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Gleichstellung

Der Frauenstreik ist das falsche Mittel

Der Frauenstreik mutet an wie ein kollektives Reinwaschen von der Schuld der weiblichen Diskriminierung in unserer Gesellschaft.

Melanie Loos

Melanie Loos

Frauenstreik: «Wenn Frau will, steht alles still»: Unter diesem Motto streikten am 14. Juni 1991 hunderttausende Schweizerinne

«Wenn Frau will, steht alles still»: Unter diesem Motto streikten am 14. Juni 1991 hunderttausende Schweizerinnen.

Keystone

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Am Freitag war es soweit: In der ganzen Schweiz legen Frauen die Arbeit nieder – sofern sie dem Aufruf der Initiatorinnen und Initiatoren des Frauenstreiks folgen.
Denn im Jahr 2019 – satte 28 Jahre nach dem ersten Frauenstreik – ist die Schweiz noch weit von der vollständigen Gleichstellung von Frauen entfernt.

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Frauen verdienen im Durchschnitt 18 Prozent weniger als Männer. Das ist viel, auch wenn diese Lücke nur teilweise auf reine Lohndiskriminierung zurückgeht. In den Chefetagen sind Frauen ganz und gar unterrepräsentiert: Nur 9 Prozent Frauen arbeiten in den Geschäftsleitungen der grössten Schweizer Unternehmen, in den Verwaltungsräten liegt der Frauenanteil bei 21 Prozent – damit gehört die Schweiz international zu den Schlusslichtern.

Lohngleichheit sowie das Ende von Diskriminierungen und sexuellen Übergriffen gegenüber Frauen sind wichtige Ziele. Doch lassen sich diese Missstände mit einem eintägigen Streik verändern? Die Antwort ist nein.

Das Problem beginnt schon damit, dass Streik per Definition eine Kampfmassnahme der Arbeitnehmer für bessere Arbeitsbedingungen ist. Allerdings werden Schweizer Arbeitnehmerinnen wohl kaum solange streiken, bis beispielsweise das Ziel der Lohngleichheit erreicht ist. Unklar ist auch, wie viele Frauen die Arbeit tatsächlich niederlegen. Denn die meisten dürfen es ja noch nicht einmal. Es gibt zwar das verfassungsmässige Recht zu streiken, doch de facto gilt für die meisten Arbeitnehmenden per Gesamtarbeitsvertrag (GAV) die Friedenspflicht.

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Rechtliche Grauzone

Der Frauenstreik ist daher in einer rechtlichen Grauzone. Um rechtmässig zu sein, müssen mit einem Streik Ziele verfolgt werden, die durch den GAV geregelt werden können. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund stellt zwar arbeitsrechtliche Forderungen wie Lohnanalysen mit Kontrollen und Sanktionen sowie existenzsichernde AHV-Renten oder flächendeckende Mindestlöhne.

Doch viele der Vorschläge sind sehr allgemein. Und ein Streik zur Durchsetzung rein politischer Ziele ist unzulässig. Dass einige Unternehmen ihren Mitarbeitenden raten, sich frei zu nehmen, um am Frauenstreik teilzunehmen, darunter Grossunternehmen wie Migros, UBS oder ABB, ist geradezu grotesk.

