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Sprühen statt Nähen

Dieser Schuh entsteht in nur sechs Minuten

Ein Roboter und 1,5 Kilometer Kunststofffaden: Das braucht es für den neuen Laufschuh von On. Ein Besuch in der ersten Light-Spray-Factory.

Olivia Ruffiner

Olivia Ruffiner

<p>Unter UV-Licht wird die Tinte getrocknet, zu diesem Zeitpunkt ist noch kein Mensch in die Produktion des Schuhs involviert.</p>

Unter UV-Licht wird die Tinte getrocknet, zu diesem Zeitpunkt ist noch kein Mensch in die Produktion des Schuhs involviert.

Logan Swney

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Es klingt wie bei Aschenputtel: ein Schuh, der wie angegossen passt. Er verursacht keine Druckstellen, bietet stabilen Halt und vermittelt das Gefühl, im siebten Himmel zu laufen. Was die Brüder Grimm bereits 1812 erzählten, bringt die Laufschuhfirma On im Jahr 2025 in Form des Cloudboom Strike LS auf die Strasse – mitten in Zürich.

Im unscheinbar wirkenden Gebäude neben dem hohen On-Turm im Zürcher Kreis 5 findet eine kleine Revolution statt. Hier produzieren vier Roboter täglich eine dreistellige Zahl des neuen Laufschuhs für die ganze Welt. «An einem herkömmlichen Schuh arbeiten normalerweise rund dreihundert Mitarbeitende», erklärte Caspar Coppetti, Mitgründer von On, bei der Eröffnung im Sommer. «Der Roboter ist in nur drei Minuten mit dem Schuh fertig.»

<p>Der Hauptsitz von On in Zürich.</p>

Der Hauptsitz von On in Zürich.

Logan Swney
<p>Der Hauptsitz von On in Zürich.</p>

Der Hauptsitz von On in Zürich.

Logan Swney

Im Produktionsraum surren und summen die Roboter. Zwischen den Roboterstationen, die der Schweizer Industriekonzern ABB mitentwickelte, verläuft ein Laufband. Hier befestigen Mitarbeitende die Schuhleiste und die Sohle. Der «Upper», der obere Teil des Schuhs, wird direkt auf die aus Asien importierte Sohle aufgesprüht. Dabei führt der Roboterarm eine komplexe Abfolge an Bewegungen aus. «Wir mussten das so programmieren, dass er an stabilitätsrelevanten Stellen wie der Ferse mehrfach drübergeht», erklärt Marie Georgarakis, Innovation Engineer bei On.

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Entwickelt hat die Technik Johannes Voelchert, Industrial Designer und Leiter des Innovation- Design-Teams bei On. Voelcherts Idee stammt von der Sprühschnur, wie man sie von der Fasnacht oder Halloween kennt. 2019 präsentierte er sein Konzept an einer Designmesse in Mailand – und wurde prompt von einem Mitarbeitenden von On entdeckt. «Wir fragen uns immer: Wie können wir etwas von Grund auf neu denken?», sagt Marie Georgarakis.

<p>Der Roboter sprüht den Schuh auf den Leisten (in Türkis).</p>

Der Roboter sprüht den Schuh auf den Leisten (in Türkis).

Logan Swney
<p>Der Roboter sprüht den Schuh auf den Leisten (in Türkis).</p>

Der Roboter sprüht den Schuh auf den Leisten (in Türkis).

Logan Swney

Der Roboterarm vollendet seine Arbeit: Der gesamte Upper besteht aus einem 1,5 Kilometer langen Faden, der nun langsam abkühlt und die Form des Leistens behält. Aufgrund der hohen Temperatur des Sprühvorgangs ist es nicht möglich, den Schuh direkt auf den Fuss der Athletinnen und Athleten zu sprühen. Das wäre auch nicht sinnvoll, erklärt Georgarakis, denn im Leisten seien etliche Details versteckt, die zum Tragegefühl und zur Laufdynamik beitragen. Die Verbindung vom Upper zur Sohle ähnelt einer sauber gezogenen Linie mit Heissleim.

Ein Schuh in sechs Minuten

So fragil er auch aussieht, der Schuh fühlt sich solide an und ist rissfest. Das spiralförmige Aufsprühen hinterlässt eine leicht strukturierte Oberfläche. Anschliessend geht es auf dem Laufband weiter zur Färbestation, wo das Logo per Tintenstrahldruckverfahren aufgetragen und mit UV-Licht fixiert wird. Sechs Minuten dauert der gesamte Prozess.

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<p>Das UV-Licht trocknet und festigt die Tinte.</p>

Das UV-Licht trocknet und festigt die Tinte.

Logan Swney
<p>Das UV-Licht trocknet und festigt die Tinte.</p>

Das UV-Licht trocknet und festigt die Tinte.

Logan Swney

Der einzige Mensch, der involviert ist, ist ein Techniker, der die Anlage überwacht. Immer wieder öffnet er Klappen, füllt eine Flüssigkeit nach oder drückt einen Knopf. Aktuell deckt die Light-Spray-Factory in Zürich die weltweite Nachfrage ab. Langfristig sei es das Ziel, an möglichst vielen Orten auf der Welt eine Fabrik zu haben, um lokal produzieren zu können, sagt eine Sprecherin. Das erfordert jedoch geschultes Personal, das sofort erkennt, wenn etwas nicht stimmt.

Der Aschenputtel-Moment im Flagship-Store

Der Cloudboom Strike LS wurde seit seinem Launch im Sommer 2024 immer wieder in limitierten Editionen verkauft. Bei der Anprobe dauert es etwas bis zum Aschenputtel-Moment. Es erfordert geübte Handgriffe, um so in den Schuh zu rutschen, wie es der Verkäufer vorzeigt. Dazu muss man die Öffnung auseinanderziehen und den Ballen so weit wie möglich in den Schuh schieben. Dann vorne gut festhalten und hinten so fest wie möglich ziehen. Mit Schaukelbewegungen rutscht der Fuss in den Schuh – der On-Mitarbeiter hat ihn in zwei Sekunden an. Ungeübte brauchen etwas länger. Die Knöchelpartie sitzt bewusst enger, denn hier ist Stabilität wichtig. «Bei den Zehen ist es eher etwas luftiger, damit man das Gewicht gut verteilen kann», sagt Georgarakis.

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<p>Ohne Nähte und ultraleicht soll der Schuh das ultimative Lauferlebnis bieten.</p>

Ohne Nähte und ultraleicht soll der Schuh das ultimative Lauferlebnis bieten.

Logan Swney
<p>Ohne Nähte und ultraleicht soll der Schuh das ultimative Lauferlebnis bieten.</p>

Ohne Nähte und ultraleicht soll der Schuh das ultimative Lauferlebnis bieten.

Logan Swney

Kaufinteressierte kommen auf eine Warteliste. «Die Nachfrage übersteigt aktuell noch die Produktionskapazität», sagt die Sprecherin des Unternehmens. Konkrete Verkaufszahlen nennt die Firma nicht. Das Interesse sei besonders stark bei professionellen Athletinnen und Athleten sowie bei ambitionierten Läuferinnen und Läufern – und das global verteilt über alle Märkte von On.

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