Abo
Ranking

Die besten Schweizer Geschäftsberichte

Sie wirken wie ein Anachronismus und bleiben doch wichtigstes Kommunikations­instrument. Die besten Reports, von Sika bis Swisscom.

Ueli Kneubuehler Rinigier

<p>Bilanzmedienkonferenz von Sika: Der Bauchemiekonzern ist im Geschäftsbericht-Ranking ganz zuoberst.</p>

Bilanzmedienkonferenz von Sika: Der Bauchemiekonzern ist im Geschäftsbericht-Ranking ganz zuoberst.

KEYSTONE/Ennio Leanza

Werbung

Nörgler würden sagen, das Resultat sei ein Abbild des Themas: langweilig, immer dieselben Gewinner. Tatsächlich sind Geschäftsberichte nicht jedermanns Sache. Und doch sind sie nach wie vor das zentrale Element der integrierten Unternehmenskommunikation.

Posten, Liken, Stitchen und Kommentieren in Ehren: Soziale Netzwerke sind für Unternehmen wichtig, besonders für Konsumgütermarken. Sie sind aber auch nicht mehr als ein Kanal. Gespeist werden die Inhalte oft aus dem Geschäftsbericht. Und dieser «sollte nachvollziehbar sein, Kontext herstellen, komplexe Zusammenhänge verständlich erklären und Ziele mit Massnahmen verknüpfen», sagt Reto Schneider, Gründer des Center for Corporate Reporting. Er bilde die Grundlage für die unterjährige Kommunikation über verschiedene Kanäle.

Dass mit dem Bauchemiekonzern Sika und dem Sanitärtechniker Geberit die gleichen Firmen wie im Vorjahr an der Spitze liegen, gefolgt vom Telekom-Krösus Swisscom auf Rang 3 (Vorjahr Platz 5), mögen Miesepeter als langweilig abtun. Tatsächlich ist es das Gegenteil: Der Aufstieg zum Gipfel ist bekanntlich leichter als das Verweilen darauf. Unternehmen, die sich wiederholt ganz vorne platzieren, zeichnen sich durch kontinuierliches und professionelles Arbeiten aus. Und klar ist auch: Wer einmal das Geschäftsberichte-Rating-Enigma geknackt hat, der weicht im Folgejahr nicht vom Erfolgsrezept ab.

Partner-Inhalte

Ausser die VP Bank. Zwischen 2020 und 2024 dreimal auf dem Podest, ist das Liechtensteiner Finanzinstitut im aktuellen Jahrgang mit Rang 14 sogar aus den Top 10 gefallen. Der leichte, spielerische und volksnahe Auftritt ist nüchterner Sachlichkeit gewichen – und das auf 100 Seiten mehr als im Vorjahr. Der neue CEO hat sich «Kostendisziplin» auf die Fahne geschrieben; offenbar auch beim Geschäftsbericht. Das ist legitim.

Legitim ist auch, dass Siegerin Sika an ihrem Konzept festhält – und gar noch einen draufsetzt. Look and Feel entsprechen dem vom Vorjahr. Doch der physische Geschäftsbericht und das PDF haben sich in die Horizontale gelegt – Sika kommt in diesem Jahr im Querformat daher. «Diese Tendenz beobachten wir seit ein paar Jahren», sagt Jiří Chmelik, Leiter der elfköpfigen Design-Jury und Creative Director bei den Agenturen Noir Associates und Picture this. Die PDFs sind für Computerbildschirme optimiert.

Für Sika gilt wie im Vorjahr: Sehr gute Leistungen in beiden Teildisziplinen, im Value Reporting sowie im Design, katapultieren die Baarer erneut an die Spitze. In der ersteren Kategorie stehen die Inhalte des Geschäftsberichts im Mittelpunkt – deren Vollständigkeit, Glaubwürdigkeit, Stringenz und strategische Einordnung. Sika platziert sich dieses Jahr auf Rang 6 (Vorjahr Rang 9). Fazit von Alexander Wagner: «Sika liefert erneut ein starkes Paket ab. Die Verantwortlichen haben es geschafft, auf hohem Niveau nochmals eine Schippe draufzulegen», sagt der Leiter der Value-Reporting-Jury und Professor am Institut für Finance der Universität Zürich.

Werbung

Wagner untersuchte mit 30 Studierenden sämtliche Geschäftsberichte aus dem Sample, die allgemeine Berichterstattung sowie die Firmenwebseiten nach betriebswirtschaftlichen Kriterien.

An die Mitarbeitenden

Value Reporting bedeutet nicht nur, den Richtlinien der Börsenaufsicht und den Rechnungslegungsstandards nachzukommen. Sinnvoll aufbereitet sind die oft komplexen Zahlenreihen ein Informationsfundus für Investoren. Ein anschauliches und verständliches Value Reporting kann aber auch ein Instrument für die interne Kommunikation sein. «Die im Geschäftsbericht vermittelte Aufstellung des Unternehmens, seine Werttreiber und die Schärfung der Strategie bieten auch den eigenen Mitarbeitenden eine wichtige Orientierung», so Wagner.

