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Finanzberater in der Kritik

Ist das VZ wirklich so unabhängig wie es von sich sagt?

Der Finanzberater ist einer der erfolgreichsten hiesigen Vermögensverwalter und sagt von sich, er sei unabhängig. Doch daran gibts Zweifel.

Holger Alich

Holger Alich

<p>Matthias Reinhart ist Gründer, Präsident und Grossaktionär des VZ Vermögenszentrums.</p>

Matthias Reinhart ist Gründer, Präsident und Grossaktionär des VZ Vermögenszentrums.

PD/VZ Vermögenszentrum AG

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Ein milder Sommerabend im Juni. Die meisten Menschen in Zürich geniessen das warme Wetter am Seeufer oder auf der Terrasse einer Bar. Doch drei Männer und drei Frauen der Ü50-Generation büffeln stattdessen in einem schlichten Besprechungsraum des VZ Vermögenszentrums in einer Schulung zum Thema «Erfolgreich Geld anlegen mit ETF».

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Referent am Hauptsitz an der Zürcher Gotthardstrasse ist ein blonder junger Berater, der locker ein Sohn der Anwesenden sein könnte. «Jetzt ist Krieg in Israel, ist das wirklich ein guter Zeitpunkt zum Einstieg?», will eine Teilnehmerin wissen. Der Berater erklärt, dass der Einstiegszeitpunkt nicht so entscheidend sei. Wichtiger sei es, bei Aktien einen langen Atem zu haben. «Die Kurse werden immer schwanken.»

Zweifel an der Unabhängigkeit

Das VZ bietet eine ganze Palette solcher Gratiskurse an, dazu Zeitschriften und Bücher, vor allem zu den Themen Pension und Vorsorge. «In der Schweiz ist das VZ Vermögenszentrum seit Jahren die erste Adresse, wenn es um unabhängige Vermögensberatung geht», heisst es im hauseigenen Unternehmensporträt. Aber stimmt das?

In der Finanzbranche gibt es Kritik. «Das VZ ist nicht wirklich unabhängig, das Unternehmen verdient mit den eigenen Anlagelösungen», sagen zwei Geschäftsleitungsmitglieder namhafter Banken. VZ-Gründer und Verwaltungsratspräsident Matthias Reinhart hält dagegen: «Beim VZ gibt es keine Interessenkonflikte, denn wir verkaufen keine eigenen Finanzprodukte.»

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Fakt ist: Die Pensions- und Geldberatung ist ein wichtiges Akquisetool für die hauseigene Vermögensverwaltung. Keine zwölf Stunden nach dem ETF-Kurs klingelt bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern das Telefon. Grund für den Anruf ist die Frage, ob sie nicht mit dem VZ ins Geschäft kommen wollen.

Wer in Sachen Pensionsvorbereitung oder Anlagefragen ins Detail will, bucht die Honorarberatung, die 180 bis 260 Franken pro Stunde kostet. Und diese Honorarberatung ist oft das Vorspiel dafür, dass die Boomer-Kundschaft dann auch die Vermögensverwaltung des VZ kauft.

Genau daran entzündet sich die Kritik: Auch das VZ verkaufe eigene Produkte, denn letztlich sei eine Vermögensverwaltung auch ein Finanzprodukt. Tatsächlich steuert die Honorarberatung keine 10 Prozent zu den Einnahmen bei. Der Löwenanteil kommt aus der eigenen Vermögensverwaltung, die in Konkurrenz zu anderen Banken steht.

Mehr Neugeld als eine Privatbank

Unstrittig ist: Reinharts VZ ist eine Gewinnmaschine. Die Finanzberatung, die der Ex-McKinsey-Mann mit seinem 2001 verstorbenen Partner Max Bolanz 1993 gegründet hat, ist eines der erfolgreichsten Finanzunternehmen der Schweiz. Die Zahl der Kundinnen und Kunden ist von rund 10’000 im Jahr 2008 auf mittlerweile 83’000 angewachsen.

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Seit 2005 wächst das verwaltete Vermögen jährlich im zweistelligen Prozentbereich. Mittlerweile sammelt das VZ über 5 Milliarden Franken Neugeld pro Jahr ein, mehr als die Bank Vontobel im Private Banking. Und der Börsenwert von 6,8 Milliarden Franken ist fast doppelt so hoch wie jener von Vontobel.

Das Geniale am VZ-Konzept ist, dass das Unternehmen auf teure Relationship-Manager verzichtet, die bei anderen Banken für hohe Gehälter neue Kunden und deren Gelder hereinholen sollen. Die Kosten pro Mitarbeiter sind beim VZ sogar tiefer als bei der Zürcher Kantonalbank, die neben gut bezahlten Beratern auch viele Backoffice-Kräfte hat, die weniger verdienen.

Das ist der Kern der Erfolgsmaschine VZ: «Technisch gesehen ersetzen unsere Veröffentlichungen, wie die Zeitschriften, Analysen und Bücher, den Vertrieb», erklärt Gründer Reinhart. «Die Kunden kommen zu uns, weil sie einen Fachexperten zum Thema Pensionierung oder Nachlass suchen, der sie umfassend beraten kann.»

