Guten Tag,
Stephan Winkelmann über lautlose Sportwagen, unerwünschte Kunden und das magische Dreieck.
Der Deutsche Stephan Winkelmann übernahm Ende 2020 zum zweiten Mal das Steuer beim italienischen Sportwagenbauer Lamborghini.
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Motor Valley wird die Gegend in der Emilia-Romagna genannt: Man findet hier den Rennkurs von Imola, Ferrari hat den Hauptsitz in Maranello, Maserati in Modena, Pagani in San Cesario, es gibt zahllose Dienstleister und Zulieferer. An Ducati kommt vorbei, wer sich von Bologna ins Nirgendwo nach Sant’Agata Bolognese zu Lamborghini durchschlägt. Hier montieren auf 200 000 Quadratmetern 3000 Mitarbeiter rund 60 Sportwagen pro Tag – fast ausschliesslich in Handarbeit. CEO Stephan Winkelmann, gebürtiger Deutscher, trägt die typische italienische Alta Moda – und rund ein Dutzend Armbändchen, sein Markenzeichen.
Nicht ich, hoffentlich!
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Der Markt der Supersportwagen und Super-SUVs ist ja ziemlich klein mit weltweit 120'000 Fahrzeugen. Davon haben wir neun bis zehn Prozent Anteil. Es gibt immer mehr Leute, die schon in jungen Jahren genügend Geld zur Verfügung haben, sich so ein Fahrzeug zu leisten. Es gibt also noch Chancen, die Volumen zu steigern, ohne die Visibilität zu erhöhen. Das magische Dreieck ist, weniger zu verkaufen, als Nachfrage besteht, auf der anderen Seite dafür zu sorgen, dass die Autos einen hohen Restwert behalten, und das Ganze bei einem hohen Ertrag, um die Investitionen in die Zukunft finanzieren zu können.
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Stephan Winkelmann (60) begann seine Karriere nach dem Studium in Rom und München beim Finanzdienstleister MLP, wechselte nach zwei Jahren zu Mercedes in den Vertrieb. Ab 1994 arbeitete er sich in der Fiat Group in Führungspositionen hoch, auch als Schweiz-Chef. 2005 wechselte er zu Lamborghini und sorgte dort mit ikonischen neuen Modellen für starkes Wachstum. 2016 wechselte er konzernintern zu Audi Sport, 2018 übernahm er Bugatti. 2020 kehrte er zu Lamborghini zurück.
Nein, weil für den Konzern die Unabhängigkeit der Marke ein hohes Gut ist. Jede Marke ist verantwortlich für das betriebswirtschaftliche Ergebnis. Jede Marke hat eine Entwicklungsabteilung, hat eine Produktion und hat einen Vertrieb. Wir ziehen natürlich Nutzen aus dem Konzern, können aber sehr autonom agieren.
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Wachstumsmöglichkeiten gibt es überall, weil die Marke sehr attraktiv ist. Heute beträgt die Wartezeit für ein Auto von uns im Schnitt anderthalb Jahre. Wir sind bereits von zwei auf drei Modelle gestiegen und nun dabei, ein viertes, rein elektrisches Modell zu entwickeln. Für solche strategischen Entscheide brauchen wir dann natürlich grünes Licht vom Konzern.
Weil wir glauben, dass es bei der Elektrifizierung nicht wichtig ist, der Erste zu sein, sondern erfolgreich zu sein. Wir wollten dann kommen, wenn der Markt reif ist, und in diesem Moment der Beste sein. Deswegen haben wir weiterhin einen V12-Motor bei unserem Topmodell Revuelto, der aber ein Hybrid ist und eine bessere Leistung bringt als die Generation davor, bei weniger CO2-Emissionen. Und das hat der Kunde nicht nur verstanden, sondern auch vollkommen akzeptiert. Die Verkaufszahlen geben uns da recht.
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Am Hauptsitz in Sant’Agata Bolognese befindet sich auch das Firmenmuseum.
Paolo Dutto für BILANZHier mit dem ersten Modell 350 GT (1964, links) und dem Miura (1966), der die Firma berühmt machte.
Paolo Dutto für BILANZWir haben das neu adjustiert: Ende des Jahrzehnts.
Es ist eine Reaktion auf die Abflachung der Akzeptanz der Elektrofahrzeuge. Die sehen wir auch im Segment von Lamborghini. Wir müssen nicht heute entscheiden, wir haben noch etwas Zeit, um zu sehen, ob die Technologie, die Infrastruktur und auch die weltweite Gesetzgebung so weit ist. Und natürlich auch die Akzeptanz unserer Kunden.
