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Mann des Monats

CS-CEO Ulrich Körner: Null Glamour, viel Verstand und ordentlich Biss

In der Not setzt die gebeutelte CS auf einen Bankveteranen, der nicht unbedingt als mitreissender Motivator gilt. Warum Ulrich Körner dennoch die beste Chance für die Bank seit Langem darstellt.

Erik Nolmans

Ulrich Koerner, Credit Suisse AG, shot on August 22 2022 at CS Headquarters, Paradeplatz Zürich.

KRISENERPROBT Zusammengezählt fast 25 Jahre war er in Diensten der Grossbanken CS und UBS. Nun erstmals als oberster Chef.

Joseph Khakshouri für BILANZ

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Der Mann weiss, was es heisst, durchzuhalten und Staub zu schlucken: 2013 ist er die Rallye Peking–Paris gefahren, 12'247 Kilometer, über Schotterwege und Wüstenstrassen, durch die Mongolei bis nach Europa, absolviert in seinem Oldtimer-Porsche, einem 911er, Jahrgang 1972, Schmuckstück seiner Sammlung von Porein, von denen er über ein Dutzend besitzt. In der Wüste Gobi nächtigte er bei Minustemperaturen, er stellte jeweils das Zelt auf, während sein Mitfahrer, der Oldtimer-Garagist Hans Füglistaler, am Auto werkelte.

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Einen langen Atem wird Ulrich Körner (59), frisch gekürter CEO der Credit Suisse, auch für seine neue Aufgabe brauchen. Denn die Grossbank ist in einer der grössten Krisen in ihrer 166-jährigen Geschichte, die Kassen sind nach Milliardenverlusten leer, das Image ist infolge einer Reihe von Skandalen beschädigt, der Aktienkurs am Boden, die Belegschaft verunsichert – die Transformation wird zur Mammutaufgabe. «Ich habe die Aufgabe nicht gesucht», sagt Körner, «ich freue mich jetzt aber darauf, der Bank, mit der ich mich sehr verbunden fühle, auch etwas zurückzugeben.»

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Am 27. Juli gab die CS den Wechsel auf dem CEO-Posten bekannt. Wenn auch nicht völlig unerwartet, so doch vom Zeitpunkt her überraschend, denn noch wenige Wochen zuvor hatte Verwaltungsratspräsident Axel Lehmann dem arg kritisierten Vorgänger Thomas Gottstein explizit das Vertrauen ausgesprochen.

Knallharter Entscheider

Mit Körner kommt nun ein Interner zum Zug, der im Oktober 60 wird und den viele schon am Ende der Karriere wähnten. Und doch könnte genau dieser Mann zur letzten Hoffnung für die gebeutelte Grossbank werden. Der nicht eben als Frohnatur bekannte Banker gilt als tougher Sanierer, als Mann, dem es egal ist, ob ihn die Leute mögen, und der darum knallhart entscheidet, als No-Nonsense-Banker, der sich schon früher um Vorgaben von oben einfach foutiert hat, wenn er sie für Blödsinn hielt.

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Ulrich Koerner, Credit Suisse AG, shot on August 22 2022 at CS Headquarters, Paradeplatz Zürich.

NO NONSENSE Körner gilt als sehr bestimmend und durchsetzungstark.

Joseph Khakshouri für BILANZ
Ulrich Koerner, Credit Suisse AG, shot on August 22 2022 at CS Headquarters, Paradeplatz Zürich.

NO NONSENSE Körner gilt als sehr bestimmend und durchsetzungstark.

Joseph Khakshouri für BILANZ

Dynamik hatte die Frage des CEO-Wechsels Anfang Juli bekommen. Es war Vorgänger Gottstein selbst, der den ersten Anstoss gab.

Die zwei Jahre an der Spitze, in denen eine Krise der anderen folgte und Gottstein kaum Zeit zum Atemholen hatte, hatten den Chef – als Golfer mit Top-Handicap von 0.7 eigentlich ein sehr sportlicher Typ –, gesundheitlich gefordert. Diesen Frühling traten Sehstörungen auf, er sah plötzlich alles verschwommen, der Arzt diagnostizierte eine stressbedingte Erkrankung, kleine Verkalkungen in den Herzgefässen waren Porein weiteres Risiko. Gottstein nahm 14 Kilo ab. «Es war sogar von aussen visibel, dass es ihm nicht gut geht», sagt ein CS-Kollege, der mit ihm befreundet ist.

