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Nach dem Tod ihres Mannes übernimmt Ariane de Rothschild das Zepter bei der Familienbank. Warum der grosse Namen Chance und Last zugleich ist.
Vollblut-Bankerin, vom Trading Floor in New York bis ins Präsidium der Genfer Bank: Ariane de Rothschild.
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In der Mitteilung an die Belegschaft war die Trauer der Witwe zu spüren: Ariane de Rothschild bedankte sich für die grosse Unterstützung, die sie erleben durfte, liess wissen, dass die Übergabe der Führung der Gruppe sichergestellt sei, und bat ihre Mitarbeiter, sich weiter im besten Interesse der Kunden für die Bank einzusetzen.
Am 15. Januar war ihr Mann, Benjamin de Rothschild, Präsident der Edmond de Rothschild Holding, an einem Herzinfarkt gestorben. Er war erst 57 Jahre alt. Der Vater ihrer vier Töchter starb zu Hause, im Château de Pregny, dem Sitz der Familie in Chambésy etwas ausserhalb von Genf. Begraben wurde er auf dem Jüdischen Friedhof in Genf, sehr kurz nach seinem Tod, wie dies in der jüdischen Religion üblich ist. Der Tod Benjamins sei für alle überraschend gekommen, es habe keine gesundheitlichen Probleme gegeben, die darauf hingedeutet hätten, sagen Vertraute der Familie.
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Nun lastet die Verantwortung für das Unternehmen gänzlich auf den Schultern von Ariane. Sie werde als Verwaltungsratspräsidentin der Familienholding die Nachfolgerin, teilte die Edmond de Rothschild Groupe mit und sprach der Ehefrau und den Töchter ihr aufrichtiges Beileid aus.
Bislang amtete Ariane de Rothschild an der Seite ihres Mannes als Vizepräsidentin. Die Bank Edmond de Rothschild S.A., Kern der Holding, leitet sie bereits seit 2015. Die 55-Jährige ist eine geschulte Bankerin – so gesehen dürfte die Weitergabe der Verantwortung organisatorisch wohl ohne Probleme vonstattengehen. Dennoch sorgte ihre Berufung für Aufsehen – denn das hatte es in der über 200-jährigen Geschichte der Bankiersfamilie Rothschild noch nie gegeben: eine Frau an der Spitze.
Die Rothschilds sind die berühmteste Bankiersfamilie der Welt. Der Ursprung des Clans liegt im Frankfurter Ghetto, wo die Stammväter im 18. Jahrhundert den Grundstein für das heute über ganz Europa verteilte Bankenimperium legten. Stammvater Mayer Amschel Rothschild hatte bei seinem Tod 1812 im Testament verfügt, dass alle Schlüsselpositionen mit Familienmitgliedern zu besetzen seien und dass an Geschäften ausschliesslich männliche Familienmitglieder teilnehmen dürften. Dessen fünf Söhne haben zwar in Ländern wie Frankreich, Grossbritannien oder Italien eigene Zweige gegründet, und es hat in der Folge auch Frauen mit gewissen Führungsaufgaben im Umfeld des Unternehmens gegeben, doch im Grundsatz hielt man sich stets an diese Verfügung – an der obersten Spitze einer der Banken der fünf Zweige stand noch nie eine Frau.
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Aus der Bank ist zu vernehmen, dies sei zwar in der Tat eine Tradition, aber keine verbindliche Regel. Ein Tabubruch ist es alleweil. Ariane de Rothschild selber soll schon vorher dazu eine klare Meinung vertreten haben, heisst es in ihrem Umfeld: Derlei Vorgaben hätten längst ausgedient, Führung sei weder eine Frage des Geschlechts noch des Namens.
Nach dem Tod ihres Mannes hat Ariane de Rothschild auch das Präsidium der Edmond de Rothschild Holding übernommen. Die Bank selber führte sie bereits.
Aimée HovingNach dem Tod ihres Mannes hat Ariane de Rothschild auch das Präsidium der Edmond de Rothschild Holding übernommen. Die Bank selber führte sie bereits.
