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Privatbanken: Mein Kunde, dein Kunde

Der Zusammenschluss der CS-Privatbanken zur Clariden Leu kommt bei Experten gut an. Doch eine strategische Weichenstellung, wie sie die UBS mit ihrem Privatbanken-Entscheid tÀtigte, ist nicht erkennbar.

Lukas HĂ€ssig

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Die Clariden Bank, hob der Korrespondent der «Financial Times» an, als der Zusammenschluss der Credit-Suisse-Privatbanken zur neuen Clariden Leu der Presse vorgestellt wurde, die sei ihm ein Begriff. Die ĂŒbrigen Namen hingegen seien ihm fremd.
Dieses Problem zumindest hat die CS mit ihrer strategischen Weichenstellung von Ende April gelöst. Sie schafft eine Bank unter der Marke Clariden Leu, die neue Nummer fĂŒnf im Schweizer PrivatbankengeschĂ€ft, und gedenkt, mit ihr in der hiesigen Finanzindustrie ein Wörtchen mitzureden. Zwei der frĂŒheren CS-Töchter – die Clariden Bank und die Bank Leu – dĂŒrfen dem grösseren Ganzen ihren Namen geben, die restlichen drei TraditionshĂ€user, nĂ€mlich die Bank Hofmann, die Banca di Gestione Patrimoniale und die EffektenhĂ€ndler CS Fides, verschwinden von der BildflĂ€che.

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Der Schritt wird von den meisten Beobachtern begrĂŒsst. Die fĂŒnf Institute ergĂ€nzten sich gut, sodass es wenig Überschneidungen und keine teuren Restrukturierungen gebe; die Kosten sĂ€nken durch Zentralisierung der Verwaltungsabteilungen, die ErtrĂ€ge stiegen dank mehr Produkten und Investitionspotenz. Kurz: Der Gewinn soll ab 2008, wenn die Integration erstmals uneingeschrĂ€nkt wirkt, in die Höhe schiessen. Das Ganze, sagt Walter Berchtold, Chef des CS-Private-Banking und zukĂŒnftiger PrĂ€sident der Clariden Leu, sei mehr wert als die Einzelteile (siehe «100 Millionen mehr Reingewinn» auf Seite 55).

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Hat Berchtold Recht? Ist der Ansatz der CS Erfolg versprechend? Es bleiben Fragezeichen. AuffÀllig ist der Unterschied zum Vorgehen der Nummer eins im globalen VermögensverwaltungsgeschÀft. Erzrivalin UBS verkaufte ihre Privatbanken letzten Herbst an Julius BÀr. WÀhrend die UBS gegen ein Entgelt von rund sechs Milliarden Franken auf Kunden und Anlagegelder zu verzichten bereit war, marschiert Verfolgerin CS in die entgegengesetzte Richtung und stÀrkt ihr PrivatbankengeschÀft im Inland durch den Aufbau einer eigenen grossen Tochter im Segment der vermögenden Kundschaft. Und sie betont bei jeder Gelegenheit, dass ein spÀterer Verkauf oder ein Börsengang kein Thema sei. Im Gegenteil, Clariden Leu werde wenn möglich durch die eine oder andere Akquisition verstÀrkt.

Auf dem Weg, den die CS gewĂ€hlt hat, lauern verschiedene Gefahren. Eine – wohl die grösste – geht vom Kunden aus. Wird jener vermögende Investor, der bisher den exklusiven Service einer Traditionsbank wie der ZĂŒrcher Hofmann schĂ€tzte, bei der viel grösseren Gruppe mit ihren 1800 Mitarbeitern verbleiben, wo er das Angebot mit 55 000 anderen Kunden teilen muss? Wiederum drĂ€ngt sich der Vergleich mit der UBS auf. Diese sprach vor ihrem Deal mit Julius BĂ€r ebenfalls jahrelang davon, die Privatbanken zu einer neuen Einheit zu verschmelzen. Doch am Ende schreckte sie davor zurĂŒck, aus Angst, die besten Mitarbeiter wĂŒrden zur Konkurrenz oder in die SelbstĂ€ndigkeit abspringen und die Kunden mitnehmen. Statt zu integrieren oder die kleinen Banken gar vollstĂ€ndig ins weltumspannende UBS-Private-Banking zu transferieren – was möglicherweise hohe VermögensabflĂŒsse verursacht hĂ€tte –, muss nun KĂ€uferin Julius BĂ€r dieses Kernproblem einer jeden Integration im BankgeschĂ€ft bewĂ€ltigen.

