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Chopards Co-Präsidentin

«Cannes ist ein Haifisch­becken»

Caroline Scheufele, Co-Präsidentin des Genfer Luxuslabels Chopard, über das glamouröse Filmfestival, Betrügereien und ihr neustes Projekt.

Iris Kuhn Spogat

Caroline Scheufele

Caroline Scheufele ist es gewohnt zu posieren und geniesst es mitunter auch.

Guillaume Megevand für BILANZ

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Im Mai wird sie am Filmfestival Cannes für Glamour sorgen, an der Seite von Hollywoodstars über den roten Teppich stöckeln, eine Soirée nach der anderen geben. Kurz davor treffen wir Caroline Scheufele am Chopard-Hauptsitz in Meyrin bei Genf. Sie kommt schwer beladen an, schleppt in jeder Hand eine riesengrosse Einkaufstasche. Die Neugier ist geweckt.

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Was haben Sie so schwer zu tragen?

Leintücher, Frotteewäsche und Tischdecken – alles Muster für ein Hotel in Paris.

Ihr Hotel?

Unser Hotel. Es befindet sich im selben herrschaftlichen Haus wie unsere Boutique an der Place Vendôme 1.

Wie kommen Sie dazu?

Es gab da schon immer ein Hotel. Vor ein paar Jahren erfuhr ich an einer Party, dass die Immobilie verkauft werden soll. Ich rief sofort meinen Bruder an, denn man hatte mir auch gesagt, das Haus sei noch nicht auf dem Markt. Uns war sofort klar, dass schnell gehandelt werden musste, wenn wir diesen äusserst wichtigen Standort sichern wollten.

Sie kauften Gebäude inklusive Hotel, um Ihre Boutique zu sichern?

Genau! Das war 2014. Kurz vor der Covid-Pandemie entschieden wir, das Hotel komplett zu renovieren. Wir redeten erst mit Mandarin Oriental, Peninsula und anderen Hotelgruppen im Fünfsternesegment und kamen dann zum Schluss, dass wir es selber machen.

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Selber heisst selber?

Ja, von der Raumgestaltung bis zur Seifenschale. Im Juni eröffnen wir. Es gibt 15 Suiten, jede ist anders, jede ist inspiriert von einem bestimmten Edelstein.

Caroline Scheufele

Die Königin von Cannes

Chopard, die Genfer Uhren- und Schmuckmanufaktur in Besitz der Familie Scheufele, ist eine vergleichsweise kleine Marke. Dass sie dennoch Weltruf geniesst, ist das Verdienst von Caroline Scheufele, Artistic Director der Maison. Sie co-präsidiert das Unternehmen zusammen mit ihrem Bruder Karl-Friedrich. Sie verantwortet die Damen-, er die Herrenkollektionen. Vor über 20 Jahren etablierte Scheufele Chopard als wichtigsten Partner des Filmfestivals in Cannes und stellt die «Palme d’Or» sowie die «Trophée Chopard» für junge Talente her. So massgeblich sie am Glamour des Festivals beteiligt ist, so massgeblich ist das Festival für sie als Unternehmerin.

Das haben Sie bestimmt?

Nein, dieses Hotel ist das gemeinsame Projekt von meinem Bruder und mir. Wir machen alles zusammen. Und zwar ohne Streit. Ich weiss ja, was er mag und was nicht. Und umgekehrt. Zudem kennen wir uns inzwischen zu gut, um uns noch übereinander aufzuregen. Und let’s face it: Wir sind zwar sehr verschieden, aber aus dem gleichen Holz geschnitzt.

Ein Hotel zu renovieren, ist das eine. Es dann auch zu führen, etwas ganz anderes.

Das sehen wir nicht so. Es geht wie bei Chopard um Service, Exzellenz, darum, den Kunden etwas Einmaliges zu bieten, eine One-of-a-kind Experience. Ich bin sehr zuversichtlich.

Wie wird das Hotel heissen?

Vendôme No 1.

Und was wird eine Nacht kosten?

Die Preispolitik ist noch in Arbeit. Wir haben dafür Spezialisten engagiert, die das Finanzielle für uns evaluieren (ihr Handy klingelt). Sorry, jetzt ruft grad unser Koch an.

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Ah, Menübesprechung?

Die Kulinarik ist uns natürlich sehr wichtig. Wir wollen unter anderem einen kleinen, feinen Roomservice und das perfekte Clubsandwich. Ja, auch darum kümmern sich mein Bruder und ich persönlich.

