Guten Tag,
Blöde Frage: Er ist Preis, Aufwand und Kaufkraft – zur gleichen Zeit, bei den gleichen Personen.
Werbung
Was ist der Lohn? Blöde Frage: jene Summe natürlich, die auf meinem Lohnkonto erscheint. Diese Summe erhalte ich für geleistete Arbeit. Sie ist der Preis für meine Arbeit. Und da ich gute Arbeit leiste, sollte auch der Preis dafür höher sein. Ich werde mehr verlangen.
Was ist der Lohn? Blöde Frage: jene Summe natürlich, die ich meinem Mitarbeiter überweisen muss. Für mein Unternehmen ist das ein Aufwand, der in die Herstellungskosten meiner Produkte einfliesst. Und da deren Preise ins Rutschen gekommen sind, sind diese Kosten viel zu hoch. Ich sollte die Löhne kürzen.
Was ist der Lohn? Blöde Frage: jene Summe, aus der ich meine monatlichen Ausgaben bestreite und ein wenig für später zurücklege. Da es mit der Altersvorsorge im Moment ziemlich düster aussieht, sollte ich vielleicht mehr zurücklegen. Also kein neues Auto.
Was ist der Lohn? Blöde Frage: ein erheblicher Teil jener Summe, die den Konsumenten zur Verfügung steht, um meine Produkte zu kaufen. Je höher die Kaufkraft, umso besser für mein Geschäft. Hohe Löhne sind gut für mich.
Was ist der Lohn? Kluge Frage: Der Lohn ist alles Mögliche. Für den Arbeitnehmer ist er der Preis für seine Arbeit. Für den Unternehmer ist er ein wichtiger Kostenfaktor. Für den Konsumenten und den Detailhandel bestimmt er die Kaufkraft. Und da fast alle zumindest Arbeitnehmer und Konsumenten sind, meistens aber auch noch Arbeitgeber (wenn wir eine Putzfrau beschäftigen, oder wenn wir dem lernschwachen Nachwuchs Nachhilfestunden finanzieren), wohnen mehrere Seelen in unserer Brust, wenn wir an den Lohn denken.
Werbung
Und das macht die alljährlich anhebende Diskussion um die Löhne des nächsten Jahres zu einem unerschöpflichen Quell der Freude. Jedenfalls für Menschen, die absurdes Theater lieben. Obwohl es bei der Auseinandersetzung um den Lohn im Wesentlichen um die Frage geht, wer in der besseren Verhandlungsposition ist – um eine Machtfrage –, tun alle Beteiligten so, als gäbe es rationale, zwingende Kriterien, nach denen sich der Lohn berechnen liesse.
Gibt es aber nicht; es gibt nur Ansprüche. Die Arbeitnehmer wollen ihren Besitzstand wahren (Teuerungsausgleich) und beanspruchen ihren Anteil am Produktivitätsfortschritt (Reallohnerhöhung). Die Arbeitgeber beklagen die schlechte Ertragslage (Zwang zu Kosteneinsparungen, kein Teuerungsausgleich) und beanspruchen den Produktivitätsfortschritt für die Erhaltung der Konkurrenzfähigkeit.
Beides ist logisch – wenn man die Voraussetzungen akzeptiert: dass nämlich jeder Mensch im Leben nur eine Rolle spielt. Sobald man sich darauf einlässt, dass wir in mehreren Rollen leben, geht die Logik nicht mehr auf.
Der Arbeitgeber, der die Löhne aus Renditegründen kürzt, beschädigt damit nicht nur die Arbeitsmoral seiner Mitarbeiter, was sich auf die Produktivität negativ auswirkt – er beschneidet auch die Kaufkraft der bei ihm arbeitenden Konsumenten. Die können dann seine Produkte nicht mehr kaufen.
Werbung
Der Arbeitnehmer, der, da er vielleicht gerade unerlässlich ist, seine Verhandlungsmacht bis aufs Letzte ausreizt, beschädigt die Rentabilität des Unternehmens und gefährdet womöglich gar dessen Existenz – und damit seinen eigenen Arbeitsplatz.
Der Konsument, der immer nur Schnäppchen jagt und zum Beispiel häufig im benachbarten Ausland einkauft (weil es dort billiger ist), beschädigt den Geschäftsgang der inländischen Anbieter, die ihre Preise senken und zu diesem Zweck Kosten sparen müssen, was am wirksamsten mit Lohn- und/oder Stellenabbau geschieht.
Was also ist der Lohn? Blöde Frage: Er ist das wichtigste Schmiermittel der Wirtschaft, das die ganze Maschinerie der Märkte rund laufen lässt. Solange die Menschen Einkommen haben, können sie konsumieren; solange sie konsumieren, können die Unternehmen produzieren; solange die Unternehmen produzieren, können sie Löhne zahlen. Wer mit dem Lohn leichtfertig hantiert, gefährdet das System. Das gilt für alle Beteiligten: für die Gewerkschaften, wenn sie unvernünftige, die Unternehmen strangulierende Forderungen stellen; für die Arbeitgeber, wenn sie ohne Not unvernünftige, die Kaufkraft ihrer Mitarbeiter strangulierende Lohnangebote machen; aber auch für die Topmanager, wenn sie ihren untergeordneten Kollegen mit schlechtem Beispiel vorangehen und stets das Maximum für sich herausholen – und nur für sich.
Werbung
Werbung