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Zum ersten Mal wird eine Frau Regierungschefin von Liechtenstein. Die Quereinsteigerin ist im In- und Ausland gut vernetzt.
Brigitte Haas gilt als wirtschaftsliberal und progressiv, mit einem starken Fokus auf Geschlechtergleichstellung.
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Es ist eine echte Sensation: Mit Brigitte Haas (61) wird zum ersten Mal eine Frau Regierungschefin von Liechtenstein. Im konservativen Fürstentum dürfen Frauen überhaupt erst seit 1984 wählen – so spät wie in keinem anderen Land in Europa. Dass die Wahl auf Haas gefallen ist, hat aber weniger mit ihrem Geschlecht zu tun als mit ihrem sehr guten Netzwerk innerhalb und ausserhalb von Liechtenstein. Seit 2019 ist die Juristin Geschäftsführerin der Liechtensteinischen Industrie- und Handelskammer (LIHK) und steht damit in engem Austausch sowohl mit der Wirtschaft als auch mit der Verwaltung, Verbänden, Stiftungen und der Regierung. In ihrer Funktion als LIHK-Chefin war sie auch Schnittstelle zu den Wirtschaftsverbänden in der Schweiz und in Brüssel und hat so wichtige Kontakte im Ausland geknüpft. Haas hat sich auch immer wieder in verschiedenen Stiftungsräten und Kultureinrichtungen engagiert, sie ist als Rednerin und Gast bei Podien aufgetreten, was zu ihrer Bekanntheit beigetragen hat. Sie gilt als wirtschaftsliberal und progressiv. Ein grosses Anliegen ist der neu gewählten Regierungschefin die Gleichstellung der Geschlechter, die für sie ein wichtiges gesellschaftspolitisches Thema ist. Ihr Wahlsieg ist in dieser Hinsicht für Liechtenstein ein Schritt in die richtige Richtung.
Einer der wichtigsten Ansprechpartner in der Liechtensteinischen Industrie- und Handelskammer (LIHK) war für Haas Klaus Risch, seit 2007 Präsident. Er zählte zu den Ersten, die sie in ihre Politikambitionen einweihte, und sie erhielt von ihm volle Unterstützung. Wertvoll war für sie auch der Austausch mit Vizepräsident Fabian Frick, Co-CEO von Hoval. Als sie ihren Posten bei der LIHK antrat, war der Unternehmer Michael Hilti Präsident der Kammer. Ihn wie auch Peter Frick, früher Hoval-Chef und Ehrenpräsident der Kammer, schätzt sie sehr: «Beide machen immer klare Aussagen und sind sehrlösungsorientiert.» Ein langjähriges Vorstandsmitglied war Maximilian von und zu Liechtenstein, Chef der LGT Bank. Er war für sie ein wichtiger Mitstreiter bei den Bemühungen um ein Doppelbesteuerungsabkommen mit den USA. Prinz Max und Klaus Risch begleiteten Haas auf Reisen nach Nordamerika und unterstützten sie mit ihren Kontakten. Haas betont, dass ihr eine Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern auf Augenhöhe sehr wichtig sei. So zählt Sigi Langenbahn, Präsident der einzigen Gewerkschaft des Landes, LANV, zu ihren Wegbegleitern. Haas engagiert sich zudem als Stiftungsrätin in der Ursula Zindel-Hilti Foundation. Marion Matt führt das Erbe von Zindel-Hilti als Stiftungspräsidentin mit Herzblut fort. Deren Hingabe ist für Haas eine Inspiration. Als Nächstes stehen für Haas die Koalitionsverhandlungen mit der FBP an. Ihre Sparringspartner werden – wie schon im Wahlkampf – Hubert Büchel und Emanuel Schädler sein.
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Maximilian von und zu Liechtenstein, Chef der LGT Bank.
Eddy RischMaximilian von und zu Liechtenstein, Chef der LGT Bank.
Eddy RischBrigitte Haas ist in Schaan aufgewachsen. Ihre Eltern waren Inhaber des Fachgeschäfts Keramik Haas mit einer Produktionsstätte und einem Ladengeschäft im Ort. Lesen ist schon als Kind ihre Leidenschaft, ihre Lieblingsautorin ist Federica de Cesco. Starke Mädchen stehen in den Büchern im Fokus. Das bestärkt Haas in dem Selbstverständnis, dass Mädchen ebenso viel erreichen können wie Buben. Heute lebt sie mit ihrem Ehemann, dem Architekten Hubert Ospelt, in Vaduz. Ein prominenter Verwandter ist ihr Cousin, der frühere Erzbischof von Vaduz, Wolfgang Haas. Die beiden verbinde ein schönes verwandtschaftliches Verhältnis, sagte sie kürzlich in einem Interview.
