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Das Erfolgsrezept smarter Unternehmen? Sie machen es ihren Kunden nicht immer leicht.
Dominik Imseng
Dass die Verpackung von Apple-Produkten oft schwierig zu öffnen ist, ist Kalkül.
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Müsste ich das Passwort für das Onlinebanking von Jeff Bezos erraten, wäre mein erster Versuch: US5960411A. So lautet die Patentnummer für den 1-Click-Button («Jetzt kaufen»), mit dem man bei Amazon mit nur einem Klick Artikel in den Warenkorb legen, bezahlen und sich nach Hause liefern lassen kann.
Dass sich Bezos bestimmt gern erinnert, wie er 1999 den Online-Einkauf radikal vereinfacht hat, kommt nicht von ungefähr. Nehmen wir einmal – konservativ geschätzt – an, dass der 1-Click-Button die Erlöse von Amazon um zehn Prozent erhöht. Dann wären diese wenigen Quadratmillimeter Jahr für Jahr Dutzende Milliarden wert.
Dominik Imseng ist Partner bei Smartcut Consulting, einem Beratungsunternehmen im Bereich Verhaltensökonomie, und Autor des Buchs «Chief Behavioral Officer».
Dennoch ist es nicht so, dass nur Unternehmen prosperieren, die konsequent Friction abbauen – so nennen die Verhaltensökonomen jede Form von Mühsal, die Kunden vergrault. Nicht wenige Anbieter haben gerade umgekehrt Erfolg: Statt Reibungspunkte zu vermeiden, bauen sie diese gezielt ein. So setzen etwa Flugportale wie Opodo oder Skyscanner auf die sogenannte Labor Illusion: Während ein Flieger um die Erde kreist oder eine ähnliche Animation zu sehen ist, werden ein paar Sekunden lang sämtliche Anbieter mit Flügen für die gewünschte Route aufgelistet. In Wahrheit könnten die Portale die passenden Verbindungen auf Knopfdruck ausspucken. Aber die künstliche Verlangsamung der Suche gibt uns das Gefühl, dass auch bestimmt alle verfügbaren Flüge angezeigt werden – auch jene mit dem besten Preis und den besten Zeiten.
Gut Ding will Weile haben – das weiss auch Apple. Achten Sie einmal darauf, wie es sich anfühlt, die Schachtel mit Ihrem neuen iPhone zu öffnen. Sie werden merken: Der Deckel sitzt so eng, dass er sich nur unter Überwindung eines leichten Widerstands abheben lässt. Das ist kein Zufall, sondern millimetergenau designte Erhöhung der Vorfreude. Das Öffnen der Box soll sich – Zitat Steve Jobs – wie «die Entdeckung eines Schatzes» anfühlen. Das Verhältnis zwischen Käufer und iPhone wird so gezielt emotionalisiert.
Auch die französische Luxusmarke Hermès macht es einem schwer, Schachteln zu öffnen. Zumindest solche mit einer Birkin Bag darin. Wer eine der ikonischen Taschen haben will, kann sie nicht einfach bestellen. Man muss sich für den Erwerb einer Birkin Bag qualifizieren – durch den langjährigen Kauf von Foulards, Gürteln und Kleidung in einer Hermès-Boutique und (nicht zuletzt) durch das freundschaftliche Verhältnis zu einem der Mitarbeitenden. Der Wunsch, eine Birkin Bag zu erwerben, wird so zur Aufnahmeprüfung; der Stolz, es aller Widerstände zum Trotz geschafft zu haben, zum Teil des Produkterlebnisses.
Es versteht sich von selbst: Unproduktive Friction – zum Beispiel durch einen verwirrenden Onlinestore oder lange Warteschleifen in einem Kundencenter – gilt es um jeden Preis zu vermeiden. Stattdessen dürfen ausschliesslich solche Barrieren eingebaut werden, die gezielt das Kundenerlebnis verbessern. Entscheidend dabei ist die konsequente Berücksichtigung verhaltenswissenschaftlicher Erkenntnisse, die mitunter überraschen. So belegen etwa Studien, dass ultraschnelle Lieferzeiten im Onlinehandel nicht selten die Retourenquote erhöhen. Der Grund: Der Empfänger hatte noch nicht die Möglichkeit, eine impulsive Kaufentscheidung zu rationalisieren.
Darum: Machen Sie es Ihren Kunden leicht, aber auch nicht zu einfach. In einer Zeit, in der Algorithmen alles glätten, kann das gezielte Hinzufügen von Stolpersteinen ein entscheidender Wettbewerbsvorteil sein. Denn was auf die richtige Art Mühe macht, bleibt im Kopf, im Herzen – und im Markt.
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