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Bitcoin-Paradiesvogel Niklas Nikolajsen: Der Pionier mit barockem Lifestyle

Die Kryptobörsen fahren Achterbahn. Warum Bitcoin-Pionier Niklas Nikolajsen Sinnbild für die ­verrückte Szene ist. Und warum er die Coins trotz Absturzgefahr für unverzichtbar hält.

Erik Nolmans

Niklas Nikolajsen

Niklas Nikolajsen ist ebenso Paradiesvogel wie nüchterner Unternehmer.

Paolo Dutto

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Manchmal muss ein Mann eben machen, was er machen muss. Also packte Niklas Nikolajsen mehrere hunderttausend Franken in Bündeln von 200er-Noten in eine Plastik-Tragtasche und machte sich auf zum Bentley-Händler. Er verlange tüchtig Rabatt, zahle dafür aber sofort und in bar, sagte er zum Verkäufer. Den Rabatt bekam er, und auch für den Verkäufer wurde es ein guter Tag: Er machte ihm nebst der Limousine gleich noch einen zweiten Bentley schmackhaft – ein massgeschneidertes Sportmodell.

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Beim Autoshopping hatte der gebürtige Däne ein Kamerateam aus seinem Heimatland im Schlepptau. Denn der Kauf ging auf eine verlorene Wette zurück. Ende 2016 war es gewesen, als sich der Preis der Kryptowährung Bitcoin nach langem Sinkflug gefangen und wieder rund 1000 Dollar erreicht hatte. Ein Journalist hatte ihn angerufen und im Spass gefragt, ob er sich nun zur Feier des Tages einen Bentley kaufe. Nein, erst wenn der Kurs 10'000 Dollar erreiche, hatte Nikolajsen geantwortet.

Was selbst er nicht erwartet hatte: Schon rund ein halbes Jahr später war es so weit. Der erste grosse Kryptohype von 2017 hatte den Kurs explodieren lassen. «Da musste ich natürlich Wort halten», sagt er und schmunzelt. Der Clou dabei: Er besitzt nicht mal einen Führerschein – ein Chauffeur muss die Edelkarossen für ihn lenken.

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Im Shitstorm

Als er das Bild vom Kauf auf Facebook postete, drohte ein Shitstorm, und Nikolajsen setzte sich der Kritik aus, dass er ein Angeber sei. «Vielleicht war das Ganze schon nicht so weise», räumt er heute ein. Doch er reagierte auf seine Art und mit viel Humor: Statt sich zu rechtfertigen, kaufte er noch zwei Bentleys – Spielzeugausgaben im Kleinformat allerdings, die er an der Taufe seiner beiden 2019 geborenen Babys fotogen zwischen den beiden grossen Fahrzeugen platzierte. «Fahrtüchtig, mit Elektromotor», lässt er wissen – allerdings seien die beiden gerade zwei Jahre alt gewordenen Zwillingsbuben noch etwas zu klein dafür.

 

 

Niklas Nikolajsen Bentleys vor dem Haus - BILANZ: weitere Verwendung nur mit Genehmigung von Niklas Nikolajsen. Usage with permission only.

Als Gag orderte er neben seinen beiden Bentleys auch zwei Miniaturausgaben für seine Söhne.

ZVG
Niklas Nikolajsen Bentleys vor dem Haus - BILANZ: weitere Verwendung nur mit Genehmigung von Niklas Nikolajsen. Usage with permission only.

Als Gag orderte er neben seinen beiden Bentleys auch zwei Miniaturausgaben für seine Söhne.

ZVG

Nikolajsen kultiviert seine Unkonventionalität gerne und betont sie auch mit seinem Erscheinungsbild bewusst: die langen, inzwischen leicht ergrauten Haare lang zu einem Rossschwanz gebunden, der gezwirbelte Schnauz, der schwarze Anzug mit Goldkette und Taschenuhr, der aus einem anderen Jahrhundert zu stammen scheint, und dazu der auffallende rote Schal – ein moderner Pirat.

