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Barbara Köhler: Totgesagte leben länger

Entgegen allen Erwartungen halten sich die Obligationenmärkte auch 2004 wacker.

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Seit zwei Jahren hört man von allen Seiten die Ermahnungen: «Achtung, die Blase an den Obligationenmärkten wird platzen!» Experten warnten und warnen vor einem nahenden Zinsanstieg und kletternden Bondrenditen. Spätestens 2003, so liessen die Auguren damals vernehmen, dürften die Bondmärkte zusammenbrechen. Nun entpuppte sich das vergangene Jahr aber als durchaus gutes Bondjahr, und auch die Zinsen krochen 2003 weiterhin auf historischen Tiefständen. Der Krieg im Irak, über weite Strecken sinkende Leitzinsen und der Ausbruch der Lungenkrankheit Sars veranlassten die Anleger zur Vorsicht, was den Obligationen Rückenwind verlieh. Die Renditen von Staatsanleihen aus den USA, der Eurozone und auch der Schweiz testeten neue Tiefstände.

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Jetzt sei es aber wirklich so weit, meinen nun dieselben Kreise: 2004 werde definitiv ein schwieriges Jahr für die Bondmärkte. Die konjunkturelle Erholung in den USA und Europa werde sicher zu steigenden Zinsen führen, darüber sind sich die Experten einig. Die US-Notenbank Fed werde schon in der ersten Jahreshälfte die Leitzinsen anheben – und das wäre Gift für die weltweiten Obligationenmärkte. Doch wieder verhielten sich die Märkte ganz anders. Statt wie prophezeit zu steigen, sinken die Renditen langfristiger Staatsanleihen weiter. Dazu tragen nach wie vor Zweifel an der Nachhaltigkeit des Wirtschaftsaufschwungs bei. Bestätigt werden die Konjunkturpessimisten durch die aktuellen Marktdaten: Die US-Arbeitsmarktzahlen lassen nicht auf eine baldige Erholung schliessen, und der Vertrauensindex der Universität Michigan spiegelt ein schwächeres Konsumentenvertrauen wider. Auch der Stimmungsindikator des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) vermittelt einen tristen Ausblick.

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Und wieder springen die Obligationen gleichsam dem Tod von der Schippe. Schnell revidierten die Zinsexperten ihre Prognosen über die nächsten Schritte der Fed. Vielleicht sei doch erst nach den Präsidentschaftswahlen im November mit einer Zinserhöhung zu rechnen. Von der Europäischen Zentralbank erwartet man nun erst 2005 eine Erhöhung der Leitzinsen. Und auch die Schweizerische Nationalbank bestätigt, dass sie an der lockeren Geldpolitik festhalten werde.

Zuletzt gaben auch noch die Terroranschläge in Madrid den Anleihenrenditen einen positiven Impuls. Die Kurse der Festverzinslichen setzen ihren Aufwärtstrend somit weiter fort.

Vor allem Schweizer Staatsanleihen haben nach dem 11. März eine deutliche Aufwertung erlebt. Diese profitieren anscheinend von ihrer traditionellen Safe-Haven-Rolle.

An ihrem Trend gegen alle Erwartungen halten die Obligationenmärkte weiterhin tapfer fest, auch wenn ein Ende dieser Entwicklung wieder und wieder vorausgesagt wurde. Doch bei alldem darf man nicht vergessen, dass sich die Marktzinsen derzeit weit weg von fundamental gerechtfertigten Niveaus befinden und dass ein erster Zinsschritt in der USA deutlich ausfallen wird – wann immer dieser auch erfolgt. Als Reaktion würden die Renditen an den internationalen Anleihenmärkten massiv in die Höhe schnellen und die Kurse der Festverzinslichen in die Tiefe purzeln. Doch solange die Marktbeobachter vor diesen Szenarien warnen, muss man wohl keine Angst haben, denn man weiss ja: Totgesagte leben länger.

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