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Verdächtige Patentanmeldung

Wird Rolex (wieder) kompliziert?

Die Königin der Uhrenmarken geht Wege, die bislang undenkbar waren. Wagt Jean-Frédéric Dufour gar einen Angriff auf Patek Philippe?

Marcel Speiser Handelszeitung

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Rolex Padellone: Bringt die Marke mit der Krone historische Modelle zurück?

PD

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Das waren noch Zeiten, als die Uhrenmarke IWC in ihrer Werbung deftige Machosprüche klopfte! Zum Beispiel hiess es damals auf Plakaten, die «der Uhr» an den Mann bringen wollten: «Fast so kompliziert wie eine Frau. Aber pünktlich.» Heute würden solche Slogans die Sexismusinspekteure der Werbepolizei auf den Plan rufen.

Fakt aber ist: Komplizierte Uhren gelten nach wie vor als das höchste der Horlogerie-Gefühle. Komplikationen – also alle Funktionen einer Uhr, die über die reine Zeitanzeige hinausgehen – verzücken Kenner und lassen die Kassen der Branche klingeln. Je komplizierter die Uhr, desto sechsstelliger der Kassenbon, den der Uhrenhändler der Kundin in die Hand drückt.

Komplikationen sind nicht der Tummelplatz von Rolex

Eine Marke aber hielt sich in den letzten Jahrzehnten zurück mit Komplikationen: Rolex, die 10-Milliarden-Marke (siehe Grafik), die alle anderen Schweizer Uhrengrössen in den Schatten stellt. Sicher: Die Sportuhren von Rolex gibt es mit Datum, einige mit der Anzeige einer zweiten Zeitzone, die Daytona ist ein Chronograph, also eine Stoppuhr. Doch ewige Kalender, Tourbillons oder gar Minutenrepetitionen – sie machen die Uhrzeit hörbar wie bei einer Turmuhr – sucht man bei Rolex vergeblich.

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Komplikationen sind der Tummelplatz der Konkurrenz. In letzter Zeit drängt sich aber die Frage immer mehr auf: Wie lange noch?

Rolex-Beobachtern ist kürzlich eine Patentanmeldung aufgefallen, die darauf hinweisen könnte, dass das Unternehmen ein historisches Design neu lancieren könnte. Im Dokument von Mitte Oktober beschreibt Rolex den Mechanismus für einen Dreifachkalender mit Tages- und Monatsfenstern bei zwölf Uhr und einem zentralen Datumszeiger. Im Patent ist zu lesen: «Zusätzlich oder alternativ kann beispielsweise eine Mondphasenanzeige vorhanden sein.» Eine solche Zifferblattkonfiguration erinnert Kenner sofort an Rolex-Uhren, die aus den 1950er-Jahren stammen.

Hinzu kommt, dass die Marke mit der Krone wenige Wochen zuvor das Wort «Padellone» als Marke eintragen liess. Das ist der Sammlerspitzname für historische Modelle mit Dreifachkalender und Mondphase, die in den frühen 1950er-Jahren hergestellt wurden.

Ungewöhnliche Schritte

Der in der Regel bestens informierte Rolex-Blog Coronet stellt dazu fest, dass es «ein seltener Schritt» sei, wenn das Unternehmen «offiziell das Eigentumsrecht an einem Sammlernamen» beanspruche. Allerdings seien Patentanmeldungen bei Rolex eher unzuverlässige Indikatoren für die nächsten Schritte. «Aber sie sind das jüngste Zeichen dafür, dass die Marke in Forschung und Entwicklung investiert, um ikonische Designs in die Moderne zu übertragen.» Dies umso mehr, als Rolex in den Jahren 2023 und 2024 bereits einen Datumsmechanismus sowie den Mechanismus für einen ewigen Kalender zum Patent angemeldet hat.

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Dass dies alles nicht bloss Horlogerie-Enthusiasten in Verzückung versetzt, sondern durchaus auch kommerzielle Bedeutung hat für die mit Abstand grösste Uhrenmarke der Schweiz, zeigt der Secondhandmarkt. So wurde kürzlich bei einer Auktion eine goldene Rolex mit Dreifachkalender aus dem Jahr 1953 für 4,8 Millionen Dollar versteigert. Das Stück zählt damit zu den Top Ten der teuersten Rolex-Modelle.

Der Geschmack der Rolex-Kunden verschiebt sich

Aus den Zahlen von Watchcharts, einem Unternehmen, das die Preise von Secondhanduhren verfolgt, geht ausserdem hervor, dass sich die Wertbeständigkeit von nicht Rolex-typischen Modellen in letzter Zeit stark erhöht hat und aktuell derjenigen von Submariner, Daytona und dergleichen in nichts mehr nachsteht. Kurz: Der Geschmack der Rolex-Kundinnen und -Kunden scheint sich zu verschieben – weg von Sportuhren, hin zu eleganteren Modellen. Und Rolex hat davon Notiz genommen.

Das zeigt sich unter anderem an den beiden Lancierungen der Modelle «1908» und «Land-Dweller», die als komplett neue Linien innerhalb von zwei Jahren auf den Markt gebracht wurden – eine für Rolex ungewohnt hohe Kadenz. Beide Modelle gelten als erfolgreiche Neulancierungen, was sich auch auf dem Gebrauchtmarkt deutlich zeigt.

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Mit der «1908» kehrte ausserdem die Mondphasenkomplikation in die Rolex-Kollektion zurück – es gab bei den neuen Modellen der Marke seit Jahrzehnten keine Mondphase mehr.

Rolex-Manschettenknöpfe, anyone?

Ein weiteres Zeichen, dass Rolex-Chef Jean-Frédéric Dufour gewillt ist, die vorgefundenen Wege zu verlassen, ist die erstmalige Lancierung einer Kollektion von Rolex-Accessoires. Uhrenhändler können seit wenigen Tagen ihren Kunden und Kundinnen Manschettenknöpfe anbieten – verziert mit dem Kronenlogo oder mit den Rolex-typischen Zeigern. Kostenpunkt: über 5000 Franken.

Ebenfalls hat Rolex eine Tischuhr für gegen 10’000 Franken lanciert. Sie ist dem Taucheruhrmodell «Submariner» nachempfunden. Eine andere, nicht offiziell erhältliche Tischuhr wurde dieser Tage von der Schweizer Wirtschaftsdelegation dem amerikanischen Präsidenten Donald Trump als Geschenk überreicht, von Dufour höchstpersönlich.

All dies sind Puzzleteile, die darauf hindeuten, dass sich Rolex in den kommenden Jahren stärker verändern will als in den vergangenen Jahrzehnten. Die allfällige Rückkehr von Rolex-Uhren mit Komplikationen könnte gar darauf hinweisen, dass es Dufour mit dem Genfer Rivalen Patek Philippe aufnehmen will – auf dessen Terrain.

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Marcel Speiser Handelszeitung

Marcel Speiser

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