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Der Strafzoll von 39 Prozent wird neue Uhren verteuern und die Nachfrage nach gebrauchten Zeitmessern boosten.
Tim Stracke
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Covid katapultierte die Preise am Sekundärmarkt für Luxusuhren in Sphären, die wir bis dahin für Fantasie hielten. Rolex, Patek, Audemars – alles drehte sich schneller als eine Tourbillon-Feder. Dann kamen die Zinswende und der Ukraine-Krieg –, und der Markt kehrte zu einem neuen «Normal» zurück. Jetzt rüttelt eine 39 Prozent hohe US-Zollschranke an der Schweizer Uhrenindustrie.
Die Pandemie löste insbesondere am Zweitmarkt für Luxusuhren einen Kaufrausch aus: geschlossene Boutiquen, Gamestop-Pumper, Crypto-Gewinner, aufgestaute Nachfrage, billiges Geld – ein perfekter Cocktail für steigende Preise. Mit der Straffung der Geldpolitik und geopolitischen Unsicherheiten ebbte dieser Effekt ab. Preise stabilisierten sich, der Markt bekam wieder Luft.
«Auf Chrono24 lag die Anzahl der Transaktionen im Juli um über 40 Prozent höher als im Vorjahr.»
Trumps «Liberation Day» sorgte für einen weiteren Nachfrageschock aus Übersee, gefolgt von einer erstaunlich positiven Dynamik. Fast wie damals, als Covid den Markt neu definierte. Auf Chrono24 lag die Anzahl der Transaktionen im Juli um über 40 Prozent höher als im Vorjahr, Anfang August nochmals 10 Prozent über dem Vormonat.
Der US-Primärmarkt ist derweil unter ungeheurem Druck: Die USA beziehen fast 100 Prozent ihrer Luxusuhren aus der Schweiz – selbst die Zeitmesser von US-Branchenprimus Hamilton sind Swiss Made. Bei 39 Prozent Einfuhrzoll sind die Hersteller gezwungen, ihre Listenpreise anzupassen – realistisch sind plus 10 Prozent, an der Spitze bis zu plus 20 Prozent.
Das vergrössert den Abstand zwischen Primär- und Sekundärmarkt. Die Folge: Mehr Nachfrage nach gebrauchten Uhren, steigende Preise – und ein satter Bonus für den US-Staat durch höhere Zolleinnahmen.
Die Verlierer? US-Konsumenten, die künftig tiefer in die Tasche greifen müssen, US-Händler mit sinkender Marge – und die Schweizer Industrie, die Absatzschwierigkeiten im wichtigsten Exportmarkt bekommen wird.
«Selten bleibt ein Preistrend regional begrenzt.»
Die Frage besteht, ob diese Preisdynamik Auswirkungen auf den Rest der Welt haben wird. Auch wenn die Effekte zunächst in den USA spürbar werden, könnten sie in Europa und Asien zeitverzögert und abgeschwächt ankommen – je nachdem, ob Hersteller ihre Absatzmengen umverteilen. Der Uhrenmarkt ist stark globalisiert: Selten bleibt ein Preistrend regional begrenzt.
Wenn Hersteller überschüssige Ware aus den USA in andere Märkte lenken, sollten dort die Preise stabil bleiben – oder sogar leicht sinken. Umgekehrt kann die Verknappung in Übersee den globalen Aufwärtstrend beschleunigen.
Dazu kommt noch, dass Luxusmarken Preisarbitragen gar nicht mögen – also die Situation, dass Uhren in einer Region signifikant günstiger sind als anderswo. Deshalb passen sie in währungsschwachen Märkten die Listenpreise an – oft mit globalem Nachhall. Das letzte Mal war dies zu sehen, als Schnäppchenjäger in Scharen nach Japan reisten, um vom schwachen Yen zu profitieren – und kurze Zeit später weltweit Preislisten nach oben korrigiert wurden.
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Einige Hersteller könnten Produktionsmengen drosseln, um den Marktpreis zu stützen – mutmasslich ist Rolex schon dabei.
«Zölle in dieser Höhe sind kein Alltag, aber auch kein Todesurteil für eine Branche.»
Ein Blick auf die vergangenen Marktzyklen macht auf jeden Fall eines deutlich: Der Uhrenmarkt ist erstaunlich anpassungsfähig und resilient. Er lebt von Geschichten, Begehrlichkeit – und Knappheit. Zölle in dieser Höhe sind kein Alltag, aber auch kein Todesurteil für eine Branche, die schon Ölkrisen, die Quarzrevolution und mehrere Finanzkrisen überstanden hat. Wahrscheinlicher ist, dass sich Marktakteure rasch neu sortieren – Hersteller, die Preisschrauben drehen, Händler, die Lagerbestände umschichten, und Sammler, die den Moment nutzen.
In einer Welt, in der wirtschaftliche Entscheidungen von erratischem TACO («Trump always chickens out») und Anti-TACO-Überkompensation geprägt sind, lohnt sich also vorsichtige Gelassenheit. Zölle in dieser Höhe werden den US-Primärmarkt sicher treffen – und könnten dem Sekundärmarkt frischen Auftrieb geben.
Ich bin, trotz aller Unsicherheiten, long auf den Sekundärmarkt eingestellt – in Anbetracht meines grössten Investments, Chrono24, wahrscheinlich wenig verwunderlich. Aber wenn die Geschichte der letzten Jahre eines gezeigt hat, dann dies: Externe Schocks sind im Uhrenmarkt selten das Ende – oft sind sie der Anfang einer neuen Preisrunde.
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