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Von hundert Teilnehmern an Erstgesprächen entscheiden sich fünfzig für die Honorarberatung. Wiederum die Hälfte davon nutzt dann eine der VZ-Plattformen – wie die hauseigene Vermögensverwaltung. Zudem vermittelt das VZ seinen Kunden Hypotheken, tritt als Versicherungsmakler auf, hat eine eigene Depotbank und eine eigene Vorsorgestiftung.

Was heisst unabhängig?

Aber ist das VZ damit noch wirklich unabhängig und ohne Interessenkonflikte? Ja, betont Reinhart, denn eigene Fonds, Zertifikate oder Versicherungen verkaufe das VZ nicht. Und Retrozessionen, die Produktanbieter Vertriebspartnern oft noch zahlen, schreibt das VZ seinen Kunden gut.

Fachanwälte wittern hier eine Regulierungslücke. So betreffen die Passagen des Finanzdienstleistungsgesetzes und der entsprechenden Verordnung zur Vermeidung von Interessenkonflikten primär nur den Verkauf eigener Produkte, nicht aber das Angebot einer eigenen Vermögensverwaltung.

So heisst es im erläuternden Finma-Rundschreiben zum Thema Vorschriften bei Interessenkonflikten: «Finanzdienstleister informieren Kundinnen und Kunden darüber, ob das bei der Auswahl von Finanzinstrumenten berücksichtigte Marktangebot nur eigene, eigene und fremde oder nur fremde Finanzinstrumente umfasst.»

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Rein rechtlich hat das VZ mit seiner Haltung also recht: Nur beim Verkauf von Finanzinstrumenten muss aufgeklärt werden, dass eigene Produkte zum Einsatz kommen und dass dies zu einem Interessenkonflikt führen könnte.

«Keine Beratung, die darauf abzielt, mehr verwaltete Vermögen zu holen, ist wirklich unabhängig», sagt dagegen Thorsten Hens, Professor am Department of Finance der Universität Zürich. «Aber wenn die Assets mal da sind, ist das VZ unabhängig, da es keine hauseigenen Produkte hat. Letzteres ist die in der Finanzbranche übliche Verwendung des Begriffs ‹unabhängig›.» Die Frage ist, ob diese Definition noch zeitgemäss ist.

Neugeld als Bonus-Variable

Reinhart vergleicht seine Beraterinnen und Berater gerne mit den Experten einer PwC oder KPMG. Doch im Gespräch räumt er ein, dass der Bonus seiner Leute neben der Kundenzufriedenheit und dem Honorarvolumen auch am Neugeld bemessen wird – also wie bei den Banken.

Bei den Beratern setzt er nur auf Eigengewächse: Das Unternehmen rekrutiert Absolventen frisch von der Uni und verpasst ihnen dann über zwei Jahre eine intensive hauseigene Schulung. Die so ausgebildeten VZ-Leute sind daher auch bei anderen Banken gerngesehen. Und mit einer Bezahlung von 110’000 bis 140’000 Franken im Jahr sind die VZ-Leute eher günstig. «Wir haben kaum Nachwuchsprobleme», sagt Reinhart dennoch, «denn gerade junge Menschen suchen eine sinnstiftende Tätigkeit, die können wir ihnen bieten.»

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Reinhart selbst, Spross der Winterthurer Reinhart-Dynastie, die das Handelshaus Volkart besass, wollte früh Unternehmer werden. Nach dem HSG-Studium heuerte er bei McKinsey an, eine Zeit, die er heute als «zweites Studium mit hohem Praxisbezug» bezeichnet. 1993 gründete er dann mit Max Bolanz das VZ.

Am Anfang war der Tarifvergleich

Das Ursprungskonzept war indes ein anderes als heute. Nach der Deregulierung des Versicherungsmarktes programmierte Reinhart zunächst Tarifvergleiche, damals ein Novum. «Das Geld haben wir zu Beginn mit Kommissionsgeschäften verdient», erzählt er. Doch das Geschäft mit Abschlüssen war ihm zu transaktionsgetrieben.

Er schwenkte um in Richtung Honorarberatung, vor allem zu den Themen Pensionierung und Vorsorge. Dann folgte der Aufbau der eigenen Vermögensverwaltung. 2007 ging das VZ an die Börse. Mittlerweile ist das Unternehmen auch in Deutschland und Grossbritannien aktiv.

Reinhart, der heute 64 Jahre alt ist und weiterhin gut 60 Prozent der Aktien hält, übergab 2023 die operative Leitung der Gruppe dem langjährigen VZ-Manager Giulio Vitarelli und tritt seither kürzer.

Wachstumsmotoren sind intakt

Sorgen, dass seine Wachstumsmaschine ins Stottern geraten könnte, hat er keine. Denn die Wachstumstreiber sind alle intakt: mangelndes Vertrauen in das Schweizer Vorsorgesystem, steigende Zahl an Menschen der Vermögensklasse «affluent» mit Vermögen von 100’000 bis 1 Million Franken. Zudem wächst das Zielpublikum mit dem Alter von über 50 Jahren stetig.

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Auch wenn die Konkurrenz das VZ nicht mehr für unabhängig hält – die Wachstumsmaschine nachzubauen, ist bisher niemandem gelungen. Gab es nie Übernahmeversuche? «Mir hat noch nie jemand angeboten, die Firma zu kaufen», sagt der VZ-Gründer und schiebt gleich stolz nach: «Das wäre auch viel zu teuer.»

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