Aimée HovingEs ist nicht das erste und wird wohl auch nicht das letzte Mal sein, dass Ariane de Rothschild für Irritation im Clan sorgt. Denn die Bankerin ist ein Wirbelwind, voller Energie und Ideen und nicht auf den Mund gefallen. 2015 trat die Banque Edmond de Rothschild einen Streit mit anderen Vertretern aus dem Clan um die Rechte am Namen Rothschild los. Die Verwandten von Benjamin um David de Rothschild aus Paris, ebenfalls aus dem französischen Zweig der Gründersöhne und mit ihrer Bank Rothschild auch in der Schweiz tätig, würden den Namen Rothschild missbräuchlich verwenden, kritisierte Ariane. Der Streit zwischen den «Cousin»-Banken endete damit, dass beide Banken den Namen Rothschild nur mit einem Zusatz verwenden dürfen. Es war eine Duftmarke, die Ariane setzte und mit der sie klarmachte, dass mit ihr auf jeden Fall zu rechnen ist.
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Der Vorteil von Ariane bei alledem ist, dass sie mehr ist als einfach nur die Gattin eines Herrn mit Namen Rothschild. Sie ist selber ursprünglich Bankerin – und eine verdammt gute, wenn man Leute fragt, die mit ihr zu tun hatten. Sie schaffte aus eigener Kraft und lange vor ihrer Heirat mit Benjamin eine Karriere im Banking, und dies erst noch in einem der härtesten Bereiche der Branche – dem Aktienhandel.
In New York City war das, in den späten achtziger Jahren, als Ariane Langner, die Tochter eines deutschen Vaters und einer französischen Mutter, in der Stadt für ihr Studium an der Pace University auf dem Trading Floor beim amerikanischen Ableger der französischen Bank Société Générale anfing – knapp 21-jährig und als eine von nur zwei Frauen unter 80 Tradern. Es war die Zeit des Börsenhypes, wo sich die vor Testosteron platzenden Trader nicht nur als Masters of the Universe sahen, sondern auch ein etwas anderes Verständnis von Political Correctness hatten als heute. Sich in dieser Zeit als Frau erfolgreich in diesem Sektor zu behaupten, war nicht einfach. Die anderen Händler nannten sie «Frenchy», und wenn sie mal einen beigefarbenen statt einen schwarzen Jupe trug, gab es Kommentare, erzählte sie vor ein paar Jahren in einem Interview mit «Le Temps». Doch sie soll gut Contra gegeben haben, wird erzählt, hatte immer einen passenden Spruch auf Lager, und in der Arbeit selber verschaffte sie sich durch Leistung schnell den nötigen Respekt: «Ich liebte es, dass beim Traden alle gleich waren.»
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Ariane hat eine Weltoffenheit und erfrischende Unkompliziertheit, die wohl auch durch ihre Kindheit geprägt wurde. Geboren wurde sie am 14. November 1965 in San Salvador. Ihr Vater war ein Topmanager beim deutschen Pharmakonzern Hoechst und wurde von einem Land ins nächste beordert. So verbrachte Ariane ihre Kindheit als eine Art Globetrotterin: Sie lebte in Bangladesh, Mosambik, Zaire – kaum länger als fünf Jahre an einem Ort. Die afrikanische Lebensart hat sie bis heute geprägt. Es gebe viel Armut, aber da sei auch diese Lebensfreude, «man lacht viel, man witzelt, man hat diese Wärme um sich», hat sie einmal gesagt. «Weisst du was, wir haben alle Probleme, gut und schlecht, aber es ist eine Frage der Grundhaltung dem Leben gegenüber.» Es ist diese Leichtigkeit, die sie sich bis heute bewahren konnte.
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Auf den Trading Floors in New York schlug sie sich gut, und so warb sie der US-Versicherungsgigant AIG ab, wo sie ebenfalls Karriere machte. 1993 wurde sie für AIG nach Paris beordert. Für Ariane im doppelten Sinn eine wichtige Weichenstellung, denn in Paris lernte sie ihren späteren Gatten kennen.
Lebemann: Am 15. Januar starb Benjamin de Rothschild erst 57-jährig an einem Herzinfarkt. Er verfolgte viele Interessen ausserhalb der Bank, etwa als Gründer des Profi-Segelteams Gitana.
Laif/AFPLebemann: Am 15. Januar starb Benjamin de Rothschild erst 57-jährig an einem Herzinfarkt. Er verfolgte viele Interessen ausserhalb der Bank, etwa als Gründer des Profi-Segelteams Gitana.