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Aus dem Umfeld des Verwaltungsrates verlautet, Gottstein habe sich Ende Juni, nach der jährlichen Strategieretraite der Bank in Bad Ragaz, von sich aus an Präsident Lehmann gewandt und ihn über seine gesundheitlichen Bedenken informiert. In der Retraite hatten Verwaltungsrat und Konzernleitung eine Beschleunigung des Umbaus beschlossen, vor allem hinsichtlich eines drastischen Rückbaus der risikobehafteten Investmentbank. Eine Aufgabe, die nochmals zwei bis drei Jahre vollen Kräfteeinsatz und viele Fights erfordern würde – eine Aussicht, die Gottstein in seiner Lage kaum Freude bereitet haben dürfte.

Im Gespräch wurde von beiden die Frage aufgeworfen, ob Gottstein noch der richtige Mann dafür sei. Der Druck auf den CEO hatte zuletzt stark zugenommen, Grossaktionäre wie die US-Investmentgesellschaft Artisan forderten offen den Abgang Gottsteins. Man beschloss, zunächst mal abzuwarten.

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Forciert wurde die Sache dann in den ersten beiden Juli-Wochen, als die Zahlen aus dem zweiten Quartal nach und nach auf den Pulten der Chefs landeten und sich einmal mehr ein Desaster abzeichnete (am 27. Juli wurde dann ein Vorsteuerverlust fürs zweite Quartal von 1,6 Milliarden Franken bekannt gegeben). Im Verwaltungsrat, wo es schon vorher sehr kritische Stimmen gegeben hatte, kippte die Stimmung endgültig gegen Gottstein – der Wechsel sollte nun an die Hand genommen werden.

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Einen externen Search gab es nicht, wie ein Verwaltungsrat bestätigt. Dafür fehlte auch die Zeit. Man suchte intern, und da drängte sich eigentlich nur ein Mann auf: Körner, in der Konzernleitung für das Asset Management zuständig, im Frühling 2021 von Gottstein selber für diese Aufgabe geholt. Ein Banker, mit dem es in Sachen Erfahrung in der Schweiz nur wenige aufnehmen können. Seit über dreissig Jahren ist er bereits in der Branche, und vor allem kennt er die Grossbanken wie kein Zweiter: Mit 11 Jahren bei der UBS und zusammengezählt 13 Jahren bei der CS ist er in verschiedenen Funktionen erprobt. Ein Mann zudem, der in dieser langen Zeit nicht nur viele Krisen miterlebt, sondern in entscheidenden Phasen auch an der Lösung der Krisen grossen Anteil hatte.

Vorbild UBS

Vor allem seine Phasen als Chief Operating Officer (COO), die es sowohl bei der CS wie der UBS gab, gelten als erfolgreich, weil er in dieser Rolle seine organisatorischen Stärken ausspielen konnte. Bei der UBS war er als COO und Chef des Corporate Centers von 2009 bis 2013 die rechte Hand von CEO Oswald Grübel sowie dessen Nachfolger Sergio Ermotti und hatte Anteil an der Stabilisierung der torkelnden UBS, die nach der Finanzkrise mit Milliarden vom Staat gerettet werden musste. Bis 2020 blieb Körner bei der UBS als Mitglied der Geschäftsleitung und konnte die endgültige Wiedererstarkung der Bank unter Ermotti und Präsident Axel Weber mitverfolgen und mitbegleiten. Vor der UBS war er schon mal bei der CS, in der langen Zeit von 1998 bis 2009, unter anderem in der Rolle des Schweiz-Chefs, einer der Schlüsselfunktionen der Bank.

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Sergio Ermotti, CEO UBS in Singapur 2013

VORBILD UBS Im Kreise seiner ehemaligen Kollegen von der UBS, 2013 in Singapur (rechts oben).

