Guten Tag,
ABB kassiert sein wichtigstes Nachhaltigkeitsziel – gegen den Willen von CEO Rosengren. Bei der Tochter fliegen vor dem IPO die Topmanager.
Fehlstart: Mit dem ersten Jahresbericht zog die neue Sustainability-Chefin Karin Lepasoon gleich den Unmut von CEO Björn Rosengren auf sich.
PDWerbung
Es war Björn Rosengrens wichtigstes Nachhaltigkeitsziel: Mantramässig wiederholte er seit Amtsantritt sein Ziel, den ABB-Kunden zu helfen, bis 2030 100 Megatonnen CO2 einzusparen, vergleichbar mit dem Ausstoss von 30 Millionen Autos – zuletzt im CEO-Letter des Nachhaltigkeitsberichts 2021.
Im jüngsten CEO-Letter ist davon nichts mehr zu lesen. Dafür steht an anderer Stelle des Sustainability Reports 2022 nun schamhaft, dass die Methodik «überprüft» werde. Hintergrund seien neue Standards und Empfehlungen des World Business Council for Sustainable Development. Seither führt ABB die 100-Megatonnen-CO2-Reduktion bei den Kunden nicht mehr als hartes «Target» (Ziel), sondern als butterweiche «Aspiration» (Bestreben). «Das ist eine vorübergehende Situation», sagt Karin Lepasoon, neue Nachhaltigkeitschefin und Konzernleitungsmitglied. Sie soll, so hört man, die Herabstufung eigenmächtig veranlasst haben. Als CEO Björn Rosengren davon erfuhr, soll er sehr laut geworden sein. Zurücknehmen aber konnte er die Änderung trotz aller Bemühungen nicht mehr, zu seinem grossen Unmut: Die Wirtschaftsprüfer von KPMG hatten den Jahresbericht bereits abgesegnet.
Werbung
Es war ein holpriger Start für Lepasoon nach oben. Aber auch gegen unten machte sie sich in ihren ersten Amtsmonaten wenig beliebt. Die Schwedin räumte in der ihr ebenfalls unterstellten Kommunikationsabteilung auf und stellte von den fünf an sie rapportierenden Abteilungsleitern gleich vier auf die Strasse. Lediglich Pressesprecher Eike Christian Meuter überlebte das Gemetzel und wurde zum Head of Media Relations & Crisis Communication befördert.
Krisenkommunikation könnten sie an einer ganz anderen Stelle im Konzern ebenfalls brauchen: Denn auch bei der Tochter E-mobility rumpelt es. Das Geschäft mit Ladestationen für Elektroautos sollte eigentlich an die Börse gehen, wegen der schlechten Kapitalmarktstimmung ist das IPO derzeit jedoch on hold. Stattdessen wurden 525 Millionen Franken bei privaten Investoren platziert. «Wir halten an unserer Strategie fest, unser E-Mobility-Geschäft separat an die Börse zu bringen, sofern die Marktbedingungen konstruktiv sind», versicherte Rosengren im Februar.
Werbung
Da wundert es umso mehr, dass zuvor noch mal die Führungsetage durchgeputzt wird. Zunächst wurde Ende März der langjährige CEO Frank Mühlon vor die Wahl gestellt, zu gehen oder eine neue Rolle zu akzeptieren. Er entschied sich für Zweiteres und fungierte fortan als Chief Commercial Officer. Die operative Leitung übernahm bis auf weiteres VR-Präsident Michael Halbherr, einer der vier Privatinvestoren in ABB E-Mobility. Nur drei Wochen später musste Mühlon ABB ganz verlassen – mit sofortiger Wirkung. Kommuniziert wurde dieser Schritt nicht, anders als der gleichzeitige Abgang von Finanzchef Alex Hall. Warum die beiden per sofort ihre Büros räumen mussten, ist nicht bekannt, ABB-interne Quellen berichten aber davon, dass die beiden dafür verantwortlich gemacht wurden, dass E-Mobility die Ziele deutlich verfehlt habe. Neuer Finanzchef ist Andreas Wenzel. Der ehemalige Bain-Berater gilt eigentlich nicht als Mann der Zahlen, arbeitete er zuvor doch als Leiter der Bereiche Strategie, Corporate Development und M&A.
Werbung
Werbung