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Doch es gibt auch eine andere, ebenso prägnante Seite: jene des nüchternen Unternehmers, der hart an seinen Plänen arbeitet. Nikolajsen empfängt in einem Besprechungszimmer von Bitcoin Suisse, der Firma, die er 2013 als Einmannbetrieb in einer Wohnung in Zug startete. Mehr als 240 Mitarbeitende zähle das Unternehmen heute, sagt er stolz.

Der wachsende Betrieb ist im Bürokomplex Grafenau in der Nähe des Zentrums von Zug beheimatet und wirkt wie viele andere Unternehmen auch: eine grosszügige Anmeldung, Büros mit viel Glas. Der Flur endet in einem grossen, offenen Raum, an dessen Wänden grosse Flachbildschirme prangen, welche die Kurse der gängigen Kryptowährungen zeigen.

Der BILANZ-Fotograf, der während des rund zweistündigen Interviews dort sein Fotoequipment bereitmacht, hat Gelegenheit, in Realtime die gigantischen Kursschwankungen mitzuerleben, die an diesem Tag, dem 18. Mai, vor allem nach unten zeigen: Über 2000 Dollar verliert der Bitcoin-Kurs in der kurzen Zeitspanne und pendelt sich um 40'000 Dollar ein.

Enorme Kursschwankungen prägen das Business mit den Kryptowährungen seit eh und je. Am Tag nach dem Interview ging der Markt gar in den freien Fall: Der Bitcoin-Kurs, der im April mit rund 65'000 Dollar den bisherigen Höhepunkt erreicht hatte, sank ab bis auf gegen 30 000 Dollar. Mehrere negative Nachrichten hatten den Kryptowährungen zugesetzt. Zuerst hatte Elon Musk getwittert, seine Firma Tesla akzeptiere fortan keine Bitcoins als Zahlungsmittel mehr, und dann hatte auch noch China neue Restriktionen beschlossen.

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Verlauf Bitcoin-Kurs bis Ende Mai 2021
Bloomberg
Verlauf Bitcoin-Kurs bis Ende Mai 2021
Bloomberg

Nur erahnen lässt sich, wie sich noch deutlich relevantere Nachrichten, etwa die in Kryptokreisen befürchtete Regulierung des Marktes durch die USA, auswirken würden. Viele Finanzprofis bleiben denn auch skeptisch: «Für uns ist Bitcoin kein Teil des Anlageuniversums. Die Schwankungen sind zu gross und zu unberechenbar», sagt etwa Thomas Stucki, CIO der St. Galler Kantonalbank.

Und was macht Nikolajsen? Er postet auf Facebook, er habe die Chance genutzt zuzukaufen. «Weak hands were shaken from the tree», schreibt er, und möge die gezeigte Volatilität für alle Mahnung sein, dass die Preise nicht nur nach oben gehen.

Nikolajsen bringen die Schwankungen nicht aus der Ruhe, zu viel hat er schon erlebt in seiner langen Kryptokarriere. Er glaubt weiter an Bitcoin und geht davon aus, dass sich der Kurs noch verdoppeln wird: «Ob in drei Monaten oder drei Jahren, das weiss ich nicht – aber er wird noch tüchtig steigen.»

Seine ersten Bitcoins kaufte er im Februar 2011, als Kryptowährungen ausserhalb eines kleinen Kreises von Computernerds, in dem auch Nikolajsen verkehrte, noch kaum bekannt waren. Er besorgte sich 1000 Bitcoins zum Preis von je 77 Cent. Die 770 Dollar waren gut investiert – heutiger Wert dieses Startinvestments: je nach Tageskurs rund 30 bis 40 Millionen.

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Bitcoin-Missionar

Nikolajsen hatte Computerwissenschaften in Kopenhagen studiert und war danach als Softwareingenieur bei verschiedenen Unternehmen als Berater tätig. Und er war vom Tag eins an ein geflissentlicher Bitcoin-Missionar. So auch bei der Schweizer Grossbank Credit Suisse, wo er Ende 2011 als Consultant angestellt war. Er fragte, ob er für die Repräsentanten der Vermögensverwaltung mal einen Pitch in Sachen Bitcoin machen dürfe. Das sei zwar alles ganz interessant, liessen ihn die Zuhörer wissen, passe aber vielleicht doch nicht ganz zur Bank.