Dafür haben Sie jetzt, so kurz vor dem Filmfestival in Cannes, noch Zeit?

Zeit habe ich nie, die nehme ich mir. Im Hotel Martinez, unserem Headquarter während des Festivals, ist so weit alles vorbereitet. Wir werden wie alle Jahre den siebten Stock ausräumen und so einrichten, wie es uns gefällt. Wir brauchen da ja Salons, keine Betten und wollen die Räume jeweils im Thema dekoriert haben, das wir uns für die Kollektionen gegeben haben.

Ein Riesenaufwand. Lohnt sich das?

Ja, was wir in Cannes machen, hat einen Ripple-Effekt für das ganze Jahr.

Caroline Scheufele

Demnächst eröffnet Caroline Scheufele zusammen mit ihrem Bruder Karl-Friedrich in Paris das Hôtel Vendôme No. 1 mit 15 Suiten.

Guillaume Megevand für BILANZ
Caroline Scheufele

Demnächst eröffnet Caroline Scheufele zusammen mit ihrem Bruder Karl-Friedrich in Paris das Hôtel Vendôme No. 1 mit 15 Suiten.

Guillaume Megevand für BILANZ

Können Sie das erklären?

Der Red Carpet, auf dem grossartige Schauspielerinnen unsere Unikate präsentieren, ist unser schönstes Schaufenster. Davon leben wir nicht, es ist aber wichtig für unser Image und Prestige. Das wiederum ist wichtig für unser Geschäft. Der Glanz von Cannes bringt alles zum Leuchten.

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Es heisst, die Preziosen seien jeweils schon verkauft, bevor diese zurück im Safe sind. Wahr?

Stimmt zum grossen Teil, wir laden ja auch wichtige Kunden ein. Aber es kam auch schon vor, dass Schmuckstücke gar nicht zurückkamen. Einmal hatte Elizabeth Taylor ein schönes Collier von uns für einen Abend. Der Bodyguard, den wir ihr zur Seite gestellt hatten, rief spätnachts an und sagte, Miss Taylor wolle den Schmuck über Nacht anbehalten. War für mich okay, sie schlief ja immer mit Diamanten. Am nächsten Morgen rief er wieder an, Miss Taylor habe sich in das Collier verliebt und wüsste gern den Preis. Ich machte ihr einen guten Preis, sie kaufte es und wollte dann noch die ganze Kollektion sehen. Ich ging mit allem zu ihr in die Villa hoch, packte es auf ihrem Salontisch aus. Sie holte ihren Schmuck dazu, um zu sehen, was sich kombinieren lässt. Am Ende hatten wir ein Riesendurcheinander. Sie sagte nur, schick mir einfach die Rechnung für das, was dir fehlt. So haben wir es dann auch gemacht.

Ist es Ihnen eigentlich egal, wer Ihre Unikate kauft?

Nicht immer. Es gibt Stücke, die eine besondere Bedeutung haben. Bei denen ist es mir nicht egal, wer sie bekommt. Sie müssen in die richtige Familie. Und das lässt sich dann meist schon machen.

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Ist das Festival für Sie ein Fest?

Für mich ist Cannes ein olympischer Pool, in den ich am Tag eins reinspringe und zwei Wochen später wieder herausklettere. Ich werde während der ganzen Zeit mehr oder weniger rund um die Uhr präsent sein. Einzig einen Teil der Filmvorführungen lasse ich aus. Denn das ist jeweils die einzige Zeit am Tag, da ich durchatmen und die Beine hochlagern kann.

Dabei hat alles so klein angefangen.

Es hat damit angefangen, dass ich die Trophäe Palme d’Or neu designte. Da war Cannes noch ganz klein als Festival, unbekannter als Berlin und Venedig und in den USA kein Begriff.

Caroline Scheufele

Schwarz oder weiss, Frau ­Scheufele?

Berge oder Meer? Ich liebe die Berge und noch mehr das Meer.

Côte d’Azur oder Costa Smeralda? Costa Smeralda, wegen der Farbe des Wassers.

Lionel Richie oder Elton John? Beide sind meine Freunde. Leider ist Elton dieses Jahr auf Tour und kann nicht nach Cannes kommen. Aber wir haben einen grossartigen Ersatz.

Tag oder Nacht? Nacht. Ich gehe spät zu Bett, da bin ich am kreativsten. Müde bin ich nur am Morgen, wenn ich aufstehen muss.

