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Editorial: Berater gegen die Scheren im Kopf

Die Wirtschaft engagiert weniger Consultants. Dabei wäre die externe Hilfe dringend nötig.

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Der Consulting-Branche geht es schlecht. Um mehr als 15 Prozent sanken die Honorareinnahmen 2002 laut Branchenverband ASCO. Da dort nicht alle Unternehmensberatungen vertreten sind, ist anzunehmen, dass der Einbruch branchenweit noch gravierender ausfiel. Dieses Jahr wird es, glaubt man den Klagen der Berater, nicht besser aussehen. Ein Ende der Malaise ist nicht in Sicht.

Es wäre Unsinn, den Grund für den aktuellen Zustand der Consulting-Unternehmen einfach in einst bekannt gewordenen Fehlleistungen zu sehen. So lange dauern Glaubwürdigkeitskrisen nicht, weil wir alle zu vergesslich sind.

Der Consulting-Branche geht es heute schlecht, weil es auch den Unternehmen in Industrie, Handel und Dienstleistung schlecht geht. Sie wollen keine neuen Projekte. Sie wollen sich stattdessen konsolidieren und die anstehenden Aufgaben mit den eigenen Leuten durchziehen.

Letzteres könnte ein schwer wiegender Fehler sein. Denn neue Ideen, echter Fortschritt, neue Dynamik und Innovationen können die Unternehmen heute nur noch selten aus eigener Kraft schaffen. Dafür wurden in den vergangenen Jahren zu viele Arbeitsplätze abgebaut und Kompetenzen ausgelagert. Und – Hand aufs Herz: Wann haben Sie als Führungsverantwortlicher von einem Mitarbeiter wirklich innovative Ideen, Vorschläge und Konzepte zu hören oder zu lesen bekommen? Und wann haben Sie einen Mitarbeiter erlebt, der mit Intelligenz und Herzblut für die Umsetzung eines Vorschlags oder Konzepts gekämpft hat?

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Nicht, dass die Mitarbeiter dazu nicht in der Lage wären. Es sind die erstickenden Routinen, die Energie zehrenden Reibungsverluste, die frustrierten Rückzüge auf eigene Besitzstände und das zufriedene Schmoren im eigenen Saft, die Neues in den Köpfen und Herzen von Mitarbeitern nur noch selten aufkommen lassen. Man steht sich selbst im Weg. Und wenn dennoch ein findiger Geist einmal etwas ausbrütet, dann kommt rasch die «Schere im Kopf» zum Einsatz: «Soll ich das denn überhaupt vorschlagen? Das kriege ich doch sowieso nie durch.» So werden aus guten Ideen Rohrkrepierer und aus an und für sich guten Mitarbeitern blinde Befehlsempfänger. «Bei uns werden ohnehin nur jene Ideen ernst genommen, die von aussen kommen», heisst es dann.

Die Betriebe brauchen Berater, also externe Kräfte, die helfen, Missratenes wieder auf Kurs zu bringen und Innovationen mit voranzutreiben. Sie brauchen Konzepte und Programme, die systematisch ins Unternehmen eingeführt und umgesetzt werden. Sie benötigen Consultants – und zwar gute. Denn – nochmals Hand aufs Herz: Jeder Unternehmer, jeder Führungsverantwortliche kommt gelegentlich in eine Situation, in der er mit seinem Latein am Ende ist. Dann wäre Hilfe von aussen gefragt.

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Bruno Simma, einst ICME-Präsident und heute Chef von Simma Management Consultants stellt auf Seite 52 fest: «Die selektive Nachfrage nach qualitativ hervorragender Beratung nimmt stark zu.» Das heisst: In der Consultant-Branche findet derzeit ein – vernünftiger – Ausleseprozess statt. Die Spreu trennt sich vom Weizen. Übrig bleiben werden hoffentlich die Guten, die mehr vermögen, als nur Kostensenkungsprogramme zu installieren, Unternehmen herunterzufahren und mittels blinder Outsourcing-Programmgläubigkeit Firmen auszuhöhlen. Gefragt sind Consultants, die Neues ins Unternehmen bringen – nicht nur um Kosten zu senken, sondern um geistiges wie monetäres Wachstum zu generieren. Dann wird auch bei Unternehmern wie Mitarbeitern die Akzeptanz von Unternehmensberatern wieder steigen.

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