zwang er sich, mit der anderen Hand spielen zu lernen.

Jordi Adria
Antonio Horta-Osorio. CEO Lloyds Bank UK

«Er hasst es zu verlieren»: Beim Tennis mit seinem Personal Trainer. Als er sich mit 30 das Handgelenk brach, zwang er sich, mit der anderen Hand spielen zu lernen.

Jordi Adria

Dass die Headhunter auf Horta-Osório kamen, ist wenig verwunderlich. Der international bestens bekannte Topmann hatte schon im Juni dieses Jahres bekannt gegeben, dass er Lloyds verlassen werde. Kenner von Lloyds gehen davon aus, dass sein Wechsel im Zusammenhang mit dem Generationenwechsel steht, der sich auch im Board der britischen Bank manifestiert. So wird Lord Blackwell, über viele Jahre enger Vertrauter von Horta-Osório, durch Robin Budenberg ersetzt. Nun kann der neue Präsident von Lloyds die nächste Etappe auch mit einem neuen CEO angehen. Rund 60 Millionen Pfund hat Horta-Osório in Diensten von Lloyds verdient.

Doppelter Grossaktionär

Einen wichtigen Fürsprecher für seine Anstellung bei der CS hatte Horta-Osório beim grössten Aktionär der Bank: David Herro von Harris Associates. Der US-Fund ist mit 5,7 Prozent nicht nur der bedeutendste Aktionär der Credit Suisse, er ist auch bei Lloyds mit 7,2 Prozent Grossaktionär. Ein Machtfaktor also, um den der CS-Verwaltungsrat nicht herumkommt. Herro setzt grosse Stücke auf den Portugiesen. In einem Bericht mit dem Titel «The Case for European Financials», datiert vom 24.  März 2020, erklärt Herro die Grundlagen seiner Investitionsstrategie. Als Einziger mit Namen erwähnt ist Horta-Osório, und zwar als leuchtendes Beispiel: «Wir haben mit CEO António Horta-Osório seit seinen Tagen bei Banco Santander investiert. Wir erwarben eine Position an Lloyds im Dezember 2011 nach seiner Ankunft wegen des starken Track Record Horta-Osórios.» Und so erstaunt es nicht, dass Herro unmittelbar nach der Berufung Horta-Osórios zum neuen CS-Präsidenten die «Finanz und Wirtschaft» wissen liess: «Das ist eine sehr gute Wahl.»

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Die Berichterstattung in den Schweizer Medien war allerdings vor allem von einem Ereignis in Horta-Osórios Lebenslauf geprägt: seinem Burn-out von 2011 und dem damit zusammenhängenden Aufenthalt von acht Wochen in einer Reha-Klinik. Dass er damals öffentlich dazu stand, wurde ihm weit herum hoch angerechnet – in der knallharten Finanzwelt ist es nicht eben üblich, Schwäche zu zeigen. Auch Rohner fand in der Wochenendpresse lobende Worte: «Ich fand das stark. António stand zu seiner Erschöpfung und brachte das Thema der mentalen Gesundheit aufs Tapet. Der Druck in Spitzenpositionen ist hoch.»

Seitdem kursiert in der Schweiz über Horta-Osório das Bild eines feinfühligen Gefühlsmenschen, eines Softies fast. Doch dieses Bild greift zu kurz. Seine Erschöpfung habe er Persönlichkeitsmerkmalen zu verdanken, die sich zu einem «perfect storm» addiert hätten, glauben Freunde, die ihn lange kennen. Es sind dies: der enorme Arbeitsaufwand, den er stets betrieb, die Unfähigkeit zu delegieren, sein ausgesprochener Ehrgeiz und die überhöhten Ansprüche nicht nur anderen, sondern vor allem auch sich selbst gegenüber. Dass er sich in eine Klinik einweisen liess, war pure Notwendigkeit: Er soll damals derart nudelfertig gewesen sein, dass ihm aus medizinischen Gründen gar nichts anderes übrig blieb.

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Schlaflos in London

Er habe einfach keinen Schlaf gefunden, liess er in einem Interview wissen. In der Nacht kreisten seine Gedanken um die Aufgaben bei Lloyds, am Morgen schleppte er sich müde ins Büro; zu Hause habe er, der Vater von drei Kindern, sich schuldig gefühlt wegen seiner ständigen Abwesenheit, was ihn zusätzlich belastete. Als er mehrere Tage am Stück keinen Schlaf fand, war der Tiefpunkt erreicht – im November 2011 liess er sich in die Priory-Klinik im Südwesten Londons einweisen, eine luxuriöse Heilstätte, die auch dafür bekannt ist, anorexischen Schauspielerinnen oder drogensüchtigen Rockstars diskret bei deren Leiden zu helfen. Mit starken Schlafmitteln wurde er ruhiggestellt, er schlief tagelang 16 Stunden am Stück.

