Guten Tag,
Einst war er Mark Zuckerbergs Mentor, heute ist er der grösste Kritiker von Facebook: Roger McNamee über manipulierte Wahlen, angestachelte Corona-Proteste und Social Media als Gefahr für die Gesellschaft.
Marc Kowalsky
«Man wird das Virus nicht besiegen, wenn man den Einfluss der Internetplattformen nicht reduziert»: Roger McNamee, Tech-Investor, Social-Media-Kritiker und Buchautor.
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Roger McNamee, im US-Wahlkampf 2016 warnten Sie als Erster, dass Facebook im grossen Stil zur Manipulation von Wählern missbraucht werde, was sich später mit Bekanntwerden des Cambridge-Analytica-Skandals und der russischen Einflussnahme bewahrheitete. Fürchten Sie das Gleiche bei den kommenden US-Wahlen im November?
Wir sehen es bereits jetzt bei den Primaries, den Vorwahlen. Normalerweise gibt es zwei Phasen: Bei der ersten geht es um Spendengelder, bei der zweiten dann um die eigentlichen Stimmen. Dieses Jahr gab es eine dritte Phase, ganz am Anfang: Da ging es um Falschinformation.
Konkret?
Es gab ein eng koordiniertes Netzwerk von Facebook-Seiten und -Gruppen, die Bernie Sanders unterstützten. Das Ziel ihrer Desinformationskampagne war, Sanders’ Konkurrenten aus dem Weg zu räumen. Im Sommer letzten Jahres begannen sie mit Senatorin Kamala Harris aus Kalifornien, im Oktober konzentrierten sie sich auf Senatorin Elizabeth Warren, als sie die Spitzenkandidatin zu werden schien. Es gelang diesen Leuten, mit Hilfe von Facebook und Twitter die öffentliche Diskussion und ihr Bild in den Medien zu prägen. Sie waren sehr erfolgreich.
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Nicht erfolgreich genug, als dass Bernie Sanders nun Präsidentschaftskandidat wäre.
Das ist die grosse Ironie. Als sie die aus ihrer Sicht gefährlichsten Konkurrenten aus dem Weg geräumt hatten, wurden sie von Joe Biden geschlagen, der die am wenigsten effiziente Kampagne führte und bis dahin eher durch die Vorwahlen stolperte. Aber in South Carolina wollten die einflussreichen Mitglieder der Demokraten keine langfristige Lösung für ihre Partei wie Warren oder Sanders, sondern einfach jemanden, der Trump schlagen kann. Da wendete sich das Blatt.
Wer steckt hinter diesen Kampagnen?
Vermutlich die gleichen Leute, die im Januar 2016 bereits die Hate-Speech-Kampagnen gegen Hillary Clinton steuerten.
Also Russland?
Nein, ein Typ aus Ithaca im Bundesstaat New York. Diese Leute verstecken sich nicht. Denn sie tun nichts Illegales. Aber ob das fremde oder einheimische Kräfte sind, mag vielleicht ein juristischer Unterschied sein. Für das Funktionieren einer Demokratie spielt das keine Rolle. Wenn Wahlen auf der Basis von Falschinformationen entschieden werden, dann ist das schrecklich für die Demokratie, egal, wer dahintersteht. Trump jedenfalls hat angedeutet, dass er solche Einmischung willkommen heisst, nicht nur von Russland. Das wäre zwar klar illegal, aber er würde jedes Mittel nutzen, das ihm zu Verfügung steht, egal ob aus dem Inland oder von fremden Staaten. Und sein Handeln als Präsident ist so destruktiv für die Stellung der USA in der Welt, dass jede Wirtschaftsund Militärmacht der Welt Trump gerne vier weitere Jahre als Präsident sehen würde – Russland, China, Iran, Saudi-Arabien, Israel, jeder. Weil er die Supermacht USA verzwergt.
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Roger McNamee (64) ist seit der Geburtsstunde des PC 1982 Technologie-Investor im Silicon Valley. Er half als VC bei der Geburt von Firmen wie Netscape, Amazon und Google. 2004 setzte er zusammen mit Bono von U2 in New York die Private-Equity-Firma Elevation Partners auf und investierte als einer der Ersten in Facebook. Von 2006 bis 2010 war McNamee Mentor von Mark Zuckerberg. Während der US-Vorwahlen und des Brexit-Abstimmungskampfes 2016 bemerkte McNamee als Erster eine unnatürliche Häufung von Fake News und Hate Speech auf Facebook. Er warnte Zuckerberg und Sheryl Sandberg, dass die Plattform missbraucht werde. Als Facebook die Bedenken wiederholt kleinredete, wandte er sich ab. Seither ist er einer der aktivsten Kritiker der sozialen Medien. McNamee ist Autor des Buches «Die Facebook-Gefahr» (Originaltitel: «Zucked»). Mit seiner Folkmusic-Band Moonalice tritt er (wenn nicht gerade Pandemie ist) rund 50 Mal pro Jahr auf.
Haben Sie diesen Einfluss via Social Media auch in Europa gesehen?
Bei der Abstimmung zum Brexit war es klar. In Frankreich wurde es versucht bei der Stichwahl zwischen Emmanuel Macron und Marine Le Pen. In Deutschland hat man es bei den letzten EU-Wahlen gesehen: Die AfD hatte rund 11 Prozent der Stimmen, aber ihr Share of Voice, der Anteil, wie stark sie gehört wurde, lag bei 85 Prozent. Ohne ihre Social-Media-Präsenz hätte sie nie dieses Ergebnis eingefahren.
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In der Schweiz haben wir ständig Abstimmungen und Referenden. Sehen Sie derartige Beeinflussung auch hier?
Gibt es bei Ihnen Proteste gegen die Corona-Massnahmen?
Ja, seit Kurzem.
Da haben Sie es. Das sind Kräfte von rechts aussen, die rund um die Welt gegen die Quarantänevorschriften protestieren. Auch das ist nichts Organisches. Das ist inszeniert und künstlich verstärkt über Social Media. Leute geben Geld dafür aus, die soziale Kohäsion zu unterminieren.
««Man wird das Virus nicht besiegen, wenn man den Einfluss der Internetplattformen nicht reduziert.»»
Nanu? Welches Land, welche Industrie sollte profitieren, wenn Tausende Menschen in der Pandemie sterben?
Ganz ehrlich: Ich weiss es nicht. Aber ich garantiere Ihnen: Die Mittel kommen von einer relativ kleinen Gruppe. Die ist vielleicht geografisch verteilt, aber nicht von der Philosophie her: libertär, rechts aussen, rassistisch, gegen Immigranten, in den USA gegen Waffengesetze etc. Sie sieht die Quarantäne als Einschränkung ihrer Freiheit, deshalb bricht sie sie. Das ist Wahnsinn bei den gegenwärtigen Fallzahlen. Die Pandemie ist eine völlig neue Front im Desinformationskrieg. Man wird das Virus nicht besiegen, wenn man den Einfluss der Internetplattformen nicht reduziert. Das Gleiche gilt übrigens für den Klimawandel.
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Das heisst?
Dass die USA aus dem Pariser Abkommen ausgetreten sind, hat mich nicht überrascht. Es ist das Werk einer winzigen, aber sehr lauten Gruppe in den sozialen Medien. Ich habe die Pandemie nicht vorhergesehen. Aber was seither geschah, war völlig vorhersehbar: diese Proteste. Und dass