Abo

Kolumne Makro: Rezepte für den Abschwung

Statt mit Bleihammermethoden die Konsumenten in die Flucht zu schlagen, sollten sich die Wirtschaftsführer um das Fingerspitzengefühl von Psychologen bemühen.

Werbung

Mit den Erwartungen ist es so eine Sache. Entweder blähen sie sich unmerklich auf und heben von der Basis ab. Oder sie schrumpfen in sich zusammen und verzerren so die realen Verhältnisse. Senkt die Nationalbank beispielsweise die Leitzinsen, so lässt sich darin je nach Standpunkt ein Lichtblick oder eine Gefahr erblicken: Entweder man hält sich vertrauensvoll ans Lehrbuch und geht davon aus, dass tiefere Kapitalkosten die Investitionstätigkeit erhöhen und, mit einer gewissen Verzögerung, die gesamte Wirtschaft ankurbeln werden. Oder aber man misstraut der Notenbank und vermutet hinter dem Zinsschritt eine Angstreaktion. Stellt sich diese Annahme als richtig heraus, dann ist es um die Wirtschaft schlechter bestellt, als die Währungshüter öffentlich zugeben. Statt einen positiven Impuls auszusenden, ist es so möglich, dass die geldpolitische Lockerungsübung kontraproduktive Folgen hat: Obwohl das Liquiditätsangebot in der Wirtschaft zunimmt, werden die Kredite nicht billiger, sondern teurer.

Partner-Inhalte

Wie schafft man Vertrauen, wenn vermeintliche Grundregeln wie das Gesetz von Angebot und Nachfrage bei negativen Erwartungen ins Wanken geraten? Jedenfalls nicht, indem man die Wirtschaftssubjekte zusätzlich verunsichert. Werden im Konjunkturtief Themen wie die Pensionskassenkrise oder die Wachstums- lethargie der Schweizer Volkswirt- schaft lautstark auf die Agenda gesetzt, so schürt man die verbreiteten Zukunftsängste nur noch. Dass die Stabilität der zweiten Säule ein Thema ist, das auf den Nägeln brennt, ist unbestritten. Nur kommt das allgemeine Lamento darüber, wie viel wir zusätzlich sparen müssen, um unsere Renten dereinst finanzieren zu können, zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt. Schliesslich ist die steigende Lebenserwartung, wie es die NZZ unlängst treffend formulierte, «kein Phänomen, das am vergangenen Wochenende zur grossen Überraschung der Versicherungen entdeckt wurde».

Werbung

Dass allenthalben vor Deflationsgefahren gewarnt wird, macht die Situation nicht einfacher. Zusammen mit der wachsenden Sorge um den Erhalt der Arbeitsplätze drängt ein Szenario, wie man es etwa von Japan her kennt, die Haushalte zusätzlich in die Defensive. Je undifferenzierter mit dem D-Wort hantiert wird, desto eher ist damit zu rechnen, dass sich diese beim Kauf langlebiger Konsumgüter zurückhalten und darauf zu wetten beginnen, dass die von ihnen gewünschten Produkte und Dienstleistungen künftig billiger werden. Solange den Wirtschaftsakteuren der Glaube an eine nachhaltige Wende zum Besseren fehlt, lassen sie sich weder durch Preisnachlässe noch durch tiefere Zinsen zu Konsum und Investitionen bewegen. Eher neigen sie dazu, ihre Ausgaben aufs Nötigste zu beschränken: Die Wirtschaft sitzt in der Liquiditätsfalle.

Strukturprobleme zu ignorieren, wäre indes fatal. Fühlen sich die Haushalte hinters Licht geführt, schwindet ihr Vertrauen in die Wirtschaft erst recht. Zeitpunkt und Tonlage von Negativbotschaften können deshalb nicht vorsichtig genug gewählt werden. In einer Phase fortgesetzter Stagnation gleicht das Erwartungs-Management folglich einem Hochseilakt. In ihrer Not versuchen es die Politiker jetzt mit populistischen Fiskalgeschenken und einem forcierten «deficit spending». Grosszügige Steuerrabatte sollen die Verbraucher in Spendierlaune versetzen und so dazu beitragen, dass die Konjunktur endlich wieder auf Touren kommt. Die Gefahr ist allerdings gross, dass auch diese Massnahmen letztlich im Sand verlaufen, weil das zusätzlich verfügbare Einkommen bei den Konsumenten versickert. Solange sich deren Stimmungslage nicht nachhaltig aufhellt, dürfte der staatliche Obolus mehrheitlich unter der Matratze oder im Sparstrumpf verschwinden.

Werbung

Wenn die Grundannahme stimmt, dass der Aufschwung im Kopf beginnt, dürfte dieser mithin noch eine Weile auf sich warten lassen.

Auch interessant

Werbung