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Vorsorge: Sanieren geht über Studieren

Eine temporäre Unterdeckung bei Pensionskassen darf sein. Fatal ist das Gesetz, das Verluste programmiert.

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Die immer heftigeren Diskussionen um die Sicherheit der beruflichen Vorsorge verleiten das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) zu hektischer Betriebsamkeit. Dort wird eine Flut von Regelungen vorbereitet, die sich demnächst über die Schreibtische der Vorsorgeeinrichtungen ergiessen wird. Dies lässt bei den Versicherten den Eindruck entstehen, dass sämtliche Vorsorgeeinrichtungen kurz vor dem Zusammenbruch stünden. «Unterdeckung» heisst das neue Unwort der Vorsorgewelt. Unterdeckung weisen zwar in der Tat etliche Vorsorgeeinrichtungen aus. Wie schlimm ist das aber wirklich?

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Eine volle Deckung, bei der eine Pensionskasse ihren Versicherten jederzeit 100 Prozent ihres Vorsorgekapitals ausbezahlen kann, wäre zwar wünschenswert, ist jedoch nicht notwendig. Eine Pensionskasse muss nicht jederzeit und auf einen Schlag in der Lage sein, das ganze Kapital auszuzahlen, sondern sie muss ihren regelmässigen und langfristigen Verpflichtungen nachkommen können – eben die monatlichen Renten zahlen. Eine temporäre Unterdeckung ist dabei gewiss nicht erstrebenswert, sie stellt aber auch kein akutes Problem dar. Denn es geht in allererster Linie um die langfristige Sicherung des Kapitals.

Im Durchschnitt bezahlen Versicherte und Arbeitgeber 40 Jahre lang ihre Beiträge. Daraus erhalten die Versicherten während 25 Jahren eine monatliche Rentenleistung. Die Pensionskasse muss also das Vorsorgekapital 65 Jahre lang erhalten und vermehren. Seit 1938 gab es einen Weltkrieg, mehrere Wirtschaftskrisen, viele Inflationsschübe, zahlreiche Booms und Crashs bei Immobilien und Aktien. Die Wirtschaft und damit auch die Kapitalanlagen sind offenkundig zyklischen Schwankungen unterworfen.

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Wenn das BSV und die Politiker nun aus scheinbarer aktueller Notwendigkeit eifrig Sanierungspläne für die Pensionskassen schmieden, erheben sie sich zu Rettern der Renten. In Wirklichkeit tun sie das Gegenteil. Kurzfristige Rettungsaktionen mögen sympathisch wirken, widersprechen aber dem langfristigen Charakter der beruflichen Vorsorge. Gerade weil ihr Geschäft langfristig ist, sind die Pensionskassen und Lebensversicherer dazu prädestiniert, ihr Kapital teilweise in Aktien anzulegen. Dieser Meinung war 1992 auch der Gesetzgeber, als er die erlaubte Aktienquote der Vorsorgeeinrichtungen von 30 auf 50 Prozent erhöhte.

Die vom BSV ins Auge gefassten Sanierungsmassnahmen könnten sich gar als Bumerang erweisen: Beitragserhöhungen und Rentenkürzungen erhöhen die Lohnnebenkosten, reduzieren die Kaufkraft der Versicherten und beeinträchtigen damit die Konjunktur. Und das wiederum wirkt auf den Zustand der Pensionskassen zurück.

Die vorübergehenden Unterdeckungen bei den Vorsorgeeinrichtungen sind nur ein Abbild des Wirtschaftsverlaufs. Sie sind gewiss nicht zu verharmlosen. Aber noch weniger sind sie ein Grund dafür, in unkontrollierten Aktivismus zu verfallen. Statt dem Parlament im Frühling dringliche Massnahmen zur Sanierung zu empfehlen, sollte der Bund sich besser mit dem Berufsvorsorgegesetz (BVG) auseinander setzen. Dieses ist nämlich der eigentliche Sanierungsfall. Die wirklichen Probleme sind nämlich gesetzliche Vorschriften, die nicht zu temporären, sondern zu dauernden Verlusten bei den Pensionskassen führen. Womit soll eine Pensionskasse den Mindestzinssatz von 3,25 Prozent erwirtschaften, wenn selbst Obligationen nur eine Rendite von 2 Prozent abwerfen? Wenn man auf 3,25 Prozent beharrt, sind weitere Unterdeckungen vorprogrammiert.

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Dasselbe gilt für den Rentenumwandlungssatz. Es ist den politisch Verantwortlichen zwar bewusst, dass 7,2 Prozent angesichts der steigenden Lebenserwartung zu hoch sind. Dennoch wollen sie eine Herabsetzung erst im Rahmen der ersten BVG-Revision schrittweise über zehn Jahre vornehmen. In der Zwischenzeit müssten die Versicherten mit dem vom Bund vorgesehenen Sanierungsbeitrag die Lücke füllen. Das heisst: Den Preis für den überhöhten Mindestzins- und Rentenumwandlungssatz berappen die Versicherten so oder so selber.

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