Laif/AFPIn einem Restaurant in der Nähe des Louvre war es, sie hatte ein Business-Meeting mit einem ihren Klienten von der Bank Edmond de Rothschild aus Genf. Es würde gerne noch ein weiterer Vertreter der Bank am Essen teilnehmen, liess ihr Kunde sie wissen. Und dann kam er, auf dem Motorrad, die Jeans schlammbefleckt – Benjamin de Rothschild, einziger Sohn des Bankbesitzers, 31 Jahre alt. Sie habe sich sofort in den Typ mit den schmutzigen Jeans verliebt, wird sie viele Jahre später der Zeitschrift «Vanity Fair» verraten. Auch bei ihm muss es sofort gefunkt haben: Er liess ihr einen Strauss Rosen ins Büro schicken und bat um ein Rendez-vous.
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Sie sagte zu und besuchte ihn in der noblen Residenz an der Rue de l’Élysée. Sie fand ihren Verehrer im Keller vor, in der Unterhose, eine Kerze in der Hand, vor der Schalttafel mit den Sicherungen. Gut, sei sie da, sagte er, er habe keinen Strom und zudem habe man ihm den Führerschein entzogen – ob sie vielleicht ins Restaurant fahren könne.
Hier der wilde, draufgängerische und charmante Milliardärssohn, dort die attraktive, geistreiche und freche Bankerin – ein tolles Paar, sagen Leute, die die beiden zusammen erlebt haben.
Bald präsentiert Benjamin seine neue Gefährtin dem Vater, der wie er selber ein grosser Segelfan ist. So findet das erste Treffen vor der westindischen Insel Saint-Barthélemy auf einem 18-Meter-Rennboot statt. Sie habe reichlich Bammel gehabt vor dem Treffen mit ihrem Schwiegervater in spe, vor allem weil er als Mann alter Schule galt. Doch bald findet man eine Gemeinsamkeit: Beide sind Frühaufsteher.
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1997 stirbt Edmond de Rothschild, und Benjamin und Ariane ziehen von Paris in die Schweiz. Benjamin, der einzige Sohn, folgt dem Ruf der Verantwortung und übernimmt die Funktionen des Vaters bei der Bank, wie es die Tradition vorschreibt. «Ich wusste es, seit ich vier Jahre alt war – ich war das einzige Kind, es war immer klar, und ich bin dafür ausgebildet worden.»
1999 heiraten Benjamin und Ariane, die Braut ist im achten Monat schwanger. Die zweite Tochter, Alice, wird 1999 geboren. Schon 1995 war Noémie geboren, Eve (2000) und Olivia (2002) sollten folgen.
Das Interesse von Benjamin am Bankgeschäft bleibt aber irgendwie lau. Für manch anderes schlägt sein Herz, und auf das will er nicht verzichten: Wie der Vater segelt er, er sammelt teure Autos und geht gerne in Afrika auf die Grosswildjagd. So delegiert er das Tagesgeschäft an CEOs, die von ausserhalb der Familie kommen, und konzentriert sich vornehmlich auf die grossen strategischen Fragen im Rahmen seiner Rolle als Chairman der Edmond de Rothschild Holding.
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Ariane darf sich in jenen Jahren, nebst ihrer Rolle als Mutter, um jene Sachen im Familienbesitz kümmern, die nicht Bank-Geschäft sind, wie etwa das Weingeschäft, die Kunstsammlung oder die vielfältigen philanthropischen Aktivitäten. Doch die ehemalige Bankerin gibt sich damit auf die Dauer nicht zufrieden. Sie will sich auch im Kernbereich, der Bank selber, engagieren.
Lange führt sie ihre Aktivitäten von zu Hause aus, doch mit den Kindern um sich herum ist das nicht immer einfach. So bittet sie in der Bank um ein Büro für sich und ihre Assistentin. Zu ihrer Überraschung wird das Gesuch von der Bankführung abgelehnt – es habe leider keinen Platz. Dass sie die Gattin des Besitzers ist, spielt keine Rolle. Sie insistiert, und so gewähren ihr die Herren an der Spitze der Bank schliesslich ein Büro, allerdings im wenig repräsentativen zweiten Stock statt in der Führungsetage im vierten. Um ihre Zielstrebigkeit zu beweisen, sei sie jeden Tag ins Büro gekommen, auch wenn sie nichts zu tun gehabt habe, erzählt sie später in einem Interview. Nach neun Monaten haben die Herren den Wink verstanden – sie darf in ein Büro in der Teppichetage im vierten Stock einziehen.
