Guten Tag,
Obwohl Gewinn und Kurs schwächeln, bleibt bei Vontobel ein echter Neuanfang aus.
Zeno Staub gibt seinen CEO-Posten auf, um im Herbst für den Nationalrat zu kandidieren.
Gian Marco Castelberg für RASCHWerbung
Die Meldung kam aus heiterem Himmel: Am 24. Mai überraschte Vontobel mit der Ankündigung, ihr langjähriger CEO Zeno Staub (54) trete per Frühling 2024 zurück. Grund: Er werde als Kandidat für Die Mitte bei den Nationalratswahlen im Herbst kandidieren.
Nicht nur der Zeitpunkt der Ankündigung – fast ein Jahr vor dem Abgang – sorgte für Stirnrunzeln, sondern auch die Tatsache, dass das Investmenthaus keinen Nachfolger präsentieren konnte. Denn Staub hatte, wie er in einem Interview mit der «Finanz und Wirtschaft» jüngst selbst bestätigte, mit seinem Präsidenten Andreas Utermann schon bei dessen Amtsantritt 2022 «einen groben Zeithorizont» vereinbart. Doch als sich Zeno Staub für die mit der Mitte-Partei verbundene Arbeitsgemeinschaft Wirtschaft und Gesellschaft (AWG) des Kantons Zürich auf die Liste setzen liess, überschlugen sich die Ereignisse plötzlich. «Dass Die Mitte in einem solch breiten Kreis kommunizieren musste, das war uns so nicht bewusst und daher auch nicht in unserer Langfristplanung», räumt Maja Baumann, Vertreterin der Eigentümerfamilie ein (siehe auch Interview auf den vorangehenden Seiten). Es drohten Leaks, die Meldung vom Rücktritt des CEO musste subito raus.
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Die Märkte reagierten zunächst verunsichert, der Kurs der Vontobel-Aktien gab an diesem Tag um fünf Prozent nach. Doch bald wichen die Zweifel in und ausserhalb der Bank dem Gefühl, mit dem Abgang von Staub, der 22 Jahre bei der Bank ist, davon 12 als CEO, ergebe sich die Chance für einen Neuaufbruch.
Dies umso mehr, als die lange so erfolgreiche Bank zuletzt eher lethargisch wirkte. Die einstige Gewinnmaschine stottert, der Vorsteuergewinn sank im Jahr 2022 um über 40 Prozent, von 467 auf 267 Millionen Franken. Rückläufig war auch das der Bank anvertraute Neugeld. Auch im – zugegebenermassen weiterhin durch Marktunsicherheiten belasteten – ersten Quartal des laufenden Jahres nahm das Netto-Neugeld weiter ab, geprägt durch einen Dämpfer in der einstigen Vorzeigesparte Asset Management.
Dabei hatte die Bank doch im Dezember 2019 noch die grosse Neupositionierung verkündet und sich konsequent als reines Buyside-Investmenthaus ausgerichtet (seither wird man von Vontobel-Leuten stets mahnend korrigiert, wenn man ihr Unternehmen nach wie vor Bank statt Investmenthaus nennt).
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Andreas Utermann, seit April 2022 Präsident von Vontobel, setzt auf Beständigkeit.
BloombergAndreas Utermann, seit April 2022 Präsident von Vontobel, setzt auf Beständigkeit.
BloombergDie Börse verfiel in der Folge nicht ins Jubeln, im Gegenteil: Der Aktienkurs von Vontobel liegt im Dreijahresvergleich um 16 Prozent im Minus, im 52-Wochen-Vergleich ist es gar ein Rückgang um 23 Prozent. Doch ob der anstehende CEO-Wechsel nun wirklich für neuen Schub sorgen wird, bleibt abzuwarten. Euphorie ist keine ausgebrochen, der Kurs hat noch weiter nachgegeben. Auffallend ist, wie stark Vontobel auf Kontinuität setzt. Denn Staub geht der Bank nicht wirklich verloren: 2025 soll er – nach einer Cooling-off-Periode von einem Jahr – in den Verwaltungsrat gewählt werden.