Kurt Reichenbach/Schweizer Illustrierte
Sergio Ermotti, CEO UBS in Singapur 2013

VORBILD UBS Im Kreise seiner ehemaligen Kollegen von der UBS, 2013 in Singapur (rechts oben).

Kurt Reichenbach/Schweizer Illustrierte

Kaum einer also kennt das Business einer Grossbank besser als Körner. Aber warum ist dieser Mann, wenn er denn so top ist, bisher nie Chef geworden? Wechsel auf den obersten Posten gab es bei beiden Grossbanken in den letzten Jahren ja zuhauf, doch stets kamen andere zum Handkuss. Dabei war er sowohl beim CEO-Wechsel bei der CS von 2007 (Brady Dougan wurde Chef ) wie bei jenem der UBS von 2011 (Sergio Ermotti wurde Chef ) im Kreise der engsten Kandidaten, und Ex-CS-Präsident Urs Rohner hatte ihn 2021 auch als seinen Nachfolger zu positionieren versucht, doch Vizepräsident Severin Schwan hatte den Portugiesen António Horta-Osório durchgedrückt.

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Körners Handicap ist, dass er zur Galionsfigur im Grunde nicht taugt. Das liegt an seiner mitunter wenig einnehmenden Art. Über ihn kursiert in der Branche ein Bonmot: Körner kenne genau drei Stimmungslagen – schlecht gelaunt, sehr schlecht gelaunt und extrem schlecht gelaunt. Vielen kommt er als abweisend, ja arrogant rüber, oder wie es selbst enge Freunde sagen: Das Kommunikative sei nicht seine Stärke.

Auch der Schreibende hat Körner schon so erlebt. An einem der traditionellen Treffen der CS-Konzernleitung mit den Schweizer Finanzjournalisten war das, welche die CS bis vor ein paar Jahren regelmässig kurz vor Weihnachten im Hotel Savoy veranstaltete. Jedem der grossen runden Tische war jeweils ein Konzernleitungsmitglied zugeteilt. Sonst meist eine muntere Sache, war es im Jahr mit Körner am Tisch eine eher verkrampfte Angelegenheit. Der Tisch-Gastgeber sass die meiste Zeit eher mürrisch da, nahm kaum einen Diskussionsanstoss aus der Runde länger auf, schaute immer wieder auf die Uhr und signalisierte auch sonst mit jeder Faser seines Körpers, dass er lieber irgendwo anders wäre.

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Kein Kundenmann 

Im One-on-one gilt Körner aber als deutlich lockerer, weil er sich dann gezielt auf die Person einlässt. Auch das hat der Schreibende selbst erlebt, im Hintergrundgespräch für diesen Artikel, in dem Körner bemerkenswert offen auf Probleme einging und mitunter gar feinen Humor durchschimmern liess. Leute, die viel mit ihm zu tun haben, schildern ihn denn auch als zwar harten und fordernden, aber auch zugänglichen und vor allem verlässlichen Chef: «Wenn man mit ihm etwas abmacht, dann hält er sich daran», sagt ein ehemaliger Mitstreiter.

Klar ist andererseits aber auch: Ein Kundenmann ist und war Körner nie. Mitarbeiter aus seiner Zeit als Schweiz-Chef erinnern sich, wie sie immer ganz nervös geworden seien, als er die Niederlassungen in den Regionen besuchte, bei denen es Usus war, wichtige regionale Kunden zu treffen. Ist ein Besuch eines hohen Chefs für die Filialen sonst meist ein Asset in Sachen Kundenbetreuung, habe Körner da einfach nicht richtig punkten können. Dass er den Posten des Schweiz-Chefs nur zwei Jahre ausführte und dann durch den umgänglichen Hans-Ulrich Meister ersetzt wurde, ist ein deutliches Zeichen.

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Am stärksten ist Körner, wenn er im Innern wirken kann. Er gilt als hochintelligent und als glänzender Analytiker, eine Eigenschaft, die er wohl auch in seiner Zeit beim Strategieberater McKinsey bis 1998 schärfen konnte. Er ist stark mit Zahlen, merkt mit einem Blick auf die ihm vorgelegten Tabellen, wo das Problem steckt. Er hat zudem Durchsetzungskraft. Und er ist – und das ist in der heutigen Lage vielleicht die entscheidendste Eigenschaft – extrem eigenständig.