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Die Verantwortlichen der Credit Suisse und der Clariden Leu wollen von AbflĂŒssen selbstverstĂ€ndlich nichts wissen. «Clariden Leu wird ihren Charakter bewahren und den traditionellen Werten einer kundennahen Schweizer Privatbank verpflichtet bleiben», verspricht Walter Berchtold. Deshalb rechnet er auch nicht mit einem Abgang wichtiger Kunden. Hans NĂŒtzi, bisheriger Leu-Chef und nun oberster Vermögensverwalter der fusionierten Clariden Leu, hört von langjĂ€hrigen Kunden, die den Namensverlust kurz nach dem 250-Jahr-JubilĂ€um der Bank Leu bedauerten. «Dies ist nachvollziehbar», sagt NĂŒtzi, fĂ€hrt aber fort: «Im direkten GesprĂ€ch konnten unsere Kundenberater diese Emotionen adressieren und den Kunden die Vorteile des Zusammenschlusses aufzeigen.»

Die Zukunft wird zeigen, ob sich sowohl die langjĂ€hrigen Mitarbeiter als auch die betuchte Kundschaft im neuen Clariden-Leu-Verbund wohl fĂŒhlen. Zum Vergleich: Aus Kreisen der vergrösserten Julius BĂ€r ist zu vernehmen, dass einige Kundenberater der ĂŒbernommenen UBS-Privatbanken trotz vorteilhaften Konditionen abgesprungen seien und die Kundengelder mitgenommen hĂ€tten.

In einem zweiten Punkt unterscheiden sich CS und UBS nach der Weichenstellung mit den Privatbanken stĂ€rker als zuvor. Die UBS setzt ihren Ein-Marken-Ansatz konsequent in die Tat um, sie positioniert sich als global agierende Vermögensverwalterin, fĂŒr die das Schweizer Bankgeheimnis immer unwichtiger wird. Die Milliarden, die ihr durch die VerkĂ€ufe der Privatbanken und der Beteiligung am Atel-Stromkonzern im letzten GeschĂ€ftsjahr zuflossen, investiert sie zĂŒgig im Ausland. JĂŒngst erwarb sie mehrere FinanzhĂ€user in aufstrebenden MĂ€rkten wie Brasilien und China sowie spezialisierte Privatbanken mit vermögender Kundschaft in Deutschland. Die bisherigen Resultate zeigen, dass die Strategie FrĂŒchte trĂ€gt. Selbst das kostspielige europĂ€ische OnshoregeschĂ€ft, bei dem die Kunden ihr Geld nicht in die Schweiz transferieren, sondern im eigenen Land anlegen, macht erstmals Gewinn.

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Eine konsequente Ausrichtung wie bei der UBS – weg von der AbhĂ€ngigkeit vom Schwarzgeld in der Schweiz, hin zu einer PrĂ€senz in allen wichtigen Vermögenszentren – ist bei der CS (noch) nicht erkennbar. Statt ihre Privatbanken beispielsweise an einen auslĂ€ndischen Multi zu verkaufen und die Milliarden in Fernost, Lateinamerika oder Europa zu reinvestieren, versucht sie, mit Clariden Leu eine zweite starke Marke mit Sitz in der Schweiz aufzubauen. Der CS-AktionĂ€r wird damit Besitzer von zwei Banken mit unterschiedlichen GeschĂ€ftsmodellen: einer global agierenden Vermögensverwaltungs- und Investmentbank und einer auf reiche Privatkunden fokussierten Bank mit Schwerpunkt Schweiz. Wenn er nur das eine, nicht aber das andere will, kommt der CS-Titel fĂŒr ihn nicht in Frage. WĂ€hrend die UBS ihre KrĂ€fte auf eine Marke konzentriert, droht bei der CS eine Verzettelung, und es ist nicht auszuschliessen, dass sich Mutter CS und Tochter Clariden Leu dereinst ins Gehege kommen.

Die unterschiedlichen AnsĂ€tze passen ins Bild der letzten Jahre. Die UBS, die beim Platzen der Internetblase weitgehend ungeschoren davonkam, weil sie just in diesen Jahren mit internen Problemen zu kĂ€mpfen hatte, investiert laufend aus einer Position der StĂ€rke heraus in die Zukunft. Beharrlich setzt sie ihre Strategie um und verstĂ€rkt ihre Position als weltweit grösste Vermögensverwalterin und fĂŒhrende Wertschriftenbank. Der Verkauf der Privatbanken war ein wichtiger Stein in diesem Puzzle.