Aber einer habe ihn im Anschluss gefragt, warum er sich mit seinen Ideen eigentlich nicht selbstständig mache, wenn er doch so fest daran glaube. «Und genau das beschloss ich dann zu tun», sagt er. Dass er schliesslich in Zug landete, sei Zufall gewesen. 30 Wohnungen habe er angeschaut, 29 in Zürich – alles Absagen. In Zug gab es eine Zusage für den Ausländer ohne Anstellung. «Dass Zug auch ein Steuerparadies ist, ist ein Vorteil, der zunächst nicht im Vordergrund stand.»

So startete er Mitte 2013 seine Bitcoin Suisse mit der Hilfe von zwei Studenten in einer kleinen Zweizimmerwohnung. Sein erster Mitarbeiter wurde ein HSG-Student, der eigentlich nach Zug gereist war, um selber Bitcoins zu kaufen. Fabian Hediger heisst er und ist noch heute in zentraler Position als Head Innovation bei der Firma.

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Die Krypto-Szene

Bitcoin Schweiz Arthur Vayloyan, CEO am 24. Oktober 2018 in Luzern.
Luzius Meisser, founder of the Bitcoin Association Switzerland, portrayed in Zurich, Switzerland, on March 13, 2018. (KEYSTONE/Gaetan Bally)Luzius Meisser, Gruender der Bitcoin Association Switzerland, portraitiert am 13. Maerz 2018 in Zuerich. (KEYSTONE/Gaetan Bally)
Roger Studer
Mathias Ruch, Gruender und CEO CV VC
Blythe Masters, chief executive officer of Digital Assets Holdings LLC, poses for a photograph at the Singapore Fintech Conference in Singapore, on Wednesday, Nov. 16, 2016. More than $1 billion of venture capital has been invested into blockchain technology in the past year, said Masters. Photographer: Ore Huiying/Bloomberg
Russian-Canadian programmer Vitalik Buterin, founder and inventor of the Ethereum mining network and software development platform, along with the associated Ether (ETH) cryptocurrency, speaks at a blockchain event in Zug, Switzerland, Friday, July 6, 2018. (KEYSTONE/ Valentin Flauraud)
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Mitstreiter: Arthur Vayloyan ist seit 2017 CEO von Bitcoin Suisse, er hält dem Präsidenten im Tagesgeschäft den Rücken frei.

© KEYSTONE / CHRISTIAN BEUTLER

Er habe im Rahmen von Finanzanlage-Studien an der HSG erstmals von Bitcoin gehört. Es sei damals aber schwierig gewesen, überhaupt zu Bitcoins zu kommen, doch er hatte von «einem seltsamen Russen irgendwo in Zug» gehört (dass Nikolajsen ein dänischer Name ist, realisierte er erst später) und habe um ein Treffen gebeten. Um acht Uhr abends sei der Termin gewesen, erinnert sich Hediger, doch Nikolajsen sei noch an der Arbeit gewesen.

Es wurde ein mehrstündiges, sehr anregendes Gespräch, in dessen Anschluss er nicht nur seine Bitcoins kaufen konnte, sondern auch zur Überzeugung kam, dass der fleissige Start-up-Gründer vielleicht etwas Entlastung brauchen konnte; und so diente er sich als Aushilfsmitarbeiter an.

Auch Nikolajsen erinnert sich gut an das Treffen. Im Industriequartier von Baar habe sein Gast das Büro zuerst nicht gefunden: «Damals hatten wir einen Tisch zwischen dem Eingang und den Toiletten des Gebäudes platziert – das war unser Büro», sagt er lachend.

Hediger lotste noch einen weiteren HSG-Studenten zu Bitcoin Suisse, seinen Kollegen Andrej Majcen, den er von seinem zweiten Studentenjob bei der Securitas her kannte. Auch Majcen ist noch dabei, als Head Client Services ebenfalls in Führungsposition.

