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Miniso im Anflug

Milliardenschwerer chinesischer Detailhändler startet bald in der Schweiz

Ein weiterer chinesischer Händler nimmt Kurs auf die Schweiz. Nach Temu und Shein steht Miniso für einen neuen Stil aus dem Reich der Mitte.

Andreas Güntert

<p>Miniso-Shop in Ecuador: Die Chinesen sind in 112 Ländern präsent. Die Schweiz kommt als Nächstes dran.</p>

Miniso-Shop in Ecuador: Die Chinesen sind in 112 Ländern präsent. Die Schweiz kommt als Nächstes dran.

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So viel Rosa war selten. Wer an der Mailänder Via Torino 55 den Laden des chinesischen Retailers Miniso betritt, fühlt sich wie von Zuckerwatte verschluckt. Rosa ist der Farbcode in diesem Minikosmos; der maximal-invasive Ton zieht sich durch fast alles, was hier angeboten wird. In den Gestellen liegen Gesichtsmasken und andere Kosmetikprodukte aus, gefolgt von japanisch inspirierten Snacks, Süssigkeiten und Tech-Gadgets aller Art.

Alles reiht sich dicht an dicht im pinken Zuckerwatteland. Mit einer farblichen Nuance: Was nicht in Rosarot erscheint, zeigt sich in Hellblau.

Erste Miniso-Läden eröffnen 2026 in der Schweiz

Der Retailkoloss Miniso, 2013 im chinesischen Perlflussdelta gegründet und heute an der New Yorker Börse gelistet, wird sich auch bald schon in der Schweiz mit Läden zeigen. Hinter dem pinken Markteintritt steht Sandra Freund, wie die erfahrene Detailhandelsspezialistin bestätigt: «Ich bin Schweizer Masterfranchisenehmerin von Miniso. Das Unternehmen ist an mich herangetreten, und ich war sehr schnell fasziniert vom Konzept dieser chinesischen Detailhändlerin.»

Dauern werde es nicht mehr allzu lange bis zum Angriff in Rosa, sagt Freund: «2026 geht es los mit ersten Läden in der Schweiz.» Das Konzept funktioniert in vielen Ecken dieser Welt. Miniso ist zurzeit mit über 7500 Läden in 112 Ländern aktiv, per Jahresende zählte man am Hauptsitz in Guangzhou einen Umsatz von 2,3 Milliarden Dollar, umgerechnet 1,85 Milliarden Franken.

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China-Händler, von billig bis edel

Ultratiefe Preise, immenser Onlinewerbedruck, riesige Auswahl – das waren bisher die Triggerpunkte der Händler aus dem Reich der Mitte. Eine kleine Schöpfungsgeschichte der chinesischen Retailer in der Schweiz, mögliche weitere Player inklusive.

Aliexpress

Ab 2015 sorgte Aliexpress mit Tiefstpreisen für Furore in der Schweiz. Und die Plattform sorgte auch für Ärger. Durch die Einstufung Chinas als Entwicklungsland ermöglichte der Weltpostverein chinesischen Playern sehr tiefe Versandpreise. Das hat sich seither stark geändert. Aliexpress ist heute gemäss Schätzung von Carpathia mit einem Umsatz von 390 Millionen Franken noch der achtgrösste Webshop in der Schweiz.

Shein und Temu

Die zwei chinesischen Billigheimer legten hierzulande in den Jahren 2020 (Shein) und 2023 (Temu) los. Beide nutzen Social Media exzessiv für ihr Marketing, beide sind aufgrund von Produktionsmethoden und -qualität umstritten. Temu möchte sich auch als Plattform für lokale Anbieter einen Namen machen. Geschätzter Schweiz-Umsatz von Temu: 700 Millionen Franken. Der Umsatz von Ultra-Fast-Fashion-Händlerin Shein wird auf 250 Millionen Franken geschätzt.

JD.com

China-Händler treten bei uns nur in der Onlineversion auf – das war lange so. Doch seit diesem Jahr gibt es auch die Offlinevariante. Der chinesische Gigant JD.com kam durch die Übernahme von Ceconomy, der deutschen Muttergesellschaft der Elektronikhändler Mediamarkt und Saturn, auch zu 45 Standorten in der Schweiz. Erstmals drängt so ein chinesischer Händler in die Innenstädte und Shoppingviertel Europas.

Luckin, Cotti, Urban Revivo

Im gehobeneren Bereich sind Player in China aktiv, die ein Auge auf westliche Länder werfen. Modehändlerin Urban Revivo gilt als chinesisches Zara; die Coffeeshopketten Luckin und Cotti wachsen rasch, auch aufgrund der aktuellen Starbucks-Schwäche. Luckin, Cotti und Urban Revivo liessen ihre Marken in der Schweiz bereits schützen. Vorsorglich oder mit konkreten Plänen? Das wird sich noch zeigen.