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Es gibt Gesetze, an die wir uns halten müssen. Wir haben als Kleinserienhersteller ein Abkommen mit der Europäischen Union für die nächsten Jahre, wie wir die CO2-Emissionen reduzieren. Dort sind wir im Plan. Aber es geht ja nicht nur um Europa, wir verkaufen weltweit. Und unsere Kunden stehen mit beiden Beinen im Leben und wissen, was vor sich geht. Daher glaube ich schon, dass es von unserer Seite eine Verantwortung gibt, vor der Welle zu schwimmen und nicht einfach zu warten, bis sie uns überrollt. Wir sind hier in Sant’Agata etwa schon seit 2015 CO2-neutral, obwohl wir seitdem die bebaute Fläche, die Produktion und die Anzahl Mitarbeiter mehr als verdoppelt haben. Wir arbeiten auch am Thema synthetische Kraftstoffe.
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Wir sind da proaktiv. Bevor sie fragen, geben wir schon die Antwort.
Das Modell 350 GT aus dem Jahr 1964.
Paolo Dutto für BILANZDas Modell 350 GT aus dem Jahr 1964.
Paolo Dutto für BILANZDa haben Sie recht, der Sound ist ein Riesenthema. Deswegen lassen wir uns auch genügend Zeit. Wir müssen einen Einklang haben zwischen dem, was die Gesetzgebung verlangt, was die technischen Möglichkeiten sind und was die Akzeptanz der neuen Generation Kunden ist. Und wenn es diesen Einklang nicht gibt, dann müssen wir es halt noch mal verschieben.
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Elektrische Fahrzeuge können sehr emotional sein. Wir haben schon zig Versuche gestartet. Wir wissen, was die Technologie in Zukunft bringen kann. Das einzige offene Thema ist der Sound. Alles andere kann man gleich oder besser machen.
Die Emotionen sind absolut notwendig, weil wir nicht Mobilität verkaufen, sondern Träume. Wir haben eine Mannschaft, die sehr an den Fahrzeugen hängt, die mit Herzblut dabei ist und die deswegen auch sehr einfach zu motivieren ist. Auf der anderen Seite muss man natürlich viel Disziplin mitbringen, damit man nicht nur vom Herzen getragen wird, sondern auch die betriebswirtschaftlichen Ziele erreicht.
erwirtschaftete Lamborghini 2024 – ein Rekordjahr. In den letzten zehn Jahren wurden Umsatz und Fahrzeugmenge verdreifacht.
beträgt die operative Marge – und ist damit eine der höchsten der Branche.
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Weiss ich nicht. Ich bin ja in Berlin geboren und in Rom aufgewachsen, aber ganz generell braucht es Disziplin im Berufsleben, wenn die Dinge nicht aus dem Ruder laufen sollen. Und die hat nichts mit Nationalitäten zu tun. Die erste Führungsebene hier besteht grossmehrheitlich aus Italienern. Und selbstverständlich können die von Haus nicht nur emotional, sondern auch diszipliniert sein.
Das geschieht alles in Lizenz. Umsatzmässig ist das für uns gering, aber ja, es ist ein gutes Zubrot.
Diese Zahlen geben wir nicht raus. Grundsatz ist, dass man auf Augenhöhe agiert, dass es unsere Sichtbarkeit erhöht und betriebswirtschaftlich Sinn macht.
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★ Bergsteigen oder Fallschirmspringen? Ich war Reserveoffizier bei den Fallschirmtruppen, also Zweiteres.
★ Rom oder Berlin? Ich bin zwar in Berlin geboren, aber in Rom aufgewachsen, und Rom gefällt mir als Stadt besser.
★ Barolo oder Brunello di Montalcino? Beide gut.
★ Rolex oder Patek Philipp? Patek hat einige Uhren, die mir sehr gut gefallen, und ist als Marke vielleicht noch exklusiver.
★ Friedrich Merz oder Giorgia Meloni? Zu politischen Themen äussere ich mich nicht.
★ Bentley oder Bugatti? Ich möchte keine Marke vor die andere stellen, aber ich habe nicht bei Bentley gearbeitet, bei Bugatti hingegen schon. Also Bugatti.
★ Maserati oder Ferrari? Das sind zwei ganz verschiedene Marken in unterschiedlichen Segmenten, die kann man nicht vergleichen.
Nein, wir überspannen das nicht. Es gibt etwa eine Partnerschaft bei Uhren, konkret mit Roger Dubois, aber auf denen steht nicht Lamborghini drauf.
Weil sich nach einer gewissen Zeit bestimmte Themen erübrigen, und dann braucht man halt auch wieder neue Ideen. Das war mit Blancpain so. Die entschieden damals, mehr ins Thema Meere zu gehen.
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Unsere zwei Supersportwagen, Revuelto und Temerario, sind hundertprozentige Eigenentwicklungen von Lamborghini. Und der Erfolg des Urus zeigt, wie sehr auch dort die Lamborghini-DNA durchgeschlagen hat. Wenn der Konzern uns die Möglichkeit gibt, bessere Qualität oder günstigere Einkaufspreise zu erzielen, dann ist uns das willkommen, solange es nicht die DNA der Marke beeinträchtigt.
