Guten Tag,
Eric Xu, Chairman von Huawei, über die Folgen der Sanktionen, seine Meinung zu Präsident Trump und die Zukunft des Handelskrieges.
Huawei-Chairman Eric Xu: Alle sechs Monate rotiert der Posten als operativer Chef zwischen drei Personen.
Darrin Vanselow für BILANZWerbung
Eric Xu, auf Anweisung der US-Regierung dürfen US-Firmen nicht mehr mit Huawei kooperieren. Firmengründer Ren Zhengfei hat die gegenwärtige Situation einen «Leben-oder-sterben-Moment für Huawei» genannt. Wird Ihr Unternehmen in zwölf Monaten noch am Leben sein?
Vielleicht liegt dieser «Leben-oder-sterben-Moment» schon hinter uns. Ren Zhengfei hat die Firma mit einem Flugzeug verglichen, das von Einschusslöchern durchsiebt ist. Unsere Carrier-Sparte hat inzwischen die meisten Einschusslöcher repariert. Unsere Endkundensparte hat damit gerade begonnen. Zwei grosse Löcher bleiben: Zum einen was Google mit Android und den Google-Apps betrifft, zum anderen das Windows-Betriebssystem von Microsoft. Diese Löcher werden unseren Umsatz ramponieren. Aber ich glaube, wir werden die nächsten zwölf Monate überleben. Es wird eine Wiedergeburt Huaweis geben, und es wird uns stärker machen. Wir werden bei dieser Gelegenheit auch unnötiges Fett wegschneiden.
Wie reagieren Ihre Kunden in Europa und den USA auf die Situation?
In den Vereinigten Staaten haben wir schon lange keine nennenswerten Umsätze mehr. Und die meisten Geschäftskunden in Europa machen mit uns Business as usual. Nur ein paar haben die Zusammenarbeit mit uns reduziert.
Aber bei den Konsumenten ist die Verunsicherung gross.
Viele waren anfangs besorgt, dass unsere Geräte nicht mehr Android und die Google-Apps unterstützen würden. Deshalb sind die Umsätze eine Weile lang zurückgegangen. Aber sie erholen sich nun. Ich gebe zu, dass wir da in der Kommunikation Fehler gemacht haben.
Eric Xu ist aktuell Chairman und damit operativer Chef von Huawei; der Posten rotiert alle sechs Monate zwischen drei Personen. Vor 26 Jahren begann er bei der Firma, die damals erst 300 Mitarbeiter hatte. Xu traf sich mit BILANZ im Genfer Hotel des Bergues.
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Warum hat sich die US-Regierung Ihrer Meinung nach gerade auf Huawei eingeschossen?
Sie brauchte ein Ziel, das sie im Handelsstreit attackieren konnte – besonders im Technologiesektor. Die Giganten wie Alibaba, Tencent oder Baidu operieren vornehmlich in China, sind also schwer angreifbar. Und Firmen wie Oppo oder ZTE sind zwar international, aber zu klein. Nur Huawei ist ein echter globaler Technologie-Player aus China.
««Wir können unser Geschäft weiterführen, ohne abhängig von amerikanischen Komponenten zu sein.»»
Die Trump-Regierung hat für die Sanktionen bereits den zweiten Aufschub gewährt, der am 19. November ausläuft. Was passiert danach? Erwarten Sie, dass die Sanktionen Huawei dann mit voller Wucht treffen?
Diese 90-tägige Ausnahmeregelung bedeutet für uns nicht viel. Würden wir uns darauf verlassen, dass sie noch einmal verlängert wird, wären wir schon tot. Und würde sie noch einmal verlängert, würde das auch nicht viel bedeuten. Wir können unser Geschäft weiterführen, ohne abhängig von amerikanischen Komponenten zu sein – ausser bei den beiden genannten Löchern. Wir verwenden stattdessen Komponenten von nichtamerikanischen Firmen.
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Sie haben angekündigt, mit Harmony ein eigenes Smartphone-Betriebssystem aufbauen zu wollen, um unabhängig von Google zu werden. Wie soll das gelingen?
Wir haben klar gesagt, dass Harmony nicht unsere erste Wahl ist. Aber wenn wir auf Google und seine Anwendungen nicht mehr zugreifen können, dann haben wir keine andere Wahl, als Harmony auf unseren Smartphones und anderen mobilen Geräten anzuwenden.
Hoch automatisiert: Die Smartphone-Produktion von Huawei in Shenzhen braucht immer weniger Menschen.
Getty ImagesHoch automatisiert: Die Smartphone-Produktion von Huawei in Shenzhen braucht immer weniger Menschen.