Grosses Geschäft mit Lizenzartikeln

Sandra Freund glaubt fest daran, dass auch Land 113 zum Erfolg wird: «Ich bin 150-prozentig überzeugt, dass Miniso in der Schweiz einschlagen wird.» Die Ostschweizerin kennt den hiesigen Detailhandel à fond, vor allem in seiner kleinteiligen Ausprägung. Freund besitzt unter anderem die Süsswarenkette Lolipop (zwanzig Standorte in der Schweiz) und die Swissness-Concept-Stores Feinedinge (fünf Läden). Zuvor etablierte Freund, die heute zweihundert Angestellte beschäftigt, das dänische Kleinflächenkonzept Søstrene Grene in der Schweiz.

Was Sandra Freund an Miniso so speziell findet, ist die langjährige Anbindung an die grossen Player aus der westlichen Entertainmentindustrie: «Rund 50 Prozent der Umsätze macht Miniso mit Lizenzartikeln von Weltmarken wie Disney, Marvel, Harry Potter oder Hello Kitty. Das ist ein beständiges Geschäft – und eines mit noch sehr viel Potenzial.» Grossäugige und flauschige Puppen und Figuren bevölkern das Zuckerwatteland, alle bekannt aus Film und Fernsehen.

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Geistiges Eigentum wird hier gehegt und gepflegt

Wenn es um den korrekten Umgang mit geistigem Eigentum (oder Intellectual Property, abgekürzt IP) geht, besitzt China in weiten Teilen der westlichen Welt immer noch einen zweifelhaften Ruf. Das Land habe sich weniger durch Kreativität, sondern durch Nachahmungen und Fälschungen einen Namen gemacht, wird vielerorts moniert.

Dass ein chinesischer Retailer langjährige offizielle Lizenzpartnerschaften mit westlichen Firmen eingeht, mag da für viele eher überraschend klingen.

China kann mehr als nur billig

Es dürfte im Umgang mit chinesischen Detailhändlern nicht die letzte Überraschung sein. Aufgrund der bisherigen Erfahrungen mit Onlineplattformen wie Temu und Shein herrscht hierzulande der Eindruck vor, dass man es bei Retailern chinesischer Abstammung in der Regel mit Billigschleudern mit No-Name-Produkten aus der alleruntersten Schublade zu tun hat. Aber da ändere sich gerade etwas, sagt der Schweizer Detailhandels- und Digitalexperte Andy Baldauf.

Der vormalige Migros-Manager bereiste China Ende 2024 länger und bietet unter dem Namen «Swiss.China.Tour» Studienreisen ins Reich der Mitte an. Sein Befund: «China kann mehr als nur billig. Dortige Produzenten und Händler haben in einer ersten Phase den Westen studiert, dann adaptiert und kopiert.» In einer zweiten Phase, sagt Baldauf, seien sie nun daran, zu innovieren und ihre Produkte und Konzepte für den weltweiten Massenmarkt zu skalieren. Baldauf fällt das auch in anderen Geschäftsfeldern auf: «Im Automobilmarkt sehen wir sehr gut, wie schnell China dazugelernt hat und jetzt Produkte lanciert, die nicht blosse westliche Klone sind, sondern mit eigenen Features daherkommen. Und so wird es auch bei anderen Konsumgütern und im Detailhandel passieren.»

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Ein Konzept für die Generationen Alpha und Z

Die Schweizer Miniso-Geburtshelferin Sandra Freund sieht das ähnlich und streicht heraus, wie sehr sich China gerade verändere: «Ich war kürzlich wieder dort und habe gestaunt. Bei Themen wie Speed, Skalierung und Social Selling können wir sehr viel lernen von den Chinesen. Und beim Einsatz neuer Technologien sowieso.» Als Zielgruppe für Miniso sieht Freund vor allem Vertreterinnen und Vertreter der Generationen Alpha und Z, also jene jungen Menschen in der grossen Spanne zwischen erstem Sackgeldbezug und dem Einstieg ins Berufsleben.

Anpeilen will die Unternehmerin stark frequentierte Lagen in der ganzen Schweiz: «Als Standorte wären Bahnhöfe gut, aber auch Shoppingcenter und 1a-Citylagen passen zum Konzept. Wir werden auf Flächen zwischen hundert und fünfhundert Quadratmetern arbeiten.» Weisse Flecken für das rosa Konzept sieht Sandra Freund in der Schweiz einige: «Zwanzig Standorte sollten innerhalb der nächsten zehn Jahre gut machbar sein.»

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Über die Autoren
Andreas Güntert

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