Wellness oder Wandern? Wellness, ich mag es, gepampert zu werden.

Rubin oder Smaragd? Rubin, Rot ist die Farbe der Liebe.

First oder Business? Auf sehr langen Strecken reise ich First Class. Vorzugsweise mit der Swiss.

Es heisst, Sie hätten Cannes glamourös gemacht.

Ich würde sagen, wir sind zusammen gross geworden. Cannes mit uns und wir mit Cannes.

Jetzt stapeln Sie tief. Niemand sei dort so massgeblich wie Sie, heisst es. Die «Vogue» bezeichnet Sie als «Queen of Cannes».

Das ist völlig übertrieben. Wahr ist: Wer einmal da bei uns war, kommt tatsächlich gern immer wieder.

Im Internet kann man aktuell für Ihre Party Tickets à 5000 Pfund kaufen.

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Das ist reiner Betrug. Wir sind dem vor zwei Jahren unter falschem Namen nachgegangen. Man bezahlt und bekommt nichts. Für unsere Events gibt es nämlich keine Tickets, es kommt nur rein, wen wir einladen. Die vielen VIPs, die prominenten Gäste und die Preziosen erfordern, dass wir sehr sorgfältig und auf Sicherheit bedacht sind.

Und was sagen Sie zur grossen Konkurrenz, die sich zwischenzeitlich auch auf dem roten Teppich tummelt?

Ich sage immer, wir sind die einzigen offiziellen Partner, die anderen sind einfach auch da. Aber es wird sich da wohl das eine oder andere ändern: Das Festival hat eine neue Präsidentin. Es ist erstmals eine Frau und dazu eine Deutsche. Sie hat uns hier in Genf besucht und klargemacht, dass sie will, dass der rote Teppich wieder exklusiv wird.

Wie kommt man denn auf den roten Teppich?

Auch dafür kann man offiziell keine Tickets kaufen. Karten bekommen nur die offiziellen Partner wie wir, L’Oréal, BMW oder Nespresso sowie die jeweiligen Filmproduktionsfirmen. Vieles läuft dann hinter den Kulissen über den Schwarzmarkt.

Macht Sie das wütend?

Manchmal. Aber manchmal muss ich auch lachen. Das Festival in Cannes ist ein «Panier de Crabes», ein Haifischbecken. Und es ist unglaublich, was sich die Leute alles einfallen lassen, um Einlass zu bekommen, wo sie nicht eingeladen sind. Einmal stand ich zufälligerweise am Eingang zu unserer Etage im «Martinez», als ein Herr behauptete, er sei ein enger Freund von mir. Ich stand da und sagte: Really? Er kannte mich nicht einmal. Ich werde einmal ein Buch schreiben mit den besten Anekdoten.

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Wie haben Sie die Pandemie erlebt?

Ich machte viele Sachen, für die ich immer nur wenig Zeit hatte. Kochen zum Beispiel, und ich habe meine Hunde besser kennengelernt, viel gezeichnet, das Haus auf den Kopf gestellt und meine Rosen selber geschnitten. Chopard lief weiter, was dazu führte, dass ich nun einen Computer zu Hause stehen habe. Etwas, das ich nie wollte, um das es aber kein Herum mehr gab. Jetzt habe ich mich dran gewöhnt, hat ja auch seine Vorteile.

In summa?

Wir sind recht gut durch die beiden Jahre gerudert. Und jetzt geht das Leben wieder ab, als wäre nichts gewesen. Aber wir sind uns heute bewusst, dass man nie weiss, was kommt. Und dass es wichtig ist, auf das Unvorhergesehene rasch und flexibel reagieren zu können. Die Digitalisierung veränderte auch bei uns Prozesse und Gewohnheiten.

Verkaufen Sie online?

In den USA, UK, Deutschland und Frankreich haben wir eigene Onlineshops. Zudem verkaufen wir auch via Kanäle wie Net-a-porter, T-Mall und JD.com. Wir hatten das schon auf dem Plan, durch Covid wurde es zur Priorität. Heute ist es ein wichtiges zusätzliches Geschäft und ein neuer Markt …

… für Petitessen. Ihre High Jewellery und andere teure Stücke verkaufen Sie kaum digital?

