Guten Tag,
Onlinesitzungen werden immer unproduktiver. Schuld daran ist das schlechte Konzept. Eine Anleitung für eine effizientere Meetingkultur.


Tina Fischer,
Olivia Ruffiner
Onlinemeetings gleichen teilweise einem Goldfisch im Glas: Kaum vorbei, ist alles wieder vergessen.
Tessy Ruppert / RMS Visuals / Midjourney. Diese Illustration wurde von einem KI-Modell generiert und von einem Menschen überprüft und finalisiert.Werbung
Auf dem Bildschirm leuchten zehn Kacheln. In einer steht ein Bücherregal im Hintergrund, in der Kachel daneben flackert ein digitales Feuer im Cheminée, bei der dritten ist ein verschwommenes Wohnzimmer im Hintergrund erkennbar. Vor allen Hintergründen schweben Köpfe, die in die Kamera blicken. Unweigerlich erinnert das Bild an Goldfische in Aquarien: Jeder springt von einem Onlinemeeting zum nächsten, einzig der Hintergrund wechselt. Und nach einer Runde im digitalen Aquarium haben viele wieder vergessen, worum es eigentlich ging.
Onlinemeetings sind seit der Pandemie zur neuen Normalität geworden. Die Tage sind voll mit Back-to-Back-Sitzungen, Pausen dazwischen gibt es kaum. Daneben läuft der Posteingang mit Nachrichten voll und Slack bimmelt. Laut Studien nimmt die kognitive Leistungsfähigkeit während der digitalen Treffen rapide ab. Die Überlagerung von Bild, Ton und Aufgaben überfluten die Reize der Teilnehmenden und sorgen für mentale Erschöpfung. Man fühlt sich abends schlapp und ausgelaugt. Dazu kommt das schlechte Gewissen, weil keine Zeit blieb, um die neuen Aufgaben abzuarbeiten.
«Videocalls sind aus der modernen Arbeitswelt nicht mehr wegzudenken», bestätigt Melanie Baumgartner, Psychologin und Doktorandin am Mobiliar Lab für Analytik der ETH Zürich. «Das Problem ist nicht das Format, sondern das Design.» Virtuelle Meetings seien nicht per se ineffizient, doch sie werden es, wenn sie falsch aufgebaut sind. Die Konsequenzen sind gravierend: weniger Innovation, mehr Fehlentscheidungen, ein erhöhtes Stressniveau. Für Firmen bedeutet das nicht nur Produktivitätsverluste, sondern auch ein Risiko für Motivation und Bindung. Doch es gibt Wege, Meetings effizienter zu gestalten.

Melanie Baumgartner ist Psychologin mit Schwerpunkt kognitive Neurowissenschaften und Doktorandin am Mobiliar Lab for Analytics der ETH Zürich. In ihrer Forschung beschäftigt sie sich mit Human-Machine Interaction und entwickelt Applikationen, die Stress reduzieren, Konzentration fördern und Effizienz steigern.
ETH
Melanie Baumgartner ist Psychologin mit Schwerpunkt kognitive Neurowissenschaften und Doktorandin am Mobiliar Lab for Analytics der ETH Zürich. In ihrer Forschung beschäftigt sie sich mit Human-Machine Interaction und entwickelt Applikationen, die Stress reduzieren, Konzentration fördern und Effizienz steigern.
ETHLaut Baumgartner sollten gerade Führungskräfte virtuelle Zeit als «Premiumzeit» verstehen. «Alles, was nur informiert, gehört in ein asynchrones Format», so Baumgartner. Das sind Meetings, die auch in Form eines E-Mails erfolgen könnten: «Echte Meetings sind für Interaktion da: Entscheidungen, Priorisierungen oder Co-Kreation.» Ein gut strukturiertes Meeting beginne mit einer klaren Frage (wozu sind wir hier?) und ende mit einer präzisen Zusammenfassung: Was wurde entschieden, wer macht was bis wann? Diese scheinbar banalen Prinzipien sind laut Baumgartner psychologisch hochwirksam: Sie reduzieren Unsicherheit, schärfen den Fokus und erhöhen die Verbindlichkeit.