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Es waren schwierige erste Jahre. Nach 2013 begann, was man in der Branche den «Kryptowinter» nennt, eine Phase fallender Kurse, steigender Skepsis und desillusionierter Investoren. Erst 2016 setzte Bitcoin zu einem Revival an. In den ersten Jahren, als er und sein Team quasi ohne Lohn arbeiteten, sei es oft hart gewesen. «Unsere Kollegen fragten uns: Warum geht ihr nicht einfach zu einer Bank?», erinnert sich Majcen. Heute stehen sie als Gewinner da. «Man darf eben nie zu früh aufgeben», sagt Nikolajsen.

««Man muss kaufen, wenn alle verkaufen, und verkaufen, wenn alle kaufen.» »

Niklas Nikolajsen

In der Kryptoszene blickt man mit viel Respekt auf Nikolajsen. «Er war wirklich einer der Allerersten, ein echter Pionier», sagt Tech-Investor und Internetunternehmer Marc P. Bernegger, und für Mathias Ruch, Gründer und CEO der Zuger Blockchain-Investmentgesellschaft CV VC, ist der Däne gar «ein Visionär».

Lange bevor das heutige Crypto Valley in Zug entstanden sei, sei er schon hier gewesen. Im Valley, dem Cluster aus Entwicklern für digitale Währungen, Venture-Kapitalisten und Blockchain-Unternehmer, ist der gut vernetzte Pionier für alle ein Ansprechpartner geblieben, ja er gilt als Pate der Szene. Zusammen mit dem jungen Ethereum-Gründer Vitalik Buterin, der seine Zentrale ebenfalls im Crypto Valley hat und dessen Coin heute als Nummer zwei im Kryptogeschäft gilt, ist er auch international bekannt.

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Nikolajsen setzte ab 2017 mit Bitcoin Suisse zu einem Höhenflug an. Kerngeschäft der Firma ist nach wie vor der Handel mit heute über 150 Kryptowährungen. Bitcoin Suisse ist ein wichtiger Player, geht doch ein bedeutender Teil des weltweiten Handels über die Zuger Firma. Das Angebot ist offen für private wie institutionelle Anleger, allerdings liegt der Mindestbetrag für Neukunden bei 100'000 Franken für Privatpersonen und bei 500'000 Franken für Unternehmen.

Weiter zum Geschäft gehören besicherte Darlehen, Staking, und stark an Bedeutung gewonnen hat auch die hochsichere Aufbewahrung von Kryptowährungen in Bunkern im Schweizer Bergmassiv. Nach der Finanzierungsrunde und Kapitalerhöhung vom Sommer 2020 wurde Bitcoin Suisse mit über 300 Millionen Franken bewertet.

Bitcoin Suisse in Zahlen

  • 242 Mitarbeiter zählt Bitcoin Suisse heute.
  • 15 Millionen Franken wies die Firma 2020 an Gewinn aus.
  • 300 Millionen Franken war die Bewertung von Bitcoin Suisse nach der Finanzierungsrunde von 2020.

Doch es gab auch Rückschläge. Bitcoin Suisse wollte ganz offiziell Bank werden, doch das klappte nicht: Im März liess die Finanzaufsicht Finma wissen, dass sie den Antrag für eine Banklizenz derzeit als nicht genehmigungsfähig betrachte. Vor allem Mängel im «Geldwäscherei-Abwehrdispositiv» wurden genannt.

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Die Firma selber räumte ein, dass man angesichts der rasant wachsenden Nachfrage an Kapazitätsgrenzen gestossen sei und das Abwehrdispositiv geprüft werden müsse. Der Verwaltungsrat beschloss, zunächst mal einen Marschhalt einzulegen.

Es wird aber erwogen, künftig ein neues adäquates Gesuch einzureichen. Intransparenz liegt bei Kryptoassets allerdings auch in der Natur der Sache, ist doch gerade die Anonymität eines der prägnantesten Kennzeichen. Ob Bitcoin Suisse aus diesem Dilemma herausfinden wird, bleibt abzuwarten.

Der Bauernsohn

Dass der Däne zum Schweizer Kryptofürsten avancieren würde, war nicht unbedingt vorgespurt. Nikolajsen stammt aus einer Familie von Grossbauern, sein Vater besass einen Hof in Djursland, der grossen Halbinsel im Osten Jütlands. Dort wurde er 1975 geboren, doch einen Grossteil seiner Kindheit verbrachte er in Afrika. Denn sein Vater ging nach Tansania, um im Land die Landwirtschaftslehre zu verbessern. Mehrere Jahre lebte er dort.