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Der emeritierte Vaduzer Erzbischof Wolfgang Haas ist der Cousin der Regierungschefin.
KeystoneDer emeritierte Vaduzer Erzbischof Wolfgang Haas ist der Cousin der Regierungschefin.
KeystoneFinanzielle Unabhängigkeit war für Brigitte Haas schon als Jugendliche wichtig. Vor ihrer Matura und ihrem Jus-Studium absolvierte sie daher eine Lehre in der Landesverwaltung. Zu dieser Zeit war Hans Brunhart Regierungschef, dem sie dort regelmässig über den Weg lief. Bis heute ist Haas in Erinnerung geblieben, mit wie viel Wertschätzung und Respekt der Politiker sie als damals 16-jährige Auszubildende behandelt hat. Ein wichtiger Unterstützer in der Landesverwaltung war auch der damalige Polizeipräsident Werner Marxer, der sich später als Künstler einen Namen machte. Für einige Zeit war Haas seine Assistentin und ist ihm bis heute dankbar, dass er immer an sie geglaubt hat. Haas hatte aber auch weibliche Vorbilder in der Politik, wie Aldina Sievers, die als erste Protokollchefin der Regierung viele junge Frauen inspirierte. Nach der Zweitwegmatura begann sie an der Universität Zürich das Jus-Studium. In dieser Zeit machte Haas Bekanntschaft mit Marie Theres Fögen (1946–2008). Die deutsche Juristin und Rechtshistorikerin lehrte in Zürich Römisches Recht. Bei Haas hinterliess Fögen einen bleibenden Eindruck. 2004 wurde Haas stellvertretende Geschäftsführerin der Liechtensteinischen Industrie- und Handelskammer, 2019 Geschäftsführerin.
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Aldina Sievers war erste Protokollchefin der Regierung – und das Vorbild von Haas.
PRAldina Sievers war erste Protokollchefin der Regierung – und das Vorbild von Haas.
PREs war ein spannender Wahlkampf. Mit Ernst Walch (FBP) und Brigitte Haas (VU) trafen zwei höchst unterschiedliche Kandidierende für das Amt des Regierungschefs aufeinander. Der bekannte Anwalt und Treuhänder Walch hatte bereits eine Politik-Karriere hinter sich. In den 1990ern war der heute 68-Jährige bereits Landtagsabgeordneter und kurzzeitig sogar Landtagspräsident. Später war er für vier Jahre Aussenminister. Punkto Erfahrung war Walch damit der Quereinsteigerin Haas überlegen. Bei den Wählern kam der bekennende Trump-Fan trotzdem schlecht an. Im Wahlkampf gab er sich betont männlich und laut. Mit dieser Strategie brachte er der FBP das bisher schlechteste Ergebnis bei einer Landtagswahl ein.
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Ernst Walch verlor den Wahlkampf gegen Haas.
keystone-sda.chErnst Walch verlor den Wahlkampf gegen Haas.
keystone-sda.chAls Geschäftsführerin der LIHK war Haas in den vergangenen Jahren auch Delegierte in Komitees internationaler Organisationen wie der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA). Dort traf sie regelmässig auf die Schweizer Delegierten, darunter: Jan Atteslander, Leiter der Abteilung Aussenwirtschaft Economiesuisse, Catherine Lance Pasquier, stellvertretende Direktorin der Fédération des Entreprises Romandes Genève, und Marco Taddei vom Schweizerischen Arbeitgeberverband. Die engste Zusammenarbeit mit der Schweiz findet in der Schweizer Industrie- und Handelskammer statt, in der nicht nur die kantonalen Handelskammern der Schweiz, sondern auch die LIHK vertreten ist. Präsident Martin Dätwyler ist daher ein wichtiger Ansprechpartner. Eine Begegnung mit Karin Keller-Sutter und Paul Rechsteiner ist Haas lebhaft in Erinnerung geblieben: Gemeinsam mit den beiden Schweizer Politikern setzte sie sich gegen einen Serviceabbau der SBB in der Ostschweiz ein. Haas war beeindruckt von der lösungsorientierten Zusammenarbeit – trotz unterschiedlicher Parteiprogramme. Schon zum zweiten Mal hat Haas im Januar WTO-Generaldirektorin Ngozi Okonjo-Iweala getroffen. Haas bewundert Okonjos Pragmatismus und dass diese immer eine klare Haltung zeige.
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Ngozi Okonjo-Iweala ist WTO-Generaldirektorin.
ZVGNgozi Okonjo-Iweala ist WTO-Generaldirektorin.
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