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Die CS hingegen geriet nach der Jahrtausendwende in den Strudel der ĂŒberbewerteten New Economy und versucht seither, ihren RĂŒckstand aufzuholen. Das braucht eine Langfriststrategie und viel Geduld bei der Umsetzung. Nichts von beidem ist ersichtlich. Stattdessen erweckt die CS den Eindruck, ihren Unternehmenswert mit Überraschungsaktionen auf die Schnelle steigern zu wollen. Ein strategischer Ansatz, wie man ihn bei der UBS erkennen kann, leuchtet einem bei der Schaffung der Clariden Leu jedenfalls nicht ein. Denn was hat sich im Kern gegenĂŒber vorher verĂ€ndert? Statt dass jede Bank einzeln im Markt auftritt und ihren Gewinn separat an die Mutter abliefert, passiert das in Zukunft gebĂŒndelt. Um mehr geht es im Grunde genommen nicht.

SelbstverstĂ€ndlich hat die CS die Option geprĂŒft, ihre Privatbanken zu verkaufen. Sie ist aber zum Schluss gekommen, dass sie die sicheren Gewinne ihrer Töchter den unsicheren einer Investition im Ausland vorzieht. Zusammen verdienten die fĂŒnf Banken im letzten Jahr 450 Millionen Franken, ab dem Jahr 2008 sollen es durch eine zentralisierte IT und weitere Synergien sowie dank neuen Kunden 550 Millionen sein. Jeder Clariden-Leu-Mitarbeiter wĂŒrde demnach die stolze Summe von 300 000 Franken zum Gruppengewinn beisteuern. Bei der Julius BĂ€r sollen es 250 000 Franken sein.

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Als besondere Perle gilt die Clariden Bank. Sie ist aus der frĂŒheren White Weld hervorgegangen, wo CS-Konzernchef Oswald GrĂŒbel seine ersten Sporen abverdiente. Als die CS MehrheitsaktionĂ€rin wurde, teilte sie White Weld auf: Das Handels- und FirmengeschĂ€ft ging an die CS First Boston, aus dem PrivatkundengeschĂ€ft wurde die Clariden Bank. Da diese von ihrer Mutter an der langen Leine gefĂŒhrt wurde, zog sie innovative Manager an, die Risiken eingehen durften, fĂŒr die sie bei der CS oder der UBS ihre Karriere aufs Spiel gesetzt hĂ€tten.

Dass die Clariden Bank bis heute unabhĂ€ngig agieren konnte, hat sie dem frĂŒheren CS-PrĂ€sidenten Rainer E. Gut zu verdanken. Dieser garantierte den White-Weld-Besitzern und spĂ€teren Clariden-Chefs die unternehmerische Freiheit, solange sie aktiv im GeschĂ€ft seien. Nun scheidet mit Alex Hoffmann, dem bisherigen PrĂ€sidenten der Clariden Bank, der letzte der Gut-Boys aus. So wurde der Weg fĂŒr eine Integration frei.

Einer der jungen Banker, die das enge Korsett einer Grossbank mit den Freiheiten bei der Clariden tauschte, ist Beat Wittmann, Sohn des emeritierten Freiburger Professors und Buchautors Walter Wittmann. Er stiess Mitte der neunziger Jahre zur Clariden und machte sich dort einen Namen als «Vater der Sektorfonds», Finanzvehikel, die nicht in Regionen und WĂ€hrungen investierten, sondern auf Themen setzten. «Wir sagten uns damals, dass wir weltweit zu den Besten zĂ€hlen wollen», schaut Wittmann auf seine Anfangszeit bei Clariden zurĂŒck. «Das geht nur mit einer grossen Anstrengung.»

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Sektorfonds sind inzwischen alltĂ€glich geworden, allein damit wird sich die Clariden Leu nicht von der Masse abheben können. Und auch ihre neue Grösse, als Plus herausgestrichen, ist keine Garantie fĂŒr zukĂŒnftigen Erfolg. Es bleibt ein gewaltiger Abstand zu den globalen Finanzmultis. Ob im Markt tatsĂ€chlich genĂŒgend Raum fĂŒr eine dritte Kraft Ă  la Julius BĂ€r und Clariden Leu besteht, bleibt offen.

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