Als es nach ein paar Jahren zurück nach Dänemark ging, liessen sich seine Eltern scheiden. Er zog mit seiner Mutter auf die Faröer, wo diese ursprünglich herkam. Auf den wenig besiedelten, wettergepeitschten Inseln – «an gewissen Tagen durfte man, wenn man weniger als 50 Kilo wog, nicht nach draussen, um nicht vom Wind weggeweht zu werden» – sei das Leben für ihn eher einsam gewesen.

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Sowohl in Afrika wie auf den Faröerinseln habe er nur wenige Freunde gehabt. Er sei ein Büchernarr gewesen, Tag und Nacht habe er gelesen und sich hinter seinen Büchern verkrochen: «Ich war ein richtiger kleiner Nerd», sagt er.

Das änderte sich erst, als er für die Mittelschule wieder ins gesellige Dänemark durfte, wo auch seine beiden älteren Schwester studierten. Er wählte zunächst Chemie, wechselte jedoch bald zu den Computerwissenschaften. Probleme aus verschiedenen Bereichen mittels Rechner zu lösen – das hatte für ihn etwas.

Fam. Nikolajsen - BILANZ: weitere Verwendung nur mit Genehmigung von Niklas Nikolajsen. Usage with permission only.

Stolzer Familienvater: Mit seiner Frau Anna-Christine und den beiden Zwillingssöhnchen im seinem Haus in Zug.

Paolo Dutto
Fam. Nikolajsen - BILANZ: weitere Verwendung nur mit Genehmigung von Niklas Nikolajsen. Usage with permission only.

Stolzer Familienvater: Mit seiner Frau Anna-Christine und den beiden Zwillingssöhnchen im seinem Haus in Zug.

Paolo Dutto

Nach der Finanzkrise von 2008/09 gab es vielerorts auf der Welt Strömungen, neue Wege für die offensichtlich gescheiterten Modelle der Finanzwirtschaft zu finden. Nikolajsen war sehr an derlei Themen interessiert und tauschte sich auch auf Plattformen mit gleichgesinnten «Cyberpunks» aus.

In diesem Umfeld sei ihm auch das White Paper von Satoshi Nakamoto, dessen wahre Identität bis heute als unbekannt gilt, unter die Augen gekommen. Das Papier aus dem Jahre 2008 mit dem Titel «Bitcoin: A Peer-to-Peer Electronic Cash System» gilt als Gründungsdokument der virtuellen Währungen.

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Für ihn sei es wie eine Offenbarung gewesen. Dass Kryptowährungen das bestehende Finanzsystem überflüssig machen und die Macht von Banken und Zentralbanken zurück zum einzelnen Individuum lenken könnten, habe seiner Weltanschauung sehr entsprochen.

««Ich habe ein tief verankertes Misstrauen gegen Autoritäten.»»

Niklas Nikolajsen

Nikolajsen sieht sich als fast radikalen Liberalen, die Freiheit des Einzelnen setzt er in Gegensatz zur Macht des Staates und anderer Obrigkeiten, die oft korrumpierten. «Ich habe ein tief verankertes Misstrauen gegen Autoritäten.» Das Rezept der Bitcoin-Gemeinde: Staatsmacht und Zentralismus durch Technologie zu ersetzen.

Er habe auch eine fast instinktive Abneigung gegen Uniformen, sagt er. In Afrika habe er all diese korrupten Uniformträger erlebt. Und Hitler, Mussolini, Stalin – alles Uniformträger, die der Menschheit unsägliches Leid gebracht hätten. «Eine Diktatur kann es nur geben, wenn es eine Obrigkeit gibt: Eine Gruppe von Individuen kann vielleicht einen Street Fight auslösen, aber keinen Krieg und keine Völkervernichtung.»

Radikal liberal

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Bitcoin passt natürlich gut in dieses libertäre politische Weltbild. Denn was sei demokratischer und dezentraler als eine digitale Währung, die auf einem Computercode basiert und deren Überwachung von unzähligen unabhängigen Nutzern geleistet wird, pseudoanonym und mit weltweit nur wenigen Schranken und Restriktionen?