Damit ergibt sich die Situation, dass der ehemalige CEO seinem Nachfolger oder seiner Nachfolgerin als Verwaltungsrat weiter auf die Finger schauen darf: nicht eben eine gute Voraussetzung für ein befreites Aufarbeiten. Umso weniger, als Staub und Utermann in einem gemeinsamen Interview im Intranet die Message verkünden, es solle alles bitte so weitergehen wie bisher: «Die Notwendigkeit für grundlegende Änderungen sehen der Verwaltungsrat und ich nicht», so Utermann, höchstens «feinjustieren» sei angesagt.
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Doch nicht nur für den kommenden CEO ist diese Konstellation problematisch, auch der Verwaltungsratspräsident selber muss aufpassen, dass seine Position im Rat künftig nicht abgeschwächt wird. Angesichts der Dominanz, die Staub als CEO in den letzten Jahren geltend machte, und seines ausgeprägten Selbstbewusstseins ist die Gefahr gross, dass er zu einer Art Schattenpräsident wird. Gut möglich nämlich, dass sich bei komplizierten Traktanden jeweils alle VR-Augen reflexartig zunächst nicht auf den Präsidenten, sondern auf Staub richten werden, der bei der Bank jede Schraube kennt. Immerhin: Utermann kann auch mit einem guten Rucksack aufwarten, er ist ein Finanzprofi, war lange bei Allianz Global Investors. Nicht für einen Neuaufbruch spricht die Tatsache, dass bei der Nachfolgesuche offenbar eine interne Lösung bevorzugt wird. Dies jedenfalls war laut dem Branchenportal Finews die Message, die Utermann jüngst an einem Mediengespräch in Lausanne verkündete.
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Über mögliche interne Kandidaten wird in der Branche schon spekuliert. Als mögliche Nachfolger gelten etwa die derzeitige Investmentchefin Christel Rendu de Lint (50) und Finanzchef Thomas Heinzl (53). Aber auch Georg Schubiger (55), dem lange nur eine Aussenseiterrolle zugebilligt wurde, soll reelle Chancen haben, vor allem weil sich sein Bereich Wealth Management zuletzt besser entwickelt hat als das Asset Management. Dass Utermann am Mediengespräch auch betonte, bei gleichwertigen Kandidaten werde eine Frau bevorzugt, spricht allerdings eher für Rendu de Lint.
Staub selber droht derweil angesichts seines so früh angekündigten Rücktritts eine lange Phase als «Lame Duck». Dass er noch irgendwelche Veränderungen anstossen wird, ist wenig wahrscheinlich, zumal er seine Energie wohl verstärkt auf den kommenden Wahlkampf richten wird. Die Nomination ist für ihn nicht ohne Risiko, ist eine Wahl doch nicht garantiert. Immerhin hat Staub mit den Parteiverantwortlichen der Mitte gute Konditionen für sich ausgehandelt. Er darf im Herbst auf dem ersten Listenplatz der AWG des Kantons Zürich antreten, wo er inzwischen auch das Präsidium übernommen hat. Laut Eingeweihten war Die Mitte gerne bereit, Staub einen guten Listenplatz anzubieten, will die Partei mit dem Bankprofi doch ihre Wirtschaftskompetenz gezielt stärken.
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Zeno Staub, Familienvater, Sohn eines Schulhausabwarts aus der Ostschweiz und ein Mann ohne Allüren, verkörpert zudem gut die traditionellen Werte der Mitte, hat er sich doch trotz langer Bankerkarriere Bodenständigkeit bewahrt. Dass er aufgrund des offenen Bildungswesens in diesem Land – er studierte an der HSG Ökonomie – seinen Weg machen konnte, zeige die Stärken der Schweiz, sagt er: «Ich glaube, es ist an der Zeit, dem Land und den Menschen in der Schweiz etwas von dem zurückzugeben, was sie mir ermöglicht haben», begründet er im Intranet seinen Wechsel in die Politik.
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