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Nach und nach übernimmt sie erste Funktionen im Bankenreich ihres Gatten, 2008 kommt sie in den Verwaltungsrat des stark gewachsenen Unternehmens. Es ist die Zeit der Finanzkrise, die Branche wankt gehörig, und das Wissen der ehemaligen Traderin kann auch für die Privatbank von Nutzen sein. Bald beginnt für die Schweizer Banken aber die eigentliche Herausforderung – das Ende des Bankgeheimnisses. Der Druck aus dem Ausland nimmt zu, und das lange so bewährte Geschäftsmodell mit der Steuerflucht hat ausgedient.
CEO der Bank war zu jener Zeit Claude Messulam, ein souveräner Banker, der die Banque Edmond de Rothschild seit 1996 erfolgreich geführt hatte. Doch er war auch ein Mann der Vergangenheit, und für die Schweiz war im Banking eine neue Ära eingeläutet worden. So ersetzten Benjamin und Ariane ihn 2012 durch eine frische Kraft: den damals 50-jährigen Christophe de Backer, der von der Bank HSBC France kam. Er begann, die Bank den modernen Erfordernissen anzupassen. Doch er hatte einen schweren Stand, denn Vorgänger Messulam hatte grosse Fussstapfen hinterlassen, und de Backer stiess intern auf Widerstand. Er schaffte es nicht richtig, in der Bank eine eigene Gefolgschaft aufzubauen. «Wir nannten de Backer intern nur ‹Debakel›», erinnert sich ein enger Mitarbeiter.
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Schwiegermutter im Nacken: Das Verhältnis zu Nadine de Rothschild gilt als angespannt.
AFPStattlicher Familiensitz: Im Schloss Pregny bei Genf (Gebäude oben) residiert die Familie.
Alamy Stock PhotoAriane de Rothschild mit Noémie, der ältesten ihrer vier Töchter, an einem Anlass.
Dukas2015 wurde er abgelöst. Nachfolger war eine Nachfolgerin: Ariane de Rothschild. «Ich habe meine Frau Ariane de Rothschild gebeten, die Gruppe als Präsidentin des Executive Committee zu leiten. Ich bin überzeugt, dass sie alle persönlichen und professionellen Qualitäten hat, die nötigen Veränderungen vorzunehmen, um unsere Gruppe noch moderner, dynamischer und erfolgreicher zu machen», liess Benjamin de Rothschild in einer Mitteilung wissen. Ariane war damit in zentraler Rolle in ihren Job als Bankerin zurückgekehrt, der Kreis hatte sich geschlossen.
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Es waren schwierige Zeiten, die Margen im Private Banking waren unter Druck, und da war noch der heftige Streit mit den Rothschild-Cousins um die Namensrechte. Ariane liess sich nicht beirren und zeigte von Tag eins an, dass sie keine Galionsfigur, sondern Chefin ist. «Sie war angenehm und freundlich, aber auch ziemlich resolut», sagt einer, der sie an Geschäftsmeetings und Generalversammlungen erlebt hat. Die Generalversammlungen der Banque Edmond de Rothschild fanden jeweils im prächtigen Stammsitz der Familie statt, dem 1858 erbauten Château de Pregny.
Über 90 Prozent der Aktien waren in Familienbesitz, der Streubesitz betrug nur knapp 6 Prozent, und so war die Zahl der familienfremden Aktionäre klein. Nicht einmal 150 Personen nahmen jeweils an den Generalversammlungen teil, doch jene, die es taten, wurden aufs Beste bewirtet. Es gab jeweils ein Essen, und die edlen Weine aus dem Familienbesitz wurden aufgetischt. Benjamin leitete als Präsident die Generalversammlung, doch auch Ariane war jeweils anwesend. Teilnehmer dieser Anlässe erinnern sich an eine charmante Gastgeberin, die sich in diesem Umfeld sichtlich wohlfühlte. «Sie lachte, witzelte, plauderte mal mit diesem, mal mit jenem, eine sehr sympathische und zugängliche Frau», sagt einer, der Gast im Château war. Auch Benjamin habe sich unter die Leute gemischt, «ein vifer Typ, voller Geschichten, voller Humor», erinnert sich einer der Teilnehmer.
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Die Aktienstruktur indes machte nicht wirklich Sinn, gehörte die Bank de facto doch der Familie fast allein, und der geringe Streubesitz machte die Aktie illiquid. So wurde sie 2019 im Rahmen eines Going-private von der Börse genommen. Um sich vom Tagesgeschäft zu entlasten, machte Ariane zudem den bisherigen Frankreich-Chef Vincent Taupin zu ihrem CEO und zog sich auf den Posten der Chairwoman der Bank zurück.
