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Energie

Unter Strom: Das Machtnetz um Axpo-Chef Christoph Brand 

Axpo-Chef Christoph Brand steht wegen des Milliardenkredits vom Bund in der Kritik. In die Zukunft blickt er aber optimistisch.

Bastian Heiniger

Interview mit Axpo CEO Christoph Brand.

NEOLIBERAL Axpo-Chef Christoph Brand orientiert sein Handeln an Vordenkern wie Hayek, von Mises, Friedman und Rothbard.

Thomas Meier / Blick

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Da schwingt eine gehörige Portion Ironie mit. Im Büro von Axpo-Chef Christoph Brand steht ein Bild mit den neoliberalen Vordenkern von Hayek, von Mises, Friedman und Rothbard. An ihnen orientiert Brand gerne sein Handeln. Dass er nun in Bundesbern antraben und die hohle Hand machen musste, dürfte ihn besonders schmerzen.

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Seither steht er in der Kritik: Das Management habe den Liquiditätsbedarf falsch eingeschätzt und zu viel Risiko auf sich genommen, sich verspekuliert. Das sieht Brand umgekehrt: Der Bedarf eines potenziellen Kredits von vier Milliarden Franken kommt nämlich nicht von spekulativen Geschäften im internationalen Stromhandel. Er kommt vom Hedging des schweizerischen Energiegeschäfts – dem mehrjährigen Absichern der Preise für den Strom, den Axpo mit ihren Kraftwerken produziert.

«Wir haben Risiko herausgenommen und uns gegen sinkende Preise geschützt und damit Profit-Potenzial geopfert», sagt Brand. «Dass sich die Strompreise in kurzer Zeit verzehnfachten und wir deshalb temporär hohe Sicherheiten hinterlegen mussten, hätte niemand vorhersehen können.» Rücktrittsforderungen schlägt er deshalb in den Wind. Das Absichern der Preise ist für Axpo keine neue Strategie, und bis vor Kurzem ging sie auf. Künftig dürfte der Konzern sogar stark profitieren, wenn die Preise langfristig hoch bleiben. Gefahr droht nun vor allem aus Bern. Die Chancen stehen derzeit gut für Politiker, welche die Regulierungen für Stromkonzerne hochfahren wollen.

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Die Mitstreiter

Der Axpo-Chef kann auf die Hilfe des Bundesrats zählen: Finanzminister Ueli Maurer machte die Prüfung für den geforderten Rettungsschirm, und Energieministerin Simonetta Sommaruga erklärte auf allen Kanälen, warum der Bund einspringt und seine Schatulle öffnet, falls es nötig wird. Der russische Gaslieferstopp, der Ausfall von französischen AKWs und kriegsbedingte Unsicherheiten hätten zu den extremen Verwerfungen geführt, sagte sie und ergänzte: «So hohe Preissprünge wie jetzt hat es in Europa noch nie gegeben.»

Die PR-Abteilung von Axpo hätte es nicht besser hinbekommen: Die Schuld liegt nicht beim Konzern, impliziert Sommaruga. Unterstützung bekommt Brand auch von manchen Kantonen. Während der Zuger Finanzdirektor Heinz Tännler Kritik äussert (siehe «Gegenspieler»), bekommt Brand öffentliche Rückendeckung von den beiden grössten kantonalen Aktionären. Der Aargauer Regierungsrat Stephan Attiger betonte, dass sich der Markt zuungunsten der Axpo entwickelt habe, und auch der Zürcher Regierungsrat Martin Neukom sagte, dass es sich um ein europäisches Problem handle.

Simonetta Sommaruga, Martin Neukom, Antje Kanngiesser (v.l.).

MITSTREITER Simonetta Sommaruga, Martin Neukom, Antje Kanngiesser (v.l.).

keystone-sda.ch
Simonetta Sommaruga, Martin Neukom, Antje Kanngiesser (v.l.).

MITSTREITER Simonetta Sommaruga, Martin Neukom, Antje Kanngiesser (v.l.).

keystone-sda.ch

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Ein Branchenproblem also, und so würde Brand selbst denn auch Alpiq-Chefin Antje Kanngiesser und den neuen BKW-Chef Robert Itschner als Mitspieler werten. «Der Markt ist genug gross, und wir kämpfen mit denselben Problemen», sagt Brand. Betrachtet man die reine Stromproduktion, ist Axpo jedoch mit Abstand der grösste Hersteller. Und das sieht Brand denn auch als Hauptgrund, weshalb Axpo nun stärker in die Bredouille geraten ist.

Die Familie

Heute lebt Christoph Brand mit seiner Frau Rahel, einer Zahnärztin, und seinen beiden Söhnen im schulpflichtigen Alter in der Region Zürich. Geboren ist er 1969 jedoch in Bern, wo er als Einzelkind in einem bildungsbürgerlichen Haushalt aufwuchs. Sein Vater war Doktor der Zoologie und arbeitete als Lehrer, seine Mutter war zuletzt in der Verwaltung der Schule für Gestaltung Bern tätig.

Über zu viel Freizeit dürfte sich Brand besonders aktuell nicht beklagen. Dafür stehe er am Morgen gerne auf für die Arbeit: «Wir dürfen schliesslich eine wichtige Arbeit leisten, indem wir die Bevölkerung mit Strom versorgen und an der Energiewende mitarbeiten», sagt Brand, der seit acht Jahren Elektroauto fährt und sein Haus mit Solarpanels und anderen smarten Gadgets stets optimiert.