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Ein Befehlsempfänger war er nie. Enge Mitarbeiter schildern ihn als einen, der Vorgaben, auch wenn sie von ganz oben kamen, nur dann verfolgte, wenn sie ihm auch sinnvoll erschienen und er sie intellektuell nachvollziehen konnte. «Wenn er etwas schei… findet, macht er es einfach nicht», bringt es einer auf den Punkt. Es ist vielleicht nicht zuletzt diese selbstbewusste Eigenständigkeit, die ihn im Innersten eben doch zu einer Leaderfigur macht.

Im Hintergrund

Er ist in der Tendenz aber auch Zyniker. Entspricht jemand nicht dem intellektuellen Anspruch von Körner oder findet er mit jemandem nicht eine gemeinsame Linie, lässt er schon mal subtil seine Abneigung durchschimmern. So soll es etwa Hahnenkämpfe mit dem ehemaligen CS-Finanzchef Renato Fassbind gegeben haben, wie sich Damalige erinnern. Auch mit dem ehemaligen Chef des Private Bankings, Walter Berchtold, an den Körner als Schweiz-Chef zu rapportieren hatte, obwohl er als Konzernleitungsmitglied eigentlich gleichgestellt war, soll es vereinzelt Spannungen gegeben haben.

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Während seine Leistungen als Restrukturierer unbestritten sind, gehen die Meinungen über seine Arbeit in den Frontbereichen auseinander. Im Asset Management bei der CS nach 2021 hat er kaum Zeichen gesetzt. In seiner Tätigkeit als Leiter des Asset Managements bei der UBS wiederum, das er von 2014 bis 2019 leitete, hatte er zu Anfang grosse Töne gespuckt und einen Jahresgewinn von einer Milliarde versprochen. 2018, in seinem letzten Jahr an der Spitze der Einheit, war es nicht mal die Hälfte. Auch Nachfolgerin Suni Harford hat den Bereich zwar bisher nicht zu einer Gewinnmaschine gemacht, aber doch für frischen Wind gesorgt und ist mehr eine People-Managerin. Immerhin hat Körner das UBS-Asset-Management aber transformiert und die Plattform gezimmert, von der Harford nun profitieren kann.

Vielleicht zeigt ja dieses Beispiel auf einer unteren Stufe, wie auch die Wiedererstarkung des Gesamtkonzerns CS erfolgen könnte: Körner baut die Bank in den kommenden paar Jahren um und stabilisiert sie. Anschliessend kann er von einem neuen, mitreissenden CEO abgelöst werden, der es schafft, die Belegschaft für eine neue Wachstumsphase hinter sich zu scharen.

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Vorerst aber ist Sanierungsarbeit gefragt, und darin sei Körner «hervorragend», urteilt zumindest Ex-Konzernleitungs-Kollege Leonhard Fischer: «Er ist zum richtigen Zeitpunkt der richtige Mann in der richtigen Rolle.» Körner wird in seiner neuen Funktion allerdings gezwungenermassen auch zu vermehrten öffentlichen Auftritten kommen, eine Sache, die ihm nicht wirklich liegt. Er gab bisher kaum Interviews und ist generell kein Gesellschaftslöwe. Über ihn ist wenig bekannt, dabei zeigt er auch als Privatmensch viele Facetten. Man weiss von ihm eigentlich nur, dass er Oldtimer sammelt und Porsche-Fan ist.

Porsche Oldtimer von 1972

PORSCHE-FAN Er hat über ein Dutzend Porsches, so diesen Oldtimer von 1972, mit dem er 2013 die Rallye Peking–Paris fuhr (rechts oben). Das Auto wurde bis heute so belassen, trägt auch immer noch die damalige Startnummer 85.

Alexander Polezhaev
Porsche Oldtimer von 1972

PORSCHE-FAN Er hat über ein Dutzend Porsches, so diesen Oldtimer von 1972, mit dem er 2013 die Rallye Peking–Paris fuhr (rechts oben). Das Auto wurde bis heute so belassen, trägt auch immer noch die damalige Startnummer 85.

