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Wenn zwei Unternehmen fusionieren, stellt sich die Frage nach dem neuen Namen. Wann Doppelnamen sinnvoll sind und wann nur eine Marke überlebt.
Aktuelles Beispiel: Was passiert mit den Markennamen, wenn zwei bekannte Versicherungen wie Baloise und Helvetia fusionieren?
RMS Visuals / Julie Body (Diese Illustration wurde von einem KI-Modell generiert und von einem Menschen überprüft und finalisiert.)Werbung
Die Schweizer Marke Aebi ist bekannt für kleine, geländegängige Landwirtschaftsmaschinen. Das Unternehmen übernahm diesen Sommer die Shyft-Gruppe, deren Riesengeräte innerhalb weniger Minuten den Chicagoer Flughafen von Schnee befreien. Auf die Frage, wie es der neu geschaffenen Aebi Schmidt gelinge, die Schweizer Kultur mit der amerikanischen zu vereinen, zückt der CEO Barend Fruithof seine Visitenkarte. Darauf finden sich verschiedene Logos: Duramag, MB, Monroe, Schmidt, Spartan und viele mehr. «Wir pflegen jede Marke einzeln», erklärt Fruithof.
«Das kostet uns zwar etwas mehr, aber es lohnt sich doppelt: Unsere Zielgruppen sind oft unterschiedlich, sie kennen ‹ihre› Marke und möchten mit dieser angesprochen werden. Die Mitarbeitenden in den Fabriken sind eng mit ‹ihrer› Marke verbunden. Mittlerweile gehört dieser Umgang mit den über viele Jahre gewachsenen Marken zu unserer DNA – und macht uns bei beiden Gruppen sympathisch, weil wir ihnen nicht eine neue, gesichts- und geschichtslose Maske überstülpen.»
Dieses Vorgehen funktioniert aber nicht für alle Unternehmen, wie der Markenexperte Stefan Vogler weiss. Er ordnet ein, wann welche Markenstrategie bei Fusionen und Übernahmen sinnvoll ist – und wo die Fallstricke liegen.
Die aufwendigste Strategie ist diejenige von Aebi Schmidt. Den gleichen Weg gehen Konsumgüterkonzerne wie Nestlé, Procter & Gamble und Mars. Sie lassen ihre Produktmarken eigenständig agieren. Kaufen sie eine neue Marke, entwickeln sie diese zumeist unter gleichem Namen weiter.
Sie unterscheiden sich jedoch darin, inwiefern sie als Unternehmen hinter den Marken auftreten. Nestlé druckt sein Logo auf fast alle Produkte: «Der Zusatz ‹by Nestlé› soll dem Konsumenten Sicherheit signalisieren», erklärt Vogler. Der Konzern ist davon überzeugt, dass diese Dachmarke Mehrwert schafft. Der grosse Nachteil dieser Strategie: Sippenhaftung. Wenn eine Produktmarke in einen Skandal gerät, sind alle Marken mit dem Konzernlogo potenziell betroffen.
Deshalb erscheint bei den Produkten von Mars, Unilever oder Johnson & Johnson der Konzernname nur winzig auf der Rückseite. «Sie stellen die Produktmarke ins Zentrum», sagt Vogler. Dabei konkurrieren sich die Produkte untereinander durchaus, beispielsweise beim Konzern Mars die Marken Snickers, Milky Way und Mars. Der Vorteil für diese Strategie zeigte sich aber beim Snickers-Skandal im Jahr 2016, als Konsumentinnen und Konsumenten Plastikteile in den Schokoriegeln fanden. Der Konzern reagierte mit einem weltweiten Verkaufsstopp von Snickers. Darunter litt zwar diese eine Marke, der Rest war nicht tangiert.
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Fusionieren zwei Marken oder übernimmt ein Haus ein anderes und beide haben ähnliche Zielgruppen, lohnt es sich meist, den grösseren und besser profilierten Namen zu wählen. Global tätige Konzerne wie Axa verfolgen diese Single-Brand-Strategie konsequent. Gerade in der Finanzdienstleistungsbranche dominiert die Ein-Marken-Strategie. «Eine Bank hat weltweit das gleiche Produkt. Ihre Währung ist das Vertrauen», so Vogler.
Manchmal setzt sich aber auch die kleinere Marke durch. Nach der Übernahme durch die Lufthansa blieb beispielsweise der Name «Swiss» bestehen, obwohl die Lufthansa der deutlich grössere Konzern ist. «Die Swiss ist eine der höchstbewerteten Marken», so Vogler. Bei Schweizer Kunden, einem wichtigen Segment, wäre ein Namenswechsel unmöglich gewesen. Auch die Axa musste bei der Übernahme der Winterthur behutsam vorgehen. Die Marke war dermassen stark positioniert, dass bei einem sofortigen Namenswechsel die Kunden abgesprungen wären. Der schrittweise Übergang zur Axa Winterthur und später zu Axa verringerte den Aufschrei.
Nicht immer ist die Wahl eines einzelnen Namens möglich. Dann folgt die Fusionsstrategie auf Markenebene, wie etwa bei Aebi Schmidt. «Wenn unterschiedliche Zielgruppen angesprochen werden und beide Marken grossen Wert haben, macht das Sinn», erklärt Vogler.
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Der Nachteil: Doppelnamen sind sperrig. «Heute gilt die Faustregel: maximal drei Silben.» Zudem kann diese Strategie politisch bedingt sein. Bei der geplanten Fusion von Helvetia und Baloise etwa ist die Rede von einem Doppelnamen, obwohl aus objektiver Sicht ein Single-Brand sinnvoller wäre. Vogler mutmasst: «Beide sind der Meinung, sie hätten einen starken Brand. Die Fusion wäre wohl nicht zustande gekommen, wenn nicht beide an ihrem Namen hätten festhalten können.» Eine Möglichkeit ist, dass der Doppelname als Zwischenlösung fungiert. Das war bei Sunrise UPC der Fall. Das Unternehmen nahm sich anderthalb Jahre Zeit, bevor es zum Einheitsnamen überging. So konnte sich eine gemeinsame Kultur etablieren.
Die radikalste Option ist eine völlig neue Marke. Dann geht laut Vogler zwar die gesamte aufgebaute Bekanntheit verloren, aber manchmal sei ein kompletter Neustart nötig. Als die Schweizer Unternehmen Ciba-Geigy und Sandoz fusionierten, wählten sie bewusst den Namen «Novartis» – ein Kofferwort aus dem lateinischen «novae artes» (neue Künste). Damit wollten sie eine gemeinsame Kultur etablieren.
Bei allen rationalen Überlegungen spielen aber am Ende oft auch Politik und Ego mit. «CEOs wollen manchmal ein neues Logo, auch wenn es keinen Sinn macht», sagt Vogler. Wenn ein Grosser einen Kleinen übernimmt, wollen sie ihren Stempel aufdrücken, was nicht immer rational ist.
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Ob ein neuer Name, ein Doppelname oder eine Viel-Marken-Strategie: Am Schluss gibt der Faktor Mensch den Ausschlag. Wird er integriert und auf die Fusionsreise mitgenommen, trägt er den neuen Namen mit Stolz. So wie die Verkäufer von Aebi Schmidt. Sie erzählen ihren Kunden und Kundinnen von den amerikanischen Riesenmaschinen, die zum gleichen Konzern gehören. Und verkaufen ihnen so mit dem kleinen Aebi-Motormäher auch ein Stück Amerika.
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