Doch die Wahrnehmung von Bitcoin steht heute unter anderen, deutlich weniger positiven Aspekten. Etwa dem enormen Energieverbrauch, den das Mining, das Schürfen neuer digitaler Coins, verursacht. Die Debatte beruhe im Wesentlichen darauf, ob man den Nutzen von Bitcoin, nämlich digitale Werte dezentralisiert abzubilden, anerkenne.

Energieschleuder Bitcoin

Auf rund 140 Terawattstunden (TWh) schätzt die Universität Cambridge den Strom, den das Bitcoin-Mining weltweit jährlich frisst. Das ist rund doppelt so viel, wie die gesamte Schweiz in einem Jahr an Strom verbraucht. Im Mining müssen mit riesiger Rechenleistung Bitcoin-Transaktionen elektronisch überprüft werden. Als Belohnung lockt der Anreiz, das Bitcoin-Buch fortzuschreiben – mit neuen Bitcoins.

Angesichts des Preises eines einzigen Coin von mehreren zehntausend Dollar kann das eine sehr lukrative Sache sein. Liessen die Bitcoin-Pioniere früher auch mal selber den Computer für ein paar Tage rattern, geschieht das Mining heute vermehrt hochprofessionell und in eigentlichen Mining-Farmen mit riesigen Serveranlagen.

A worker inspects hardware devices as illuminated mining rigs operate inside racks at the CryptoUniverse cryptocurrency mining farm in Nadvoitsy, Russia, on Thursday, March 18, 2021. The rise of Bitcoin and other cryptocurrencies has prompted the greatest push yet among central banks to develop their own digital currencies. Photographer: Andrey Rudakov/Bloomberg

Das Mining, das Schürfen neuer Bitcoins, verbraucht weltweit doppelt so viel Strom wie die gesamte Schweiz (Bild: Mining-Anlage in Russland).

Bloomberg
A worker inspects hardware devices as illuminated mining rigs operate inside racks at the CryptoUniverse cryptocurrency mining farm in Nadvoitsy, Russia, on Thursday, March 18, 2021. The rise of Bitcoin and other cryptocurrencies has prompted the greatest push yet among central banks to develop their own digital currencies. Photographer: Andrey Rudakov/Bloomberg

Das Mining, das Schürfen neuer Bitcoins, verbraucht weltweit doppelt so viel Strom wie die gesamte Schweiz (Bild: Mining-Anlage in Russland).

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Im Sinne der Gewinnmaximierung suchen Schürfer oft jenen Ort, an dem das Mining zu tiefen Kosten vonstattengehen kann. Bereits sind rund zwei Drittel der weltweiten Bitcoin-Rechenleistung in China beheimatet und dort oft in Regionen, die auf billigen Kohlestrom setzen. Manchmal geht das Business auch auf Kosten der lokalen Bevölkerung: Im Iran sorgten stromhungrige Bitcoin-Farmen auch schon für Stromausfälle in Teheran.

In Zeiten der Klimadebatte steht Bitcoin zunehmend schräg in der Landschaft. Auch Tesla-Gründer Elon Musk, der Bitcoin als Zahlungsmittel akzeptieren wollte, musste zurückkrebsen.

Das Problem entschärfe sich mittelfristig automatisch, sagt er, da Schürfer immer die günstigsten Energiequellen anzapfen. Diese würden zunehmend erneuerbar, und die erneuerbaren Energiequellen würden ja auch zunehmend billiger. Das mag stimmen, doch de facto hat sich das Mining stark in Ländern wie China oder Russland ausgebreitet, wo immer noch mit Kohle und anderen Brennstoffen billige Energie erzeugt wird.

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Nicht wegzudiskutieren ist auch, dass viele die von Nikolajsen beschworenen Freiheiten eben auch für illegale Transaktionen nutzen – seit Anbeginn steht Bitcoin im Ruf, für Geldwäscher und Drogenhändler ein Eldorado zu sein, weil die Anonymität des Zahlungsverkehrs keine Kontrolle zulässt. So soll auch das Lösegeld bei der jüngsten Cyberattacke gegen die amerikanische Colonial Pipeline in Bitcoin bezahlt worden sein.