Alexander Polezhaev

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Körner ist verheiratet, seine Frau Chantal reitet gerne und ist im Verwaltungsrat eines Reitbetriebs in Uster. Das Paar hat einen Sohn und zwei Töchter im Alter von 21, 20 und 17 Jahren. Er geht gerne joggen, manchmal ist eines der Kinder dabei, manchmal auch sein Hund. Die Familie wohnt in Uetikon am Zürichsee. Er geht gerne mit Freunden jagen, in Österreich, wo er auch einen eigenen Wald besitzt. Ein Anliegen ist ihm sein Engagement für das Lyceum Alpinum in Zuoz, wo er heute Vizepräsident ist. Er hat das Engadiner Eliteinternat selbst besucht, und auch sein Sohn war dort. In Zuoz hat er auch ein grosses Ferienhaus, wo er einige seiner Porsches parkiert hat. Er ist viel in der Natur, im Sommer wandern, im Winter Ski fahren.

Der Vater war Chirurg

Körner ist gebürtiger Deutscher, hat aber inzwischen auch den Schweizer Pass. Geboren ist er 1962 in Marburg nahe Frankfurt. Sein Vater war Chirurg, die Familie lebte an wechselnden Orten in Deutschland, weil der Vater an verschiedenen Uni-Kliniken tätig war, bis er seine eigene Klinik leitete. In der Körner-Familie gibt es viele Ärzte, auch in seiner eigenen Familie hat sich das Mediziner-Gen durchgesetzt, allerdings mit einer Generation Verspätung: Seine ältere Tochter studiert Medizin. «Mein leider bereits verstorbener Vater würde sich sicher freuen, wenn er das wüsste», sagt er.

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Ein Partylöwe ist Körner nicht, man sieht ihn kaum an öffentlichen Anlässen oder auf roten (oder grünen) Teppichen. Er ist aber an Kunst interessiert, vor allem an moderner Malerei; bei der UBS war er im Art Board, das für interne Kunstsammlung zuständig ist, zusammen etwa mit Sam Keller, Direktor der Fondation Beyeler, der damals Chef der Art Basel war. Auch die Podien sucht er nicht, ist generell kein elektrisierender Redner. Aber für Sprüche aus dem Coachingoder Motivationsratgeber vom Buchhandel um die Ecke ist eh nicht die Zeit – Floskeln haben die Mitarbeitenden der CS in den letzten Jahren genug gehört. Elektrisiert werden kann die Belegschaft nur noch mit etwas: konkreten Erfolgen.

Foto: Joseph Khakshouri für BILANZ

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Die CS liegt am Boden, seit Jahresbeginn ist der Kurs um 43,6 Prozent gesunken (Stand 22. August), die Bank wird nur noch zu einem Drittel des Substanzwerts gehandelt – ein klares Misstrauensvotum des Marktes. Die Erwartungen an Körner sind entsprechend gross. Dass er ein Mann der Tat ist, hat er schnell gezeigt: Nur knapp zwei Wochen nach seinem Amtstritt hat er die wichtigsten Posten in seinem Team neu besetzt. So kommt mit Dixit Joshi als neuer Finanzchef ein Mann zum Zug, der in den letzten fünf Jahren bei der Deutschen Bank eine wichtige Rolle bei der Restrukturierung spielte. Der CSRückkehrer übernimmt von David Mathers, der die Schlüsselposition in den letzten elf Jahren innehatte. Als COO, also quasi im Maschinenraum der Bank, wird Francesca McDonagh, mit Führungspositionen bei der Bank of Ireland und der HSBC Group ebenfalls eine erfahrene Bankerin, in Zukunft eng mit Körner zusammenarbeiten.