Solch schwere Kost inhaltlich und optisch so rüberzubringen, dass sich möglichst viele Zielgruppen zurechtfinden, ist ein Kraftakt. Die Ansichten, was ein Geschäftsbericht sein und vermitteln muss, driften intern oft auseinander. «Sind sich die Macher noch bewusst, was sie mit dem Geschäftsbericht wollen?», fragt Design-Papst Chmelik. «Wir stellen eine gewisse Ratlosigkeit fest und vermissen die Funktion einer Chefredaktion, welche die Interessen moderiert.» In jüngster Zeit sei es in Richtung einer nicht geführten Sachlichkeit gegangen, welche die Berichte angesichts zunehmender Auflagen sehr umfangreich mache. «Deshalb liegt die Verantwortung für die Berichte oftmals bei den Finanzabteilungen. Das spüren wir», sagt Chmelik. «Design muss einen Wert haben.»

Werbung

Bei Sika stösst er auf offene Ohren. Die Gesamtsiegerin liegt in Sachen Optik auf Rang 12. Sie hat zwar vier Plätze eingebüsst, doch das Gesamtpaket sucht seinesgleichen. Nur Geberit kann mithalten. Zum dritten Mal in Folge klassieren sich die Thron-Spezialisten aus Jona SG auf dem zweiten Rang. «Schon wieder», mögen die Verantwortlichen seufzen. Müssen sie aber nicht. Geberit ist in einem Fotofinish unterlegen – das Pendel hätte auch anders ausschlagen können. Im Value Reporting lässt Sika Geberit (8.) um gerade einmal 0,057 Punkte hinter sich. Bronze-Gewinnerin Swisscom ist mit Rang 5 vor den beiden klassiert, vergibt aber Punkte im Design-Rating (23.). Die UBS mit einem Score von 5,38 Punkten gewinnt diesen Teil-Wettbewerb. Die Bank überzeugt mit einem starken Report zur wertorientierten Vergütung. Sie setzt sich hauchdünn gegen den Chemiekonzern Clariant und den Warenprüfer SGS durch, der in den vergangenen beiden Ausgaben bereits auf dem Podest gelandet ist.

Und wer ist der Schönste im ganzen Land? Die Migros zeigt es allen und ist nach 2023 erneut auf dem ersten Rang klassiert. Etwas Balsam für die geschundene Migros-Seele. Die Detailhändlerin verweist den Reisehandelskonzern Avolta (Ex-Dufry) und die Zürcher Kantonalbank auf die weiteren Podestplätze (siehe Tabellen auf Seite 81).

Werbung

Komplexes Prozedere

Die Methodik aus dem Vorjahr ist die gleiche geblieben: Rund 240 Firmen aus dem Börsenindex SPI und die 50 bedeutendsten und umsatzstärksten Firmen inklusive Banken und Versicherungen werden geprüft und von den Jurys vorsondiert. Schliesslich flossen im Value Reporting 184 Berichte ins Sample, im Design waren es 169. Die beiden Ranglisten gehen mit gleichem Gewicht in die Berechnung der drei Gesamtsieger ein.

Zum zweiten Mal nominierten die beiden Jurys zudem eine «Special Mention» –ein Unternehmen, das in einem Bereich durch einen besonderen Effort aufgefallen ist. Die Ästhetik-Prüfer wählten die Krankenversicherung Swica. Dass die Lesenden über die Zeit mit kommunikativen Elementen bespielt werden, hat die Kreativabteilung überzeugt. Wagners Value-Reporting-Team votierte für den Industriekonzern Bucher. Begründung: klare Vision in der Segmentberichterstattung, Managementdiskussionen, Trendanalysen in einzelnen Segmenten.

Eine Sonderjury beleuchtete Textqualität und Mehrsprachigkeit der Berichte. Die Jury um Marlies Whitehouse, Professorin für Professional Literacy, Andrea Hunziker Heeb, Leiterin des Forschungsbereichs Übersetzungswissenschaft, und Dozentin Elana Summers, alle von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW), vergab den Spezialpreis «Text» an Die Post. «Attraktiv portioniert, ansprechend geschrieben, gut verständlich, auf die Bedürfnisse der Anspruchsgruppen zugeschnitten und auch noch mehrsprachig», lautet das Fazit.

Werbung

Ein Geschäftsbericht transportiert nicht nur Zahlen, Ziele und Strategien. Mit einem Geschäftsbericht zeigt ein Unternehmen auch Haltung. «Diese ist entscheidend in einer Zeit von Polarisierung, Politisierung und Fake News», sagt Hans-Peter Nehmer, Präsident des HarbourClub, der Vereinigung der Kommunikationsleiter Schweizer Unternehmen. Der Club verantwortet das 1988 von BILANZ gegründete Geschäftsberichte-Rating seit zwanzig Jahren. Nehmer ist zugleich Präsident des Ratings und hauptberuflich Kommunikationsleiter von Allianz Suisse. Haltung dürfe jedoch nicht aus einer Laune heraus geschehen, so Nehmer. «Ich wünsche den Entscheidungsträgern den nötigen Mut, zu ihrer Haltung zu stehen, auch wenn sie nicht immer dem gängigen Mainstream entspricht.»

Alle Daten und Tabellen: Das komplette Rating inklusive aller Teilkategorien und der Vorjahresergebnisse finden Sie auf www.gbrating.ch, der Website des Ratings – dort können Sie zudem die Geschäftsberichte als PDF herunterladen.

Über die Autoren
Ueli Kneubuehler Rinigier

Ueli Kneubühler

Ueli Kneubühler

Relevante Themen

Werbung