Ariane und die vier Töchter besitzen heute zusammen rund zwei Drittel an der Firma, doch gewichtige Pakete liegen auch bei anderen Familienmitgliedern. So besitzt die 88-jährige Mutter von Benjamin, Nadine de Rothschild, 16,9 Prozent, ebenso wie Benjamins Halbschwester Camillia, die einer ausserehelichen Beziehung des Vaters Edmond de Rothschild entstammt.
Teammitglied Cynthia Tobiano ist als Finanzchefin und stellvertretende CEO die rechte Hand von Ariane de Rothschild.
ZVGTeammitglied Sabine Rabald ist als COO die operative Drehscheibe der Bank.
ZVGTeammitglied Vincent Taupin ist seit 2019 als CEO für das Tagesgeschäft zuständig. Er war vorher Frankreich-Chef.
ZVGRivale Alexandre de Rothschild ist Vertreter des Zweigs, der die Konkurrenzbank Rothschild & Co. betreibt.
BloombergRivale Laurent Gagnebin ist seit 2016 Geschäftsführer der Bank Rothschild & Co. in Zürich.
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Das Verhältnis zwischen Ariane und ihrer Schwiegermutter sei belastet, wie ein enger Bekannter aus dem Umfeld von Nadine de Rothschild bestätigt. Die Hintergründe seien ihm nicht bekannt, im Umfeld der Familie werde aber vermutet, es sei im Grunde ein Konkurrenzverhältnis zwischen Gattin und Schwiegermutter, wie es oft vorkommt.
Die Kreuzbeteiligungen mit anderen Rothschild-Banken bestehen indes nicht mehr, sie wurden 2018 nach der Regelung des Namensstreits aufgelöst. Rothschild & Co. ist in der Schweiz weiter sehr aktiv, der Zweig steht heute unter Führung von Alexandre de Rothschild, als CEO des «Cousin»-Ablegers in der Schweiz amtet Laurent Gagnebin, Sohn des ehemaligen UBS-Topbankers Georges Gagnebin.
Wie es strategisch mit der Bank Edmond de Rothschild nun weitergeht, ist offen. Die Bank weist 173 Milliarden Franken an verwalteten Vermögen aus, was sie zu einem mittelgrossen Player macht. Gerade solche aber sind strategisch gefordert, denn die Kosten nehmen wegen der Compliance-Vorschriften zu, während die Einnahmen nicht mehr so üppig fliessen wie zu Zeiten des Bankgeheimnisses. Fürs Geschäftsjahr 2019 wies die Bank einen Gewinn von 44 Millionen Franken aus, 2018 waren es noch 222 Millionen – allerdings vor allem dank Sondereinnahmen. Der Bruttobetriebsgewinn stieg 2019 sogar noch leicht an. Laut Cynthia Tobiano, Finanzchefin und stellvertretende CEO, geht die Bank für das Gesamtjahr 2020 wieder von einem etwas höheren Gewinn aus. «Vor allem das Private Banking hatte ein sehr gutes Jahr.»
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Um das Geschäft auszuweiten, hat die Bank in der Vergangenheit verschiedene kleinere Akquisitionen getätigt, auch im Bereich Real Estate, wo man weiterwachsen will, so Tobiano. Die Gruppe weise ein Überschusskapital von rund 600 Millionen Franken aus, insgesamt stehe der Bank eine Kriegskasse von rund einer Milliarde zur Verfügung. Man sehe sich als aktiver Player im Konsolidierungsprozess der Branche und bleibe bei Zukäufen dran.
Zum ganz grossen Schritt, einem Merger, ist es bisher nicht gekommen, doch Branchenkenner schliessen einen solchen nicht aus. Letztes Jahr gab es Gerüchte, Edmond de Rothschild wolle sich mit der Zürcher Privatbank Julius Bär zusammentun.
Gut vernetzt: 2015 mit der Schauspielerin Natalie Portman und deren Gatten Benjamin Millepied.
Getty ImagesWie die anderen Rothschild-Zweige ist auch der Genfer Ableger im Weingeschäft tätig: das familieneigene Gut Château Clarke im Bordelais.
wilsondaniels.comTraditionsbank: Hauptsitz der Bank Edmond de Rothschild in Genf.