Ökonomieprofessor Jörg Bibow vom englischen Skidmore College nennt Bitcoin gar einen «Rückschritt in die monetäre Steinzeit». Für Kryptowährungen als Zahlungsmittel lasse sich «keinerlei Wohlfahrtsgewinn ausmachen, zumindest nicht für legitime Zwecke». Als Zahlungsmittel seien sie untauglich, weil viel zu volatil, als Finanzprodukt nur für Spekulation interessant und angesichts des immensen Energieverbrauchs auch eine Naturkatastrophe: «Ich kann da keine positiven Aspekte finden.» Nikolajsen stellt Nachteile auch gar nicht in Abrede, doch für ihn, der Freiheit über alles stellt, schwingen die positiven Aspekte klar obenauf: «Ich glaube, dass eine Welt mit Bitcoin eine bessere ist als ohne.»

Seine Welt ist auf jeden Fall besser geworden. Denn er hatte im grossen Auf und Ab der Kryptobörsen meist ein gutes Händchen. «Man muss kaufen, wenn alle verkaufen, und verkaufen, wenn alle kaufen.» Im «Kryptowinter» von 2013 bis 2016 stockte er auf. Nach dem ersten Boom von 2016/17 cashte er ein. Branchenkenner schätzen das heutige Vermögen von Nikolajsen auf mehrere hundert Millionen Franken. Er will dazu keine Stellung nehmen. Nur so viel: «Milliardär, wie manchmal geschrieben wird, bin ich nicht.»

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Der Reichtum von Nikolajsen weckt Begehrlichkeiten. Doch der lukrativste Teil der Bitcoin-Story ist wohl schon vorbei. Konnten Anleger wie Nikolajsen ihren Einsatz noch mit Überzeugung und Mut vertausendfachen, ist das bei den heutigen Kursniveaus selbst nach dem jüngsten Abverkauf kaum noch vorstellbar. Viele Finanzexperten gehen davon aus, dass der jetzige Hype ähnlich wie der letzte von 2017 nach einigen Monaten wieder verpufft. Immerhin ist er jetzt breiter abgestützt.

Waren 2017 viele Kleinanleger im Rennen, steigen derzeit immer mehr institutionelle Anleger ein, und selbst etablierte Player bauen die Anlageform heute wie selbstverständlich ein. Etwa die Zürcher Traditionsbank Maerki Baumann: «Aus unserer Sicht macht es Sinn, einen kleinen Teil eines diversifizierten Portfolios in Kryptowährungen zu investieren», sagt CEO Stephan Zwahlen. Schon kleine Anteile von 1 bis 2 Prozent machen in Depots in Sachen Performance häufig einen grossen Unterschied.

Nikolajsen hat seine Schäfchen längst im Trockenen und gönnt sich nebst den Bentleys auch sonst einiges. So sponsert er im heimatlichen Dänemark den Eishockeyclub Rungsted, das Stadion heisst seit Ende 2017 «Bitcoin Arena». 2018 kaufte er ein herrschaftliches Schloss am Ufer des Zugersees. St. Karlshof oder Salesianum heisst die geschichtsträchtige Immobilie, 1750 gebaut. 18  Millionen blätterte er als Kaufpreis hin, weitere 35  Millionen kommen für die derzeitigen Renovationsarbeiten hinzu.

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Im Zuge seines Einzugs in den Palast will er auch seinen Namen ändern. «Ich habe beantragt, dass ich meinen Namen in Niklas von Karlshof ändern darf», sagt er. Derzeit klären die Behörden ab, ob das zulässig sei. Einer der Knackpunkte: Der neue Name darf nach Gesetz nicht anmassend sein. Will sich hier etwa einer indirekt den Anschein des Adels geben?

Keineswegs, betont Nikolajsen. Ein «von» im Namen sei in Dänemark eine reine Herkunftsbezeichnung, in ganz Europa seien nur fünf Prozent aller Von-Namen mit einem Adelstitel verbunden. Für ihn sei es Zeichen der Identifikation mit dem neuen Wohnort, der notabene nach der Renovation in Teilen für die Öffentlichkeit zugänglich bleiben soll.