Seinen Zusammenbrauch sehen Vertraute auch vor dem Hintergrund seines vorangegangenen Abgangs bei der spanischen Banco Santander, jener Bankengruppe, wo er gross geworden war und der sein ganzes Herzblut galt. Er wollte seinen neuen Job bei Lloyds wohl nicht zuletzt darum absolut perfekt machen, um seinem ehemaligen Arbeitgeber zu zeigen, dass es ein Fehler gewesen war, ihn ziehen zu lassen.

Der Wechsel von Horta-Osório zu Lloyds sei in der Londoner Finanzszene «eine grosse Überraschung» gewesen, sagt Ex-UBS-Chef Luqman Arnold, der nach seiner Zeit bei der Schweizer Bank für einige Jahre CEO der britischen Abbey war, die später von Santander übernommen und von Horta-Osório als damaligem Chef von Santander UK geleitet wurde. Horta-Osório habe als Kronprinz von Santander und als Kandidat für die Nachfolge als CEO gegolten.

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Der Portugiese galt als Ziehsohn und enger Vertrauter von Emilio Botín, dem mächtigen Patriarchen der Bank, der grosse Stücke auf ihn hielt. Doch dann sollte sich die alte Wahrheit bestätigen: Blut ist dicker als Wasser. Emilio Botíns Tochter Ana, ebenso ehrgeizig wie Horta-Osório und ebenso talentiert, gewann im Machtgefüge immer mehr an Bedeutung. Horta-Osório dürfte klar geworden sein, dass er im Familienunternehmen am Schluss doch den Kürzeren ziehen würde – er setzte sich ab. Ana Botín übernahm umgehend seinen Job als Chef von Santander UK / Abbey, nach dem Tod des Vaters 2014 wurde sie Executive Chairman und leitet in dieser Funktion bis heute die spanische Grossbank mit harter Hand. Der Gedanke, dass er mit seinem Burn-out der Botín-Familie indirekt recht geben könnte, dass sie nicht auf ihn gesetzt hat, soll ihn gequält haben. So wagte er es lange nicht, sich den unter der Oberfläche schlummernden Burn-out einzugestehen – bis zum Zusammenbruch.

Bis dahin waren sein Leben und seine Karriere fast ohne Rückschläge verlaufen. António Horta-Osório wurde 1964 in Lissabon geboren. Sein Vater war ein bekannter Rechtsanwalt und Tischtennis-Champion. Mit seinen drei jüngeren Geschwistern wuchs er in gehobenen Verhältnissen auf. Er studierte an der Universidade Católica Portuguesa, machte den MBA am Insead und ein Advanced Management Program an der Harvard Business School. Seine Karriere als Banker, die er bei der amerikanischen Citibank in Portugal startete, bekam in den Jahren bei Santander richtig Schub.

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Nach 17 Jahren in Diensten des Botín-Clans dann der Wechsel zu Lloyds, wo er sich nach überstandenem Burn-out ebenso diszipliniert, aber etwas weniger selbstzerstörerisch als zuvor an die Arbeit machte und mit der Sanierung von Lloyds der Londoner Bankenszene nach den üblen Jahren der Finanzkrise endlich mal wieder ein richtiges Erfolgserlebnis bescherte. «In London galt er als Star», so Luqman Arnold. Allüren habe der Portugiese aber keine gezeigt. Man habe auch mal auf ein Glas Wein mit ihm gehen können, er habe ihn als sehr angenehmen Verhandlungspartner und Menschen kennengelernt. Andere Banker in London erwähnen, der Portugiese habe in Santander-Diensten auch eine gehörige Portion «spanish arrogance» gelernt, doch Arnold sieht das anders: «Spanische Manager sind oft sehr formal. Das kann mitunter vielleicht als kalt rüberkommen.»

Die Londoner Bankenlegende Hans-Jörg Rudloff, der für die CS das Euromarkt-Geschäft aufgebaut hat, kennt Horta-Osório von Branchenanlässen – und hat ihn sehr positiv erlebt: An einen «eleganten Banker mit gutem Image» erinnert er sich. Horta-Osório habe in der Londoner Bankenszene den Ruf eines typischen Latinos gehabt, diplomatisch und charmant, mit weltmännischem Auftritt: «Ein wirklicher Global Citizen», so Rudloff.

