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Post-Präsidium

Christian Levrat: Der Post-Politiker

Ex-SP-Chef Christian Levrat muss als Post-Präsident den politischen Weg ebnen, damit die Post wieder wachsen kann.

Florence Vuichard

Florence Vuichard

SP Praesident Christian Levrat verfolgt die Delegiertenversammlung der SP des Kanton Zuerich fuer die Nomination der kommenden Nationalratswahlen in Zuerich am Samstag, 18. Mai 2019. (KEYSTONE/Walter Bieri)

Ein gemütliches Alterspöstchen sieht anders aus: Christian Levrat ist der neue Präsident der Post.

Keystone

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Es ist definitiv kein gemütliches Alterspöstchen, das sich Christian Levrat (50) mit dem Post-Präsidium geangelt hat, im Gegenteil: Die Post steckt wie kein zweiter Staatskonzern in Schwierigkeiten. Das Kerngeschäft, die Briefpost, bricht weg, die einstige Cashcow, die Postfinance, ist zum Sanierungsfall geworden. Die Folgen: Der Umsatz schrumpft, das Betriebsergebnis ist innert fünf Jahren auf ein Drittel eingebrochen.

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Auf dem Spiel stehen ein Schweizer Heiligtum, ein Sinnbild für den Service public – und an die 40'000 Jobs. Konzernchef Roberto Cirillo will nun mit seiner Wachstumsstrategie und Milliardeninvestitionen das Ruder herumreissen. Levrats Job wird es sein, politische Hindernisse aus dem Weg zu räumen und Kompromisse zu finden. Die Konflikte sind absehbar – etwa bei der Frage, in welche Geschäftsfelder die Post expandieren darf. Oder welche Freiheiten die Postfinance erhalten soll.

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Noch im Herbst 2020 hatte Levrat ganz andere Pläne: Er gab seine Kandidatur für die Freiburger Kantonsregierung bekannt – und er wäre wohl auch gewählt worden. Dort hätte er mit gut 280'000 Franken mehr verdient als die 250'000 Franken, die er nun inklusive Spesen fürs Post-Mandat erhält. Und es wäre sicher ruhiger gewesen. Aber eben auch langweiliger.

HZ: Der Post-Politiker, Alain Berset

Federal coucillor and Swiss health minister Alain Berset talks to the media after his visit to Swiss pharma and biotech company Lonza manufacturing the Covid-19 vaccine for US biotech company Moderna in Visp, Switzerland, on Monday, January 11, 2021. (KEYSTONE/Alessandro della Valle)

Enge Bande: Mit Bundesrat Alain Berset versteht sich Christian Levrat gut.

keystone-sda.ch
Federal coucillor and Swiss health minister Alain Berset talks to the media after his visit to Swiss pharma and biotech company Lonza manufacturing the Covid-19 vaccine for US biotech company Moderna in Visp, Switzerland, on Monday, January 11, 2021. (KEYSTONE/Alessandro della Valle)

Enge Bande: Mit Bundesrat Alain Berset versteht sich Christian Levrat gut.

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Christian Levrats Mitstreiter

Levrat ist einer der einflussreichsten Politiker in Bern und gehörte etwa mit Paul Rechsteiner (SP), Konrad Graber (CVP), Philipp Müller (FDP) und der späteren Bundesrätin Karin Keller-Sutter (FDP) zu einer kleinen Gruppe von Ständeräten, die eine Zeit lang die Schweizer Politik prägte.

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Beobachter sprachen von einer Art Schattenregierung, die überparteiliche Kompromisse ausheckte – etwa bei der Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative oder beim AHV-Steuer-Deal.

Zusammen mit Ueli Maurer bodigte Levrat, der derzeit die ständerätliche Wirtschaftskommission (WAK) präsidiert, in der Frühjahrssession die milliardenhohen Zusatzausgaben für die Corona-Folgen, die der Nationalrat überstürzt und mit tatkräftiger Hilfe von seiner SP eingebaut hatte.

Ohnehin scheint das Verhältnis mit Maurer gut zu sein: Schliesslich hat dieser als Finanzminister – mit Simonetta Sommaruga – die Wahl von Levrat zum Post-Präsidenten vorbereitet.

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Und Maurer hat auch schon mal seine Limousine samt Chauffeur an Levrat abgetreten, als dieser von einer WAK-Sitzung im solothurnischen Kriegstetten an die Maturafeier seiner Tochter fahren wollte und seine Autoschlüssel nicht finden konnte. Als diese dann wieder auftauchten, fuhr Maurer Levrats Auto eigenhändig zurück nach Bern.