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Da täuschen Sie sich. Wir verkaufen auch Haute Joaillerie ohne Boutique, bedienen Kunden auch via Teams und WhatsApp, machen Fotos und Videos – und haben damit in der Pandemie wichtigen Umsatz gemacht. Natürlich mehrheitlich mit Kunden, die wir seit Langem persönlich kennen. Das klappt hervorragend.

War es für Sie immer klar, dass Sie ins Familienunternehmen einsteigen?

Nein, nicht unbedingt. Aber meine Eltern waren – wie soll ich sagen? – mit sanfter Hartnäckigkeit hinter mir und meinem Bruder her. Ein Schlüsselmoment war für mich, dass mein Vater eine Zeichnung von mir zu einem Schmuck machen liess, den er mir zu Weihnachten schenkte. So fing das mit dem Schmuck bei Chopard an, und so kam mein Interesse am Unternehmen. Mein erstes Jahr verbrachte ich in unserer Firma in Deutschland, musste durch jede Abteilung, After Sales, Verpacken, Rechnungen schreiben. Immerhin konnte ich durchsetzen, dass ich zwei Tage pro Woche im Designstudio sein konnte.

Waren Sie rebellisch?

War ich und bin ich.

Caroline Scheufele

Caroline Scheufele bezeichnet sich selbst als rebellisch.

Guillaume Megevand für BILANZ
Caroline Scheufele

Caroline Scheufele bezeichnet sich selbst als rebellisch.

Guillaume Megevand für BILANZ

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Gehört dazu auch Ihr Entscheid, nur Fair-mined-Gold zu verarbeiten, also Gold, das unter ökologisch und ethisch vertretbaren Bedingungen geschürft wird?

Nein, der geht auf einen Schlüsselmoment in meinem Leben zurück. Bei der Oscar-Verleihung 2011 in Los Angeles fragte mich Livia Firth, damals die Frau von Colin Firth, der für seine Rolle in «King’s Speech» den Oscar erhielt: Woher kommt euer Gold? Ich sagte, von der UBS, merkte aber sofort, dass das etwas strange war, und gab zu, ahnungslos zu sein. Da machte es klick. Seit 2018 verwenden wir ausschliesslich ethisches Gold. Luxus ist für mich und meinen Bruder heute assoziiert mit Transparenz.

Und die Idee dahinter?

Wir wollen zwar keine Don Quichottes sein, aber in der Branche durchaus etwas auslösen.

Sie haben eine Idee, besprechen sie mit Ihrem Bruder und legen los?

Bei uns ist vieles effektiv viel einfacher als in grossen Organisationen. Wir können rasch entscheiden und rasch umsetzen – auch auf die lange Frist: Bei uns gibt es kein Hüst und Hott, weil ein neuer Chef kommt, der alles anders als sein Vorgänger machen will. Wir kontrollieren heute vom Design über die Produktion bis zum Verkauf alles. Und verantworten auch alles.

Einen CEO gibt es bei Chopard nicht, nur Sie und Ihren Bruder als Co-Präsidenten. Ihr Bruder kann keine Uhren machen, Sie sind keine Goldschmiedin. Wie kann das funktionieren?

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Chopard beruht auf Teamwork. Dabei tragen wir die Verantwortung und schaffen die bestmöglichen Rahmenbedingungen für das Operative. Und: Gold schmieden habe ich schon ein bisschen gelernt und mein Bruder auch. Wir sassen beide am Brett. Er ist zwar kein Uhrmacher, weiss aber alles über Uhren. Uns kann also keiner etwas erzählen. Wir wissen, was Sache ist.

Und wie führen Sie Ihr Unternehmen mit rund 2000 Mitarbeitenden?

Mit Teamgeist und offenen Türen. Wir geben nicht einfach Orders, sondern hören auch zu, lernen von den Spezialisten in den verschiedensten Gebieten. Jeder hat seine eigenen Vorstellungen und Ideen, wie etwas sein muss. Dass wir auf unserem Standpunkt beharren, wenn die Argumente Kraft haben, ist selten.

Ihre Schlüsselpersonen?

Jeder ist wichtig. Denken Sie nur mal an unsere Kunsthandwerker. Wir haben hier 40 Métiers beschäftigt, ohne die gäbe es keine Red Carpet Collection, keine mechanische Uhr. Die meisten sind seit sehr langer Zeit bei uns – und sie bleiben, weil es eine Familienfirma mit hohen gelebten Werten und viel Platz für Passion ist.

Über die Autoren
Iris Kuhn Spogat

Iris Kuhn-Spogat

Iris Kuhn-Spogat

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