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Ausschweifungen mit Polit-Expertin

Es waren gute und wenig mit Sorgen belastete Jahre für Horta-Osório, bis sie 2016 abrupt endeten: Eine Affäre besudelte sein bis dahin makelloses Image. Am 8. August 2016 war es, als die englische Boulevardzeitung «The Sun» Fotos vom verheirateten Familienvater zeigte, in Singapur, zusammen mit einer attraktiven Blondine auf einem Ausflugsboot, beim Selfiemachen und Flanieren. Die britische Presse schoss voll los und ergötzte sich an den Details: dass die Single-Frau Wendy Piatt hiess, 45 Jahre alt, eine ehemalige Mitarbeiterin von Premierminister Tony Blair war und Polit-Expertin beim hoch angesehen Russell Institute. Piatt, das «Think Tank Hottie» («MailOnline»), war gesehen worden, wie sie mit eigenem Schlüssel Zugang zu Horta-Osórios Zimmer im Hotel Mandarin Oriental Singapore hatte, wo dieser für einen Bankenkongress residierte. Von teuren Minibar-Konsumationen und Spa-Besuchen war die Rede, und sogar über die Kosten für all die Ausschweifungen wusste die Zeitungen genau zu berichten: 3276 Pfund für Zimmer und Roomservice, 550 Pfund für Besuche im hoteleigenen Spa.

Dass die Sache für Horta-Osório beruflich glimpflich ausging, hatte er einer wichtigen Tatsache zu verdanken: Er hatte all diese Ausgaben aus der eigenen Tasche bezahlt. Das bestätigte die Bank nach interner Untersuchung. Doch Häme ersparte ihm dies nicht, hatte der CEO doch erst 2013 einen für alle Mitarbeiter gültigen «Code of Responsibility» implementiert, in dem er die Lloyds-Mitarbeiter aufrief, sich folgende Fragen zu stellen: «Führe ich vorbildhaft?» und «Fühle ich mich wohl, meinen Kollegen, Freunden und meiner Familie von meinen Handlungen zu erzählen?».

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Er wurde in seinen Familienferien mit Gattin Ana in Portugal von den Enthüllungen überrascht. Wieder zurück in London, nahm er in einer internen Memo Stellung: Er habe die Spesen selber bezahlt, und ansonsten sei sein «persönliches Leben Privatsache, wie für jeden anderen auch».

Seine Ehe hielt stand. Wenige Wochen nach den Presseberichten traten Horta-Osório und seine Gattin Ana demonstrativ gemeinsam an einer Beerdigung auf. Mit Ana ist er seit fast 30 Jahren verheiratet, er hat mit ihr zwei Töchter und einen Sohn. Sie gilt als begeisterte Marathonläuferin, hat sich selber in einem Blog als «Nutritional Naturopath» (Ernährungs-Heilpraktikerin) beschrieben. Den luxuriösen Spa Spatitude in Lissabon, den sie betrieb, besitzt sie inzwischen nicht mehr. Sie soll viel Wert auf gesunde Ernährung legen; ihrem Einfluss sei es zu verdanken, dass Horta-Osório auf eine gute Diät achte und viel Grüntee trinke.

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Die Zeitung «The Sun» enthüllt 2016 seine Affäre mit Wendy Piatt, einer ehemaligen Mitarbeiterin von Tony Blair.

The Sun
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Die Zeitung «The Sun» enthüllt 2016 seine Affäre mit Wendy Piatt, einer ehemaligen Mitarbeiterin von Tony Blair.

The Sun

Gattin Ana werde mit ihm in die Schweiz umziehen, heisst es aus dem Umfeld von Horta-Osório, nicht aber die bereits erwachsenen Kinder. Wohin es das Paar ziehen wird, ist nicht bekannt.

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Skifahren in Crans-Montana

Horta-Osório kennt die Schweiz gut, jährlich ist er hier zum Skifahren, meist in Crans-Montana und St. Moritz. In London wohnte die Familie in einem Townhouse in Chelsea, sie besitzt aber auch eine Villa in Lissabon, dekoriert mit teuren portugiesischen Kunstgegenständen aus dem 16. bis 18. Jahrhundert.

Wenn er nächstes Jahr ins Büro von Rohner am Zürcher Paradeplatz einzieht, dürfte er einige Zeit benötigen, um die Bank kennenzulernen. So stark sein Track Record im Retailbanking ist, so klar ist aber auch, dass er in anderen Tätigkeitsbereichen nicht bewandert ist. Stets war bisher das Kleinkunden- und Massengeschäft seine Aufgabe. Aber in vielen anderen Bereichen, etwa dem Kerngeschäft Wealth Management, aber auch im Investmentbanking, hat er wenig vorzuweisen.