Die Verbindlichkeit geht auch bei denen verloren, die den ganzen Tag still vor dem Laptop sitzen, an einem Meetingmarathon teilnehmen und nur zuhören. Der Bildschirm wechselt, nicht aber die eigene Präsenz. Laut Baumgartner entsteht dabei eine weitere unnötige kognitive Belastung: Virtuelle oder stark gestaltete Hintergründe liefern zusätzliche Reize, die nichts mit dem Inhalt zu tun haben: Das Gehirn muss filtern. Ruhige, natürliche Hintergründe und gute Audioqualität entlasten hingegen. Baumgartner verweist auf eine Studie von Basch, Albus und Seufert aus dem Jahr 2025: «Wenn Teilnehmende die eigene Videoansicht ausschalten, sinken Erschöpfung und kognitive Überlastung signifikant.»
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Nicht nur die Technik beeinflusst die Effizienz von Meetings, sondern auch der Ablauf und die Struktur. Die Führungskräfte sollten klar definieren, wer bei einem Meeting wirklich anwesend sein muss. Gleichzeitig stehe auch jeder Mitarbeitende in der Selbstverantwortung, zu sagen: «Ich glaube, ich gehöre nicht in dieses Meeting» – statt still dabeizusitzen. Ein kleiner Kreis eingeladener Personen führt zu mehr Verbindlichkeit und zu mehr Engagement im Meeting selbst. Aber nur, wenn die ausgewählte Gruppe zu Beginn des Meetings die Rollen klar verteilt: Wer moderiert, wer dokumentiert, und wer trifft die weiterführenden Entscheidungen? Wird das explizit festgelegt, nimmt die Zahl der Redebeiträge ohne Substanz ab, und die Diskussion bleibt zielgerichtet.
Zur Gestaltung des Meetings gehört auch die Dauer. Die Psychologin empfiehlt, kürzere Slots von 25 Minuten oder 50 Minuten mit bewussten Pausen zu planen und so die Effizienz der hybriden Meetings zu steigern. Kurze, fokussierte Meetings verringern auch das Risiko, dass die Teilnehmenden während des Meetings anderen Aufgaben nachgehen. Dieses vermeintliche Multitasking schadet mehr, als dass es nützt. Denn wer ein Mail beantwortet oder eine Nachricht schickt, unterbricht den eigenen Fokus. Diesen zurückzugewinnen, dauert mehrere Minuten – und nicht, wie oft vermutet, wenige Sekunden.
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Zuletzt ist ein zentrales Prinzip erfolgreicher Meetings die Beteiligung. Wer nur zuhört, schaltet früher oder später ab. Baumgartner empfiehlt, jedes Onlinemeeting mit einer kurzen Aktivierung zu starten; Miniumfragen, spontane Fragen oder ein stilles Brainstorming mit anschliessender Präsentation bringen Abwechslung. Gerade Letzteres lässt Raum für Ideen von introvertierten Mitarbeitenden, die Ideen lieber schriftlich als mündlich teilen.
Auch Meetings im Stehen, spezielle Startzeiten und die Faustregel, dass maximal zehn Personen an einem Treffen teilnehmen, helfen. «Wenn virtuelle Meetings so gestaltet sind, dass Präsenz sich lohnt, kreative Beiträge erwünscht sind und kognitive Ressourcen respektiert werden, erübrigen sich die Versuchung und Ablenkung wie ‹Nebenbei-Mails› fast von selbst», sagt die Psychologin.
In der Verantwortung stehen letztlich die Führungskräfte. Sie müssen die richtigen Rahmenbedingungen schaffen. Dazu gehört, klare Erreichbarkeitsregeln zu definieren – wer wann erreichbar ist und wann fokussiertes Arbeiten Vorrang hat. Unternehmen, die diese Strukturen schaffen, profitieren doppelt: von erholten, kreativeren Mitarbeitenden und von Führungskräften, die weniger Zeit in Calls verlieren. «Dann ist das Onlinemeeting nicht mehr der Ort des digitalen Chaos und der reinen Anwesenheitspflicht, sondern ein fokussiertes, gemeinsames Arbeitsformat», sagt Expertin Melanie Baumgartner.
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