Drei Modellreihen hat Lamborghini derzeit. Alle paar Jahre wird eine ausgetauscht.
Paolo Dutto für BILANZDrei Modellreihen hat Lamborghini derzeit. Alle paar Jahre wird eine ausgetauscht.
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Das wäre weit über unseren Möglichkeiten. Wir haben nur ein sehr kleines Rennteam von ungefähr 60 Mitarbeitern für tiefere Rennserien. Für die Formel 1 müsste man praktisch eine Firma in der Firma aufbauen, und das ist nicht unser Ding. Und im Konzern reicht eine Marke, die Formel 1 macht.
Audi wird das Thema richtig angehen.
Ausserordentlich wichtig, weil es bei uns ja nicht um die Stückzahl geht, sondern um den Ertrag pro Fahrzeug. Die Komplexität ist natürlich extrem bei einem so breit gefächerten Angebot, aber unsere Kunden wollen immer mehr ein individuelles Fahrzeug.
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Im Schnitt geben die Käufer 50'000 Euro für Personalisierung aus, bei unserem Topmodell Revuelto über 100'000 Euro.
Der CEO zur niedrigen Frauenquote: «Die Dunkelziffer der Fahrerinnen dürfte sehr viel höher sein, weil viele Frauen unsere Autos fahren, die auf den Mann oder das Unternehmen angemeldet sind.»
Paolo Dutto für BILANZDer CEO zur niedrigen Frauenquote: «Die Dunkelziffer der Fahrerinnen dürfte sehr viel höher sein, weil viele Frauen unsere Autos fahren, die auf den Mann oder das Unternehmen angemeldet sind.»
Paolo Dutto für BILANZWir verkaufen nicht in bestimmte Länder wie Russland. Und die Herkunft des Geldes wird natürlich überprüft. Aber sonst gibt es keine Einschränkungen.
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Im Moment unter zehn Prozent. Ein Anteil, der steigt. Aber die Dunkelziffer dürfte sehr viel höher sein, weil viele Frauen unsere Autos fahren, die auf den Mann oder das Unternehmen angemeldet sind.
Wenn Lady Gaga bei mir anruft, dann gibt es ein Problem. Weil das dann bedeutet, dass die ganze Kette versagt hat. Aber das passiert auch nicht: Wir haben mehrere Händler in Los Angeles und eine grosse Organisation in den USA. Da wird sie bestimmt schon vorher abgefangen und auch zufriedengestellt.
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Nein, das wäre nicht der Sinn der Sache.
Sehr wichtig. Er ist in den Top 10, zwischen 250 und 300 Einheiten pro Jahr. Die Lamborghini-Dichte dort ist eine der höchsten.
Winkelmann über anziehende Preise: «Realistischerweise werden wir die US-Zölle in irgendeiner Form an die Kunden weiterreichen müssen.»
Paolo Dutto für BILANZWinkelmann über anziehende Preise: «Realistischerweise werden wir die US-Zölle in irgendeiner Form an die Kunden weiterreichen müssen.»
Paolo Dutto für BILANZWir verzichten auf Importeure, haben dafür 186 eigene Verkaufspunkte weltweit. Das war schon immer so, auch bevor wir 1998 vom VW-Konzern übernommen wurden.
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Das ist ein Thema, an dem wir arbeiten. Wir haben eine klare Strategie, wir werden sehen, was in den nächsten Wochen passiert, und dann werden wir danach handeln. Realistischerweise werden wir die Zölle in irgendeiner Form an die Kunden weiterreichen müssen. Aber wir geben im Moment noch keine Zahlen heraus.
Nein, bei uns ist das «Made in Italy» eines der grossen Markenversprechen – Lamborghini ist die italienischste aller Automarken. Ausserdem sind die Stückzahlen viel zu klein, um eine Produktion in ein anderes Land zu verlagern.
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Der chinesische Markt ist der grösste Automobil-, aber ein sehr kleiner Luxusmarkt, weil die Steuern sehr hoch sind. Und der ist nun gesunken durch das, was Sie genannt haben, aber auch durch die Immobilienblase, die seit zwei Jahren dort ein grosses Thema ist. Und wir sehen im Moment keine Anzeichen, dass der Markt wieder steigen wird in den nächsten Monaten. Aber unser Marktanteil ist konstant geblieben.
Wenn wir alles richtig machen, haben wir dann ein rein elektrisches Auto. Und stehen auch dank diesem noch besser da, finanziell, beim Markenimage, von der Anzahl Mitarbeiter und ihrer Zufriedenheit und auch von der Präsenz hier in der Region her.
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