Doch er kann gut Menschen für sich einnehmen und hat einen internationalen Auftritt, wodurch wohl wenig im Wege stehen dürfte, zu den Reichen und Superreichen dieser Welt guten Zugang zu finden. Bereits jetzt ist er in solchen Kreisen gut vernetzt, waltet er doch beispielsweise im Verwaltungsrat von Exor in Turin, der Holding der Familie Agnelli mit engem Zugang zu den Repräsentanten des Fiat-Clans, John Elkann und Andrea Agnelli.
 Schwieriger dürfte es werden, sich ein Standing bei den Investmentbankern zu erarbeiten. Diese Banker-Kategorie gilt als toughes Trüppchen, primär geldgetrieben, schwer zu bändigen. Da bleibt ihm wenig anderes übrig, als auf seinen CEO Thomas Gottstein zu setzen, der vor seiner Berufung in die Konzernleitung 2015 jahrelang im Investmentbanking tätig war, in der Schweiz, aber auch in London.

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CS-Kenner gehen davon aus, dass Gottstein und Horta-Osório persönlich gut miteinander auskommen werden, ganz einfach darum, weil beide pragmatische Typen sind. Doch in einer Hinsicht darf sich Gottstein keine Illusionen machen: Der Präsident geniesst bei den Schweizer Grossbanken traditionell eine sehr starke Stellung – oberster Chef ist Horta-Osório. Für Gottstein aber gilt keine Schonfrist mehr: So schlug Bloomberg jüngst in einem Artikel dem «Untested CEO» diverse Probleme um die Ohren, von den Verlusten bei den Ausleihungen für die nach einem Betrugsfall implodierte chinesischen Starbucks-Kopie Luckin Coffee bis hin zum 450-Millionen-Loch beim New Yorker Hedge Fund York Capital. Diese Fälle gehen zwar auf die Zeit vor seinem Antritt als CEO zurück, machten angesichts dieses «Crash Course in Risk» (Bloomberg) aber bewusst, dass Gottstein als CEO eben schon noch recht unerfahren ist.

BJD97D united kingdom london roehampton the priory grange clinic

Burn-out auskuriert: In der luxuriösen Priory-Klinik im Südwesten Londons lassen sich auch anorexische Schauspielerinnen und süchtige Rockstars behandeln.

Alamy Stock Photo
BJD97D united kingdom london roehampton the priory grange clinic

Burn-out auskuriert: In der luxuriösen Priory-Klinik im Südwesten Londons lassen sich auch anorexische Schauspielerinnen und süchtige Rockstars behandeln.

Alamy Stock Photo

Vor diesem Hintergrund könnte es sich als nachteilig erweisen, dass Horta-Osório kein Schweizer ist. Bei den Grossbanken gilt als ungeschriebene Regel, dass wenigstens einer der beiden Topleute, der CEO oder der Präsident, den Schweizer Pass haben sollte. Wichtig ist dies etwa, weil die Bankchefs viel mit einheimischen Politikern oder Regulatoren zu tun haben.

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Rein organisatorisch wäre die umgekehrte Situation die bessere Lösung. Flexibilität ist vor allem auf dem CEO-Posten wichtig. Wenn der CEO nicht performt, müsste er problemlos ausgewechselt werden können – wenn dann nur wieder ein Schweizer in Frage kommt, weil der Präsident schon Ausländer ist, ist die Auswahl arg begrenzt.

Französisch, aber nicht deutsch

Auch so werden aber neue Töne bei der Bank einziehen. Horta-Osório spricht vier Sprachen fliessend: Portugiesisch, Spanisch, Englisch und auch die Schweizer Landessprache Französisch. Auf die Frage von BILANZ, in welcher Sprache Horta-Osório die Generalversammlung der CS künftig leiten wird, gab es keine Antwort. Firmensitz der Bank ist Zürich, stets wurden die Generalversammlungen in Deutsch abgehalten, Redezeit beanspruchen vor allem die einheimischen Kleinaktionäre. Mit dem Deutschlernen müsste er sich sputen: 2022, ein Jahr nach seiner Wahl, wird er erstmals Red und Antwort stehen müssen.

Steter Aufstieg

1987–1991: Citigroup Portugal, Head of Capital Markets

1991–1993: Goldman Sachs, New York und London, Corporate Finance

1993–2010: Grupo Santander

  • 1993–1996 CEO Portugal
  • 1997–2000 CEO und Chairman Brasilien
  • 2000–2006 CEO Banco Santander Totta Portugal und Executive Vice President Spanien
  • 2006–2010 CEO Santander

2011–2020: CEO Lloyds Banking Group

Ab April 2021: Verwaltungsratspräsident Credit Suisse Group

Über die Autoren
Erik Nolmans

Erik Nolmans

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