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Paukenschlag bei ABB: Die Hintergründe zur Trennung von Spiesshofer

ABB-Chef Ulrich Spiesshofer geht. Der Entscheid sei am Dienstagabend an der VR-Sitzung gefallen, sagt Interimschef Peter Voser.

ARCHIVBILD --- ZUM RUECKTRITT PER SOFORT VON ABB CEO ULRICH SPIESSHOFER STELLEN WIR IHNEN FOLGENDES BILDMATERIAL ZUR VERFUEGUNG --- Ulrich Spiesshofer, CEO of ABB, speaks during a press conference about the divestment of ABBs power grid division to the Japanese company Hitachi, on Monday, December 17, 2018, in Zurich, Switzerland. Under the terms of the agreement, ABB will receive 7.6 to 7.8 billion US dollars for 80 percent of its grid business. (KEYSTONE/Ennio Leanza).

Gibt sein Amt auf: ABB-Chef Ulrich Spiesshofer.

© KEYSTONE / ENNIO LEANZA

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Bei ABB kommt es zum Éclat. Überraschend kündigte das Unternehmen den sofortigen Abgang von CEO Ulrich Spiesshofer an. Interimistisch übernimmt VR-Präsident Peter Voser das Ruder.

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Wer gedacht hat, dass ABB nach der Ankündigung des von widerspenstigen Aktionären geforderten Verkaufs der Stromnetzsparte zur Ruhe kommt, sieht sich eines Besseren belehrt. Der Druck auf den seit 2013 amtierenden und immer wieder kritisierten CEO Ulrich Spiesshofer blieb offenbar zu hoch.

Zuletzt forderte Artisan Partners eine weitere Aufspaltung des Konzerns. Der neue Grossaktionär aus den USA hatte erst vergangene Woche einen Anteil von über 3 Prozent an ABB offengelegt.

So wurde am Mittwoch die sofortige Trennung von Spiesshofer verkündet. Interimistisch übernimmt VR-Präsident Peter Voser die Leitung des Industriegiganten, der sich mit der laufenden Abspaltung der Stromsparte oder auch der Auflösung der bestehenden Matrixstruktur einmal mehr in einer Umbruch- und damit in einer schwierigen Phase befindet.

Überraschender Zeitpunkt

Der Zeitpunkt für diesen Schritt ist insofern überraschend, als erst vor wenigen Monaten der von verschiedenen Aktionären geforderte Verkauf der Stromnetzsparte in die Wege geleitet wurde, wogegen sich Spiesshofer und der Verwaltungsrat zuvor lange gewehrt hatten. Eine Demission zum damaligen Zeitpunkt hätte wohl weniger irritiert.

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Aber Voser musste wohl handeln. Er wollte an einer Telefonkonferenz für die Trennung keine konkreten Gründe nennen und diese auch nicht mit den mageren Resultaten in der Vergangenheit in Verbindung bringen. Und dass dahinter Druck von Aktionären stehe, verneinte er ebenfalls. Aber es ging am Schluss schnell: «Der Entscheid fiel an der Verwaltungsratssitzung gestern Abend», sagte Voser.

Spiesshofer stand schon lange in der Kritik

Spiesshofer, der 14 Jahre in der Konzernleitung sass und seit über 5 Jahren als CEO agierte, stand seit längerer Zeit in der Kritik. Vorgeworfen wurde ihm seitens der Aktionäre insbesondere das bescheidene Wachstum der vergangenen Jahre, nicht zuletzt angesichts einer gut laufenden Konjunktur.

Der stetige Vertrauensverlust in den ABB-Lenker zeigte sich auch in der mageren Entwicklung des Aktienkurses. Die heutige Ankündigung liess den Aktienkurs dafür um gut 6 Prozent anziehen.

Bei der Würdigung der Arbeit Spiesshofers muss auch erwähnt werden, dass er seit Beginn seiner Ära als CEO mehr oder weniger ständig mit Umbauarbeiten am Konzern beschäftigt war, dies mit dem Ziel, den Konzern von einem Industrieunternehmen hin zu einem auf digitale Technologien spezialisierten Dienstleister umzuformen. Die Suche nach der richtigen Aufstellung von ABB schien ein permanenter Prozess. Und dabei kam Spiesshofer auch noch der Grossaktionär Cevian Partners in die Quere, welcher bereits 2015 die Abspaltung des Stromgeschäfts forderte.

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ABB: Endspiel für Konzernchef Spiesshofer

Die Ära Spiesshofer geht nicht aus heiterem Himmel zu Ende, wie «Bilanz»-Redaktor Marc Kowalsky bereits hier aufzeigte.

Neuer Chef steht noch nicht bereit

Dies führte zu einer einjährigen strategischen Überprüfung der Stromnetzsparte. An deren Ende kam Spiesshofer zusammen mit dem Verwaltungsrat zum Schluss, dass an dieser festgehalten werde. Diese Überzeugung hielt allerdings nicht lange. Ende 2018 folgte auch der Meinungsumschwung bei ABB, wobei verschiedene Kommentatoren dies auch als Einknicken von ABB bezeichneten.

Mit dem Verkauf des Stromnetzgeschäfts an Hitachi kündigte ABB im Dezember auch die Aufgabe der komplizierten Matrix-Struktur an. Somit befindet sich das Unternehmen erneut in einer Phase der Neuausrichtung. Und dafür braucht es nun offenbar einen neuen Chef.

Ein solcher muss allerdings erst gefunden werden. Die gesuchte Person muss laut Voser über eine strategische Gesamtsicht auf den Industriesektor sowie über Erfahrungen in der Neuausrichtung von Firmen verfügen.

Voser ist seit 2015 Präsident von ABB. Er war früher auch schon Finanzchef, wechselte dann aber zum Energiekonzern Royal Dutch Shell, den er von 2009 bis 2013 leitete.

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Zahlen rückten in den Hintergrund

Die Zahlen zum ersten Quartal, welche ABB am Mittwoch zwei Wochen früher als geplant ebenfalls veröffentlicht hatte, blieben etwas im Hintergrund. Voser zeigte sich damit einigermassen zufrieden und Finanzchef Timo Ihamuotila verwies auf die Abschwächung in einigen Märkten von ABB und bezeichnete das Wachstum von Umsatz und Auftragseingang in diesem Licht als «solid».

Konkret legte der Umsatz auf vergleichbarer Basis um 4 Prozent auf 6,85 Milliarden US-Dollar und der Auftragseingang um 3 Prozent auf 7,61 Milliarden zu. Die Profitabilität wurde durch die Integration der von General Electric übernommenen Sparte Industrial Solutions (GEIS) und weitere Kosten belastet. Der operative Gewinn (EBITA) nahm zwar um 2 Prozent auf 766 Millionen Dollar zu, die entsprechende Marge sank allerdings um einen halben Prozentpunkt auf 11,2 Prozent. Der Reingewinn lag mit 535 Millionen um 6 Prozent unter dem Vorjahresquartal.

Im Ausblick blieb ABB wie üblich vage. Ihamuotila stellte für das Gesamtjahr 2019 immerhin eine gegenüber dem Vorjahr verbesserte operative Marge (EBITA) in Aussicht, welche aber weiterhin von der Integration der Sparte Industrial Solutions von General Electric belastet sein werde.

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(awp/tdr)

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