Eng sind Levrats Bande zu seinem politischen Weggefährten Alain Berset, gut versteht er sich mit alt Ständerat Didier Berberat (SP), Rückendeckung erhält er von alt SP-Nationalrätin Susanne Leutenegger Oberholzer, die sonst alle kritisiert, insbesondere die eigenen Parteifreunde. Als SP-Chef nahm Levrat an der jeweils hochkarätig besetzten Rive-Reine-Tagung von Nestlé-Präsident Paul Bulcke teil.

HZ: Post-Politiker, Familie

Bulle, le 17 janvier 2019. Portrait de Christian Levrat et de sa fille Marie. © Magali Girardin

Christian Levart mit seiner Tochter.

Magali Girardin
Bulle, le 17 janvier 2019. Portrait de Christian Levrat et de sa fille Marie. © Magali Girardin

Christian Levart mit seiner Tochter.

Magali Girardin

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Levrats Familie

Der Freiburger Bezirk La Gruyère ist Christian Levrats Heimat: Hier wurde er 1970 geboren, hier ging er zur Schule, hier wohnt er heute noch mit seiner Frau Martine, einer Lehrerin, und den drei Kindern im Alter zwischen 15 und 21 Jahren – und hier bekommt er nun parteiinterne Konkurrenz von seiner ältesten Tochter Marie: Sie ist Präsidentin der Bezirkspartei, 2019 kandidierte sie für die Jusos für den Nationalrat, im März 2021 wurde sie ins Parlament seiner Wohngemeinde Vuadens gewählt.

Levrat, dessen Vater eine Peugeot-Garage hatte und in der Gewerbekammer engagiert war, stammt aus einem FDP-nahen Haushalt und gründete als 18-Jähriger mit dem heutigen FDP-Regierungsrat Maurice Ropraz eine Sektion des Jungfreisinns. In seiner Freizeit fährt Levrat Velo und spielt Schach.

HZ: Der Post-Politiker, Simonetta Sommaruga

Bundespraesidentin Simonetta Sommaruga spricht an einer Medienkonferenz ueber Covid-19 Entscheide, am Freitag, 19. Juni 2020, in Bern. (KEYSTONE/Peter Schneider)

Hat die Wahl Levrats zum Post-Präsidenten zusammen mit Ueli Maurer vorbereitet: Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga.

keystone-sda.ch
Bundespraesidentin Simonetta Sommaruga spricht an einer Medienkonferenz ueber Covid-19 Entscheide, am Freitag, 19. Juni 2020, in Bern. (KEYSTONE/Peter Schneider)

Hat die Wahl Levrats zum Post-Präsidenten zusammen mit Ueli Maurer vorbereitet: Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga.

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Vom Thatcherismus zur Post: Levrats Karriere

Levrat studiert in Freiburg Jus und in England, an der Universität von Leicester, Politikwissenschaften. Dort prägen ihn die «Folgen des Thatcherismus»: heruntergekommene Infrastrukturen und eine Armut, wie er sie zuvor in einem westlichen Land noch nie gesehen habe.

Zurück in der Schweiz arbeitet er bei der Caritas Freiburg in der Rechtsberatung für Asylbewerber, 1998 wechselt er unter Markus Loosli zu der Schweizerischen Flüchtlingshilfe. 2000 wird er Zentralsekretär bei der Gewerkschaft Kommunikation, die inzwischen Syndicom heisst.

Es ist der damalige Vizepräsident und heutige Swisscom-Verwaltungsrat Alain Carrupt, der ihn anstellt. 2003 steigt Levrat als Nachfolger von Hans Ueli Ruchti zum Präsidenten der Gewerkschaft Kommunikation mit rund 60 Mitarbeitenden auf, im Herbst desselben Jahres wird er in den Nationalrat gewählt.

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2008 übernimmt der Freiburger, der erst zehn Jahre zuvor der SP beigetreten ist, von Hans-Jürg Fehr das Parteipräsidium. Ganz zum Missfallen der damaligen SP-Ständerätin Simonetta Sommaruga, die ihn zu Beginn seiner Präsidentschaft für seine «Klassenkampf-Rhetorik» scharf kritisiert.