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Die Karriere

Wer in Christoph Brands LinkedIn-Profil die Rubrik «Berufserfahrung» öffnet, muss weit runterscrollen, bis er zum ersten Posten gelangt. 1991 stieg er als Projektmanager bei Ascom ein, später wechselte er zu Swisscom, bis er 1998 als 29-Jähriger den Chefposten bei der Tochter Bluewin antrat. Seine vorherigen Jobs machte er teils neben seinem Studium der Betriebswirtschaft an der Universität Bern. Dort lernte er etwa beim Wirtschaftsinformatiker Joachim Griese und beim bereits verstorbenen Professor für Personal und Organisation Norbert Thom.

In seiner Zeit bei Swisscom, wo er mehrere Posten innehatte, machte er Bekanntschaft mit den ehemaligen Konzernchefs Tony Reis, Jens Alder und Carsten Schloter. Nach dem geplatzten Eircom-Deal verliess er den Staatskonzern in Richtung Sunrise und übernahm für viereinhalb Jahre den Chefposten. Als schliesslich die Weko die Fusion mit Orange verhinderte, kehrte er der Branche den Rücken: Avaloq-CEO Francisco Fernandez holte ihn als Chef zum Versicherungssoftware-Hersteller Adcubum.

Jens Alder, Francisco Fernandez, Christoph Tonini (v.l.).

KARRIERE Jens Alder, Francisco Fernandez, Christoph Tonini (v.l.).

PD
Jens Alder, Francisco Fernandez, Christoph Tonini (v.l.).

KARRIERE Jens Alder, Francisco Fernandez, Christoph Tonini (v.l.).

PD

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Lange blieb er indes nicht. Kaum zwei Jahre später wechselte er zu Tamedia und übernahm von Christoph Tonini, der zum CEO aufstieg, die Leitung der nichtpublizistischen digitalen Angebote.

Die Com-Connection

Eine wichtige Rolle in Brands Karriere spielte stets Jens Alder. Erst als Swisscom-Chef, später bei Sunrise, und bis Ende letzten Jahres war Alder als Alpiq-VRP quasi ein Sparringspartner. Zu tun hat Brand heute noch mit Adrian Bult, der den Verwaltungsrat des Stromnetzbetreibers Swissgrid präsidiert und mit dem er einst in der Swisscom-Geschäftsleitung sass.

Adrian Bult, Thomas Sieber, Pietro Supino (v.l.).

COM-CONNECTION Adrian Bult, Thomas Sieber, Pietro Supino (v.l.).

Keystone
Adrian Bult, Thomas Sieber, Pietro Supino (v.l.).

COM-CONNECTION Adrian Bult, Thomas Sieber, Pietro Supino (v.l.).

Keystone

Den Axpo-VRP Thomas Sieber wiederum kennt er noch von seiner Zeit bei Sunrise. Als Brand im Mai 2020 den CEO-Posten antrat, löste er Sieber ab, der den Konzern damals interimistisch auch operativ führte. Davor hatte Brand den Bereich Markets des Medienkonzerns TX Group geleitet. Noch heute hält er guten Kontakt zum TX-Group-Chef Pietro Supino.

Die Gegenspieler

Die Blochers scheinen Brand nicht sehr wohlgesinnt. Als er 2005 bei der Swisscom als Chief Strategy Officer die irische Eircom kaufen wollte, trat der damalige Justizminister Christoph Blocher auf die Bremse und sorgte für einen Rückschlag für Brand, der ein Jahr später zu Sunrise wechselte. Nun bekam Brand von SVP-Nationalrätin und Ems-Chefin Magdalena Martullo-Blocher eins gegen das Schienbein: Im «Blick» sprach sie vom «Spekulations-Casino», das Axpo fast das Genick gebrochen habe – dank dem Rettungsschirm könne Axpo nun auf Staatskosten weiterspekulieren.

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Magdalena Martullo-Blocher, Nationalraetin SVP-GR, portraitiert am 10. Dezember 2019 in Bern. (KEYSTONE/Alessandro della Valle)

GEGENSPIELERIN Magdalena Martullo-Blocher.

Keystone
Magdalena Martullo-Blocher, Nationalraetin SVP-GR, portraitiert am 10. Dezember 2019 in Bern. (KEYSTONE/Alessandro della Valle)

GEGENSPIELERIN Magdalena Martullo-Blocher.

Keystone

Kritik äussert auch der Zuger Finanzdirektor Heinz Tännler, Vertreter des kleinsten Axpo-Aktionärs, des Kantons Zugs. Er fordert einen unabhängigen Bericht, auch müsse Axpo Transparenz schaffen, wie stark man im Eigenhandel oder im Termingeschäft aktiv war. Überraschend aus liberaler Sicht ist ferner die Forderung des FDP-Präsidenten Thierry Burkart: «Langfristig müssen allfällige Gewinne aufgrund hoher Strompreise an die Stromkonsumenten weitergegeben werden», schrieb er auf Twitter. Eine Abschöpfung von Übergewinnen also.

In die Quere kommt Brand aber auch FDP-Mann Kurt Fluri, der als Präsident der Stiftung Landschaftsschutz gewisse Projekte bremst.

 

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