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Wie die neue Strategie aussehen wird, werde erst mit den Zahlen zum dritten Quartal bekannt gegeben, hat die Bank wiederholt betont. Die grosse Frage ist: Was ist mit dem Investmentbanking? Einfach weiter da und dort den Bereich etwas zurückstutzen und vermehrt als Dienstleister fürs Private Banking ausrichten, wie es schon die Vorgänger Gottstein und Tidjane Thiam taten, wird nicht genügen, um die Investoren zum Umdenken zu bewegen. Kritische Stimmen merken gerne an, das Problem der CS sei weniger, dass sie im Investmentbanking tätig sei, sondern die erschreckende Inkompetenz einzelner Bereichschefs. Das Beispiel des Milliardenverlusts um Archegos, als die amerikanischen Konkurrenzbanken über Nacht ihre Schäflein in Sicherheit brachten und die träge CS am Schluss mit dem Verlust am Tisch sitzen blieb, spricht Bände.

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Intern wie extern gibt es Stimmen, Körner solle sich seinen Ex-Chef Sergio Ermotti als Vorbild nehmen. Der hatte als neuer CEO 2012 mit seinem Programm «Accelerate» für den grossen Schlag gesorgt, 10'000 Stellen abgebaut und ganze Teile des Investmentbanking-Geschäfts in eine «Bad Bank» eingebracht, um sie dort über drei Jahre abzuschmelzen (siehe Box). Er sorgte damit nicht nur für einen Paukenschlag, sondern auch für eine bis heute anhaltende Erholung des einst wankenden Giganten.

«Accelerate» – die UBS machte 2012 vor, wie ein erfolgreicher Umbau geht

Auch Sergio Ermotti war in einer Krisenzeit an die Spitze gekommen, und genau wie heute bei der CS wartete die Branche damals bei der UBS gespannt darauf, welche Zeichen der Neue setzen würde. Ermotti, der im Zuge des Betrugsfalls um den Trader Kweku Adoboli seinen Vorgänger Oswald Grübel ersetzt hatte, war Mitte November 2011 zum permanenten CEO erhoben worden, und er fackelte nicht lange. Ein knappes Jahr nach seinem Antritt hob er zum Paukenschlag an: Mit einer grossen Umbauübung, genannt «Accelerate», zerschlug er die bisherige Struktur. Angesetzt wurde das Messer bei der UBS-Investmentbank, mit welcher der mächtige Ex-UBS-Chef Marcel Ospel eine Art zweite Goldman Sachs hatte werden wollen – was im Milliardendebakel der Finanzkrise endete.

UBS CEO Sergio P. Ermotti, at a press conference announcing the bank's 2018 Full year and Fourth quarter result in Zurich, Switzerland, Tuesday, January 22, 2019. (KEYSTONE/Walter Bieri)

PAUKENSCHLAG Mit seinem Programm «Accelerate» legte der frischgebackene UBS-Chef Sergio Ermotti 2012 die Grundlage für den bis heute andauernden Erfolg der Bank.

Keystone
UBS CEO Sergio P. Ermotti, at a press conference announcing the bank's 2018 Full year and Fourth quarter result in Zurich, Switzerland, Tuesday, January 22, 2019. (KEYSTONE/Walter Bieri)

PAUKENSCHLAG Mit seinem Programm «Accelerate» legte der frischgebackene UBS-Chef Sergio Ermotti 2012 die Grundlage für den bis heute andauernden Erfolg der Bank.

Keystone

Ermotti baute 10'000 Jobs ab, konzentrierte sich auf jene Teile der Investmentbank, die Serviceleistungen für das Privat- und das Firmengeschäft lieferten, und lagerte den ganzen Rest aus in eine «Bad Bank», um die Risikopositionen dort in drei Jahren schrittweise abzuschmelzen. «Dies ist der dramatischste Umbau einer Investmentbank weltweit», schrieb die «Financial Times». Die Börse reagierte mit einem Sprung nach oben um mehrere Prozent und honorierte den Kurs der UBS auch in der Folgezeit. Denn seit «Accelerate» wird die Bank primär als Vermögensverwalter angesehen, und solche Player werden im Vergleich zu den unbeständigeren Investmentbanken mit einem Upside bewertet. Die UBS, die nach der Finanzkrise schwächer als die CS war, hat heute wieder klar die Nase vorn und ist viermal so viel wert wie die CS.