Nun – 13 Jahre später – hat Sommaruga Levrat, der seit 2012 im Ständerat politisiert, mit der Zustimmung des Gesamtbundesrats zum Post-Präsidenten gekürt.

HZ: Der Post-Politiker, Ignazio Cassis

Bundesrat Ignazio Cassis, Vorsteher des Eidgenoessischen Departements für auswaertige Angelegenheiten, waehrend einer Pressekonferenz zum Abkommen zwischen der Schweiz und Italien ueber die Besteuerung von Grenzgaengern am Mittwoch, 23. Dezember 2020, in Bellinzona.(KEYSTONE/Ti-Press/Elia Bianchi)

Bundesrat Ignazio Cassis: Mit ihm hat Levrat das Heu nicht auf der gleichen Bühne.

keystone-sda.ch
Bundesrat Ignazio Cassis, Vorsteher des Eidgenoessischen Departements für auswaertige Angelegenheiten, waehrend einer Pressekonferenz zum Abkommen zwischen der Schweiz und Italien ueber die Besteuerung von Grenzgaengern am Mittwoch, 23. Dezember 2020, in Bellinzona.(KEYSTONE/Ti-Press/Elia Bianchi)

Bundesrat Ignazio Cassis: Mit ihm hat Levrat das Heu nicht auf der gleichen Bühne.

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Die Gegenspieler

Die gehässigen Reaktionen auf Levrats Nomination zum Post-Präsidenten liessen nicht lange auf sich warten: SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi sprach von «Chlüngelipolitik», FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen von einer «kapitalen Fehlbesetzung», und Jürg Grossen, der Präsident der Grünliberalen, findet das Wahlprozedere «inakzeptabel», weil der Posten ohne öffentliche Ausschreibung vergeben worden ist, obwohl dies bei Präsidien in der Privatwirtschaft nicht anders ist.

Levrat ist vom Bundesrat einstimmig zum Post-Präsidenten gewählt worden, eigentlich erstaunlich, ist es doch kein Geheimnis, dass er sich mit Aussenminister Ignazio Cassis nicht wirklich gut versteht – spätestens seit er diesen als «Praktikanten» beschimpft hat.

HZ: Der Post-Politiker, Roberto Cirillo

Roberto Cirillo, CEO der Schweizerischen Post, portraitiert am 12. Februar 2020 am Hauptsitz der Post in Bern. (KEYSTONE/Christian Beutler)

Roberto Cirillo ist CEO bei der Schweizerischen Post.

Keystone
Roberto Cirillo, CEO der Schweizerischen Post, portraitiert am 12. Februar 2020 am Hauptsitz der Post in Bern. (KEYSTONE/Christian Beutler)

Roberto Cirillo ist CEO bei der Schweizerischen Post.

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Gelbe Welt

Levrats Karriere ist eng mit der Post verknüpft, kaum ein Politiker kennt den gelben Staatskonzern so gut wie er. Alles fing im Jahr 2000 an, als er zur Gewerkschaft der Post- und Swisscom-Mitarbeitenden ging. In dieser Rolle kämpfte er bis 2008, als er das SP-Präsidium übernahm, gegen die Reform- und Abbaupläne des damaligen Post-Chefs Ulrich Gygi, gegen die Schliessung von Poststellen und für die Volksinitiative «Postdienste für alle».

Als Nationalrat und Mitglied der für die Post zuständigen Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen trat er immer wieder ein für Interessen der Staatskonzerns und des Service public – auch gegen den parteieigenen Bundesrat Moritz Leuenberger.

Kritisch verfolgte er die von Machtkämpfen dominierten Chaos-Monate der Ära von Claude Béglé sowie die darauffolgenden Stillstands-Jahre unter dem Duo Peter Hasler und Susanne Ruoff. Im Ständerat traf er auf den späteren Post-Präsidenten Urs Schwaller (CVP), dessen gelbe Jahre von den Aufräumarbeiten in Folge des Postauto-Skandals geprägt waren: Schwaller musste Verwaltungsräte auswechseln, mit Roberto Cirillo einen neuen Konzernchef installieren und zuletzt dessen Wachstumsstrategie orchestrieren, die Levrat ausdrücklich mitträgt.

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Im Verwaltungsrat trifft Levrat auf SP-Kollege Corrado Pardini, der nach seiner Abwahl aus dem Nationalrat auf dem Gewerkschaftsticket ins Post-Strategiegremium gewählt wurde.

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