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Sie brauchen dann aber auch ein ganzes Ökosystem mit Zehntausenden Apps, Entwicklern etc. An dieser Aufgabe sind schon ganz andere Firmen gescheitert, Microsoft, Nokia, Samsung oder Blackberry etwa.
Es ist eine grosse Herausforderung, so ein Ökosystem aufzubauen, das stimmt. Aber es ist nicht unmöglich. Unser Marketing-Claim ist ja auch: «Making it possible». Wir rechnen dafür mit drei bis fünf Jahren. Gegenüber den genannten Firmen hat Huawei grosse Vorteile: Im chinesischen Markt etwa wird es kein Problem sein, so etwas aufzubauen. Das bringt uns schon mal 60 Milliarden Dollar Umsatz pro Jahr. Darauf basierend können wir Land für Land das Gleiche schaffen. Und zweitens haben wir unsere eigene Smartphone-Marke und eine riesige Kundenbasis.
Aber keine US-Firma wird für Harmony Anwendungen programmieren, weil sie sonst auch sanktioniert würde.
Huawei stellt mit Harmony ja nur die Plattform zur Verfügung. Auch wenn US-Firmen uns nicht direkt mit Anwendungen beliefern, so können die Konsumenten diese Programme dennoch nutzen. Sie müssen sie einfach selbst finden und auf der Plattform installieren.
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««Ich möchte Sie nicht belügen darüber, was ich wirklich über Präsident Trump denke!»»
Was halten Sie persönlich von Präsident Trump?
Es steht mir nicht zu, ihn persönlich zu kommentieren. Ich möchte Sie nicht belügen darüber, was ich wirklich über ihn denke! Die chinesische Kultur ist anders als die amerikanische, wo man ihn sogar verfluchen könnte, ohne Probleme zu bekommen. Wäre ich Amerikaner, würde ich Ihnen eher einen Kommentar geben.
Hoffen Sie, dass er nächstes Jahr abgewählt wird?
Ich glaube nicht, dass es einen grossen Unterschied macht, wer US-Präsident ist. Die amerikanischen Parteien haben sich darauf geeinigt, dass sie China eindämmen wollen, und sie scheinen sich auch einig zu sein, wie sie uns angreifen wollen. Die Beziehungen zu China schlechter und schlechter zu machen, ist Politik beider Parteien.
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Sind Sie eingebunden in die US-chinesischen Verhandlungen?
Wir haben all die Jahre versucht, nicht in diesen Konflikt hineingezogen zu werden. Leider ist uns das nicht gelungen, und jetzt stehen wir gegen unseren Willen im Scheinwerferlicht. Wir wollen nicht Teil der Verhandlungen sein, wir glauben, wir können unsere Probleme selber lösen. Und wir wollen nicht die chinesischen Interessen opfern für jene von Huawei. Für uns sieht das Worst-Case-Szenario so aus, dass wir einfach ein paar Dutzend Milliarden Umsatz im Endkundengeschäft verlieren.
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Wie wird der Handelskrieg Ihrer Meinung nach weitergehen?
Ich bin nicht optimistisch, dass China und die USA sich einigen werden. In den frühen Verhandlungen wollte die chinesische Regierung ein Handelsabkommen mit den USA. Doch dann zeigte sich, dass es bei den Verhandlungen um mehr ging als nur um Handel. Schauen Sie, die chinesische Wirtschaft wird hauptsächlich vom Konsum bestimmt. Der Handelskrieg hatte also keinen grossen Einfluss auf uns. Die chinesische Regierung und das Volk stehen auf der gleichen Seite: Wir werden keine Kompromisse eingehen, wenn wir dafür in den Verhandlungen unsere Prinzipien opfern müssen.
Was bedeutet das konkret?
China hat drei rote Linien gezeichnet, die unverhandelbar sind (Anm. d. Red.: Alle Strafzölle müssen aufgehoben werden. Die Importe müssen der tatsächlichen Nachfrage entsprechen und nicht nur deswegen erhöht werden, um das Handelsdefizit zu verringern. Der Vertrag wird mit gegenseitigem Respekt abgeschlossen, was auch einseitige neue Strafzölle ausschliesst). Die USA akzeptieren all das nicht. Deswegen ist es schwierig, eine Einigung zu erzielen. Die chinesische Regierung und das Volk sind vorbereitet auf einen No-Deal. Die Vereinigten Staaten nicht.
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Dieses Interview erschien in der Oktober-Ausgabe 10/2019 der BILANZ.
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