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Insider bei Bär bestätigen, dass es tatsächlich solche Gespräche gegeben hat. Diese seien aber im Sand verlaufen. Knackpunkte waren offenbar der Preis, das Zusammenpassen einzelner Teile, die Frage der Benutzung des Namens Rothschild und Fragen der Führung. Die Gespräche seien abgebrochen worden, dass sie unter den neuen Umständen wiederaufgenommen würden, sei möglich, aber sehr unwahrscheinlich. Die nötige Grösse hätte eine Bär-Rothschild sicher gehabt – zusammengezählt verwalten die beiden Banken über 600 Milliarden Franken an Kundenvermögen.
Dass solche Gespräche überhaupt stattgefunden haben, zeigt, dass die Banque Edmond de Rothschild ihren zukünftigen Platz noch sucht. Für Ariane ist die Aufgabe nicht leichter geworden, denn Benjamin war zwar im Tagesgeschäft nicht sehr aktiv, in den grossen strategischen Fragen aber engagiert. Nun muss Ariane solche Fragen ohne ihren Gatten an der Seite lösen.
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Derzeit ist die Familie immer noch in tiefer Trauer, auch ein Gespräch oder ein Treffen von BILANZ mit Ariane de Rothschild konnte nicht stattfinden. Für die Witwe wird der weitere Weg nicht einfach sein, denn die Erwartungen sind ebenso gross, wie es die Herausforderungen sind.
Die Bank sei gut auf Kurs, sagt Finanzchefin Tobiano, unmittelbarer Handlungsbedarf besteht also nicht. Doch nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern auch in der weit verzweigten Rothschild-Familie sind nun alle Augen auf Ariane gerichtet. Als sie bei der Bank ankam, habe man vom Unternehmen von einer «schlafenden Schönheit» gesprochen, hat sie in einem Interview einmal gesagt. Ihr Eindruck: Die Bank braucht eine Dynamisierung, man müsse den Rhythmus erhöhen. Es ist der energetischen Frau zuzutrauen, dass sie es schafft. Es wäre auch ein Signal an die weitere Rothschild-Familie, dass 200 Jahre nach den Tagen von Mayer Amschel Rothschild endgültig eine neue Zeit angebrochen ist.
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Die Rothschilds sind die berühmteste Bankiersfamilie der Welt. An der Judengasse in Frankfurt, wo ihre Vorfahren lebten, gab es keine Hausnummern, sondern verschiedenfarbige Schilder. Das Haus der Familie hatte ein rotes Schild – dort wohnten die «Rot(h)schilds». Begründer des Bankgeschäfts war Mayer Amschel Rothschild (1744–1812), der sich als Münz- und Wechselhändler betätigte. Seine fünf Söhne expandierten nach London, Paris, Wien und Neapel.
Ihre Beziehungen zu den Mächtigen in der Welt bilden bis heute Stoff für wirre Verschwörungstheorien. Von den fünf Zweigen sind heute der Londoner Ableger unter den Nachfahren von Nathan Mayer Rothschild (1777–1836) sowie der Pariser Zweig unter den Nachfahren von James de Rothschild (1792–1868) die prägendsten. Edmond de Rothschild, der Vater von Benjamin, entstammt diesem Zweig.
Gründungsort des Bankenimperiums: Judengasse, Frankfurt, ca. 1868 (l.). Edmond de Rothschild und Gattin Nadine 1969 auf dem Weg zu einer Réception im Élysée-Palast.
Wikimedia/AFPGründungsort des Bankenimperiums: Judengasse, Frankfurt, ca. 1868 (l.). Edmond de Rothschild und Gattin Nadine 1969 auf dem Weg zu einer Réception im Élysée-Palast.
Wikimedia/AFPEs gibt noch heute mehrere Banken mit dem Namen Rothschild. Die wichtigsten sind Rothschild & Co., die Finanzholding für die englischen und französischen Zweige mit 3600 Mitarbeitern, die nicht nur im Wealth Management, sondern auch im Corporate und im Merchant Banking stark ist, sowie die vor allem auf Private Banking und das Asset Management fokussierte Edmond de Rothschild Group mit 2600 Mitarbeitern.
Der Schweizer Seitenzweig entstand, nachdem Benjamins Grossvater Maurice im Zweiten Weltkrieg aus Frankreich hatte fliehen müssen. Die Zweige konkurrenzieren sich teilweise offen, so betreibt Rothschild & Co. die ebenfalls aufs Private Banking spezialisierte Rothschild & Co. Bank AG, Zürich.
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