Ferientag oder nicht: So regeln Schweizer Unternehmen den Frauenstreik

Des femmes font le signe du feminisme avec les mains, et brandissent des pancartes, lors d'une action collective organisee durant les Assises nationales pour la greve feministes et des femmes, ce dimanche 10 mars 2019 a la Maison du Peuple, a Bienne. (KEYSTONE/Adrien Perritaz)
Employees work on their laptops in the canteen of the headquarters of staffing firm Adecco Group in Zurich, Switzerland, on September 15, 2017. (KEYSTONE/Gaetan Bally)Mitarbeiter arbeiten an Laptops in der Kantine am Hauptsitz des Personaldienstleisters Adecco Group, aufgenommen am 15. September 2017 in Zuerich. (KEYSTONE/Gaetan Bally)
Das Logo des Warenpruefkonzerns SGS, aufgenommen am 16. April 2010 in der Firmenniederlassung in Zuerich. (KEYSTONE/Gaetan Bally)
Einblick in das neue House of Swisscom am Marktplatz in Basel am Mittwoch, 30. Mai 2018. (KEYSTONE/Georgios Kefalas)
An SBB employee is helping a customer at the ticket machine in the entrance area of the SBB ticket hall, pictured in the SBB Travel Center at the railway station Zuerich Oerlikon, Switzerland, on November 27, 2017. (KEYSTONE/Gaetan Bally) Eine SBB-Mitarbeiterin hilft einer Kundin am Billettautomaten im Eingangsbereich der Schalterhalle des SBB Reisezentrums am Bahnhof Zuerich Oerlikon, aufgenommen am 27. November 2017. (KEYSTONE/Gaetan Bally)
Eine Mitarbeiterin der Fluggesellschaft swiss bedient eine Kundin am Check in in der Halle 1 am Flughafen in Zuerich, aufgenommen am 7. August 2012. (KEYSTONE/Gaetan Bally) [GESTELLTE AUFNAHME]
Sitz der Zurich an der Zuercher Austrasse am Dienstag, 11. Maerz 2014. Der Versicherungskonzern Zurich baut bis zu 800 Stellen ab. Derzeit zaehlt der Versicherungskonzern ueber 55'000 Angestellte. Wie viele Stellen in der Schweiz abgebaut werden, gab Zurich noch nicht bekannt. (KEYSTONE/Walter Bieri)
A retail trade apprentice of the Swiss Post works at a computer at the post office Basel 3 Spalen, Switzerland, on January 18, 2016. (KEYSTONE/Christian Beutler)
An undated company handout photo from Swiss pharmaceutical concern Roche Products shows a worker supervising the package of the Tamifu, the drug that combats the effects of bird flu in humans. The bird flu virus is spreading westwards across Russia it emerged Wednesday 19 October 2005, as Russian scientists confirmed that tests on poultry from the province of Tula, south of Moscow, had revealed the presence of the deadly H5N1 strain of the virus. (KEYSTONE/EPA/ROCHE/Str) === HANDOUT, ===
Syngenta Mitarbeiter der Abteilung fuer Saatgutforschung bei der Arbeit im Gewaechshaus, undatierte Aufnahme. Die Syngenta AG ist das fuehrende Unternehmen im Agribusiness. (KEYSTONE/SYNGENTA/STR)
Das UBS Logo fotografiert am Tag der Bilanzmedienkonferenz der Bank UBS am Dienstag, 2. Februar 2016 in Zuerich. Der Reingewinn der UBS Group AG fuer 2015 erhoehte sich gegenueber dem Vorjahr um 79 Prozent auf CHF 6,2 Milliarden. (KEYSTONE/Ennio Leanza)..The logo of Swiss bank UBS in Zurich, Switzerland, Tuesday, 02 February 2016. Swiss Bank UBS UBS Group net profit for 2015 increased 79 percent year on year to CHF 6.2 billion. (KEYSTONE/Ennio Leanza)
The new logo of LafargeHolcim on panels in front of the head quarters in Zurich, Switzerland, on Wednesday, 15 July 2015. LafargeHolcim today officially launched the new Group around the world and announced key elements of its ambitions for the future. (KEYSTONE/Patrick B. Kraemer)
Des ouvriers de la Lonza font des mesures sur une parcelle pollue au mercure ce mercredi 6 juillet 2016 aux abords du terrain de sports Muehleye a Viege en Valais. L'entreprise Lonza, presente a la presse un projet d'assainissement pilote de parcelles contenant une pollution au mercure. (KEYSTONE/Jean-Christophe Bott)
Une personne travail dans un laboratoire, durant une visite des lieux lors l'inauguration de la nouvelle unite de Recherche et de Developpement de Novartis sur le site de  Prangins, pres de Nyon, ce vendredi 19 octobre 2012. (KEYSTONE/Yannick Bailly)
Produktion der Moevenpickglace von Nestle in Rorschach, Kanton St. Gallen, am 3. September 2005. Mitarbeiter degustieren und begutachten verschiedene Eissorten. (KEYSTONE/Martin Ruetschi) === ,  ===Production of the different Moevenpick ice creams from Nestle in Rorschach, canton St. Gallen, on September 3, 2005. Employees trying and examining different kinds of ice cream. (KEYSTONE/Martin Ruetschi) === ,  ===
Das Logo von Alpiq am Hauptsitz in Olten anlaesslich der Bilanzmedienkonferenz 2018 des Schweizer Stromproduzenten Alpiq vom Montag, 26. Maerz 2018 in Olten. (KEYSTONE/Urs Flueeler)
epa07476442 A robot at the fair stand of the company 'ABB' at the Hannover Industry Fair (Hannover Messe) in Hanover, Germany, 31 March 2019. From 01 April to 05 April, 6,500 exhibitors from 75 countries show their products during one of the World's leading fairs for industrial goods. Main focus of the Hannover Messe 2019 is on Artificial Intelligence and the new mobile standard 5G. EPA/JENS SCHLUETER
The reception of the headquarters of the insurance company Swiss Life on General-Guisan-Quai in Zurich, Switzerland, pictured on June 28, 2012. (KEYSTONE/Gaetan Bally) Der Empfang im Hauptsitze der Versicherungsgesellschaft Swisslife am General-Guisan-Quai in Zuerich, aufgenommen am 28. Juni 2012. (KEYSTONE/Gaetan Bally)
The cashier hands over the receipt to the customer, pictured on March 5, 2013, at the Migros branch in Baden, Switzerland. Migros is Switzerland's the largest retail company. (KEYSTONE/Gaetan Bally)Die Kassierin haendigt dem Kunden die Kaufquittung aus, aufgenommen am 5. Maerz 2013 in der Migros-Filiale in Baden. (KEYSTONE/Gaetan Bally))
A branch of retailer Coop at the shopping center Seewen Markt in Seewen, Canton of Schwyz, Switzerland, on May 15, 2018. (KEYSTONE/Gaetan Bally)Die Filiale des Detailhaendlers Coop im Einkaufszentrum Seewen Markt, aufgenommen am 15. Mai 2018 in Seewen, Kanton Schwyz. (KEYSTONE/Gaetan Bally)
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Bereits im Vorfeld hat der Frauenstreik-Tag viel Aufsehen erregt. Wie aber handhaben die Schweizer Firmen diesen Tag? Müssen Mitarbeiterinnen frei nehmen? Bei Schweizer Firmen nachgefragt zeigt sich: Frauen, die am Frauenstreik teilnehmen wollen, müssen den Arbeitstag als Ferien abbuchen oder entsprechend vor- bzw- nacharbeiten. Ein Überblick:

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In einem Kampf erteilt der Gegner dem Angreifer keine Ratschläge. Wenn sich nun auch Männer und Arbeitgeber solidarisieren und ihre Kolleginnen und Mitarbeiterinnen zum Streik ermuntern, dann mutet das an wie ein kollektives Reinwaschen von der Schuld der weiblichen Diskriminierung in unserer Gesellschaft.

Kulturwandel in Wirtschaft und Gesellschaft

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Sinnvoller wäre eine landesweite Demo, besser eine ganze Protestbewegung, die regelmässig und über einen längeren Zeitraum auf die Strasse geht. Die Klimabewegung «Fridays for Future» macht es vor. Gerade in Hinblick auf die Wahlen im Herbst wäre nun die Gelegenheit.

Was es vor allem braucht, ist ein Kulturwandel in Wirtschaft und Gesellschaft. Frauen müssen mit positiven Aktionen ihre Leistungen in den Vordergrund stellen und sich eine Bühne schaffen, auf der sie gesehen und wertgeschätzt werden. Das können sie am besten in der Arbeitswelt.

In Unternehmen müssen veraltete, männliche Strukturen aufgebrochen werden. Dafür braucht es mehr Frauen in Führungspositionen. An der Qualifikation mangelt es nicht: Mehr als die Hälfte der Studierenden sind mittlerweile Frauen.

Wirtschaftlicher Schaden nicht ausreichend

Der wirtschaftliche Schaden eines einmaligen Streiktags, an dem die meisten Arbeitnehmerinnen ohnehin nicht teilnehmen dürfen, reicht nicht aus, um die Interessen der Frauen wirklich umzusetzen. Er schafft vielleicht Sichtbarkeit, aber nicht den nötigen Druck auf Unternehmen, um einen wirklichen Wandel herbeizuführen.

Dennoch kostet die Aktion viel Geld. Dieses wäre besser in konkrete Massnahmen zur Förderung und Gleichstellung von Frauen angelegt – etwa Investitionen in den Ausbau von Angeboten zur Kinderbetreuung, flexiblere Arbeitsformen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

So aber läuft der Frauenstreik Gefahr, als einmalige, wenn auch kollektive Solidaritätsbekundung à la «me too» oder «Je suis Paris» in die Geschichte einzugehen. Bleibt nur zu hoffen, dass nicht noch einmal 28 Jahre bis zum nächsten Protest vergehen.

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