St. Karlshof / Salesianum: BILANZ: weitere Verwendung nur mit Genehmigung von Niklas Nikolajsen. Usage with permission only.

2018 kaufte er ein Zuger Wahrzeichen: den St. Karlshof. Das Schloss wird derzeit restauriert.

Paolo Dutto
St. Karlshof / Salesianum: BILANZ: weitere Verwendung nur mit Genehmigung von Niklas Nikolajsen. Usage with permission only.

2018 kaufte er ein Zuger Wahrzeichen: den St. Karlshof. Das Schloss wird derzeit restauriert.

Paolo Dutto

Eingerichtet wie ein Fürst hat er sich aber bereits. Seine Hobbys und Leidenschaften sollen im neuen Zuhause Unterschlupf finden, seine Kollektion historischer Goldmünzen oder auch seine Waffensammlung. Prunkstück seien zwei alte Duellier-Pistolen, die einst Giacomo Casanova gehört haben sollen.

Vor allem will er den St. Karlshof aber zum neuen Heim für seine Familie machen. Seine Frau Anna-Christine Cath Nikolajsen stammt ebenfalls aus Dänemark. Er kennt sie seit 2006, doch zu einem Paar seien sie erst nach einem Wiedersehen 2015 geworden. Im Mai 2019 kamen die Zwillingssöhne Niels-Anthony und Niels-Axel zur Welt. Per Ende Jahr will Nikolajsen für sich und seine Familie die Schweizer Staatsbürgerschaft beantragen – dann ist die Frist von zehn Jahren, die man in Zug gelebt haben muss, erfüllt.

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Macht er, der Firmengründer und Schlossbesitzer, sich damit endgültig zum Teil des Establishments? Er denkt lange nach und sagt dann: «Ich bin sicher Teil des Krypto-Establishments, des althergebrachten Finanzestablishments wohl nicht.»

«Seine ersten 1000 Bitcoins kaufte er für 77 Cent das Stück. Heutiger Wert: Über 30 Millionen. »

Niklas Nikolajsen

Er räumt aber ein, dass gerade dieser Zweig für sein Unternehmen immer wichtiger werden dürfte. Nicht zuletzt darum habe er sich mit Leuten umgeben, die diese Welt besser kennen. Arthur Vayloyan etwa, als Ex-Topmann der Credit Suisse eigentlich ein klassischer Schweizer Private Banker. Seit 2017 kümmert er sich als CEO um das Tagesgeschäft und ist im Duo mit Nikolajsen auch für die Strategie zuständig. Als Präsident betreut Nikolajsen auch weiterhin persönlich grosse Kunden.

Rebellische Grundhaltung

Gut möglich allerdings, dass sich die Kryptowelt und die althergebrachte Finanzindustrie in Zukunft ohnehin immer mehr annähern. Laut Bloomberg soll die lange zögerliche Grossbank UBS jetzt doch beschlossen haben, Kryptowährungen anzubieten. Man behalte die Entwicklung im Auge, liess die UBS den Nachrichtendienst wissen. Drohte J.P.-Morgan-Chef Jamie Dimon Mitarbeitern, die sich für Bitcoins interessierten, vor Jahren mit der Kündigung, bringt sein Haus nun einen Kryptofonds heraus. Und die CS hat jüngst mit Blythe Masters die britische Kryptokönigin in ihren Verwaltungsrat geholt.

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Nikolajsen selber findet keinen Gegensatz zwischen seiner immer noch rebellischen Grundhaltung und der Realität seines Luxuslebens mit Edelkarossen, Motorboot, Schloss und teuren Weinen: «Wenn ich unsere wachsende Zahl von reichen Privatkunden wirklich verstehen will, muss ich schliesslich auch ihren Way of Life verstehen – dann können wir uns auf Augenhöhe austauschen.» Er steigt in seinen Bentley ein, checkt noch kurz sein Smartphone und lässt sich dann von seinem Chauffeur davonkutschieren.

Über die Autoren
Erik Nolmans

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