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Körner will sich noch nicht in die Karten schauen lassen, aber aus seinem Umfeld verlautet, vom vorherrschenden Lösungsansatz, das Investmentbanking ausschliesslich aus der Sparte möglicher Dienste für das Private Banking zu betrachten, wolle er sich lösen: Die Investmentbank muss auch in sich selbst bestehen, auf eigenen Füssen erfolgreich wirtschaften können und der Businessmix langfristig werthaltig und attraktiv für Mitarbeiter wie Aktionäre sein. Wie stark er dafür das Business zerschlagen muss, ist noch unklar, Bloomberg spekulierte jüngst, im Extremfall seien zwei Drittel des Geschäfts betroffen. Dass Körner das Investmentbanking ganz schliesst, abspaltet oder verkauft, erwarten dennoch nur wenige. Dies nicht ohne Grund: Als reiner Vermögensverwalter, als eine grosse Julius Bär etwa, würde die CS ihre DNA als Unternehmerbank aufgeben.

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Ein typischer CS-Kunde ist etwa Margarita Louis-Dreyfus, Mehrheitsbesitzerin des gleichnamigen Konzerns, die schon öffentlich von der CS geschwärmt hat. Als Milliardärin eine gute Privatkundin, als Empfängerin eines Kredits von über einer Milliarde für das finanzielle Manöver des Auskaufs unliebsamer Familienaktionäre aber auch ein Risiko, stand ihr die CS stets eng bei. So begeistert war sie vom ihr zugeteilten CS-Banker, dass sie ihn später für die eigene Firma abwarb. Für derlei international ausgerichtete Grosskunden gilt die CS bis heute als erste Wahl.

Dabei muss Körner eine solche Kundin gar nicht selber umschwärmen. Das Beispiel zeigt: Ein starker Mittelbau von Topleuten ist eines der grossen Assets der Bank. Umso wichtiger ist es, dass der Aderlass an guten Mitarbeitenden nun gestoppt wird, indem Körner glaubwürdig vermitteln kann, dass die Bank eine Zukunft hat. Ein Dilemma für ihn: Die Bank will mit einem grossen Sparprogramm die Kosten von heute rund 17 auf unter 15,5 Milliarden Franken senken, muss aber trotzdem gute Löhne zahlen, um gute Leute zu halten. Dies spricht dafür, ganze Abteilungen zu schliessen, jene, die am Leben gelassen werden, aber weiter zu stärken.

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Interne Kräfte

Dixit Joshi
Francesca McDonagh
Axel Lehmann
epa10093381 (FILE) - Thomas Gottstein, CEO of Swiss bank Credit Suisse (Schweiz) AG, poses for a portait in a meeting room at the headquarters of Credit Suisse at Paradeplatz Square in Zurich, Switzerland, 23 February 2017 (issued 27 July 2022). According to a statement issued by Credit Suisse on 27 July 2022, CEO Gottstein is stepping down and will be succeeded by Ulrich Koerner as of 01 August 2022.  EPA/GAETAN BALLY   EDITORIAL USE ONLY
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Dixit Joshi Der neue Finanzchef kommt von der Deutschen Bank und ist Turnaround-erprobt.

ZVG

Druck aus dem Aktionariat

Schon als Spartenchef hat Körner mitunter harte Entscheidungen durchgezogen. Jetzt, als oberster Chef, muss er sie vor den kritischen Augen der Öffentlichkeit vertreten. Fehler darf er sich nicht erlauben, die Medien sind in Sachen CS nach den konstanten Enttäuschungen kaum zu Milde aufgelegt.

Auch Zeit bleibt ihm nicht wirklich viel. Bereits hat der grösste Aktionär der Bank, der US-Finanzinvestor Harris Associates unter Anlagechef David Herro, der CS eine Art Ultimatum gestellt. Die Investmentbank müsse endlich nachhaltige Erträge erwirtschaften. Schaffe die CS das in den nächsten zwei Jahren nicht, müssten drastischere Schritte her, etwa ein Verkauf oder eine Fusion.

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Der Druck auf Körner wird in den kommenden Wochen und Monaten also noch weiter zunehmen. An ihm ist es jetzt, allen früheren Skeptikern zu beweisen, dass er auch ganz oben reüssieren kann.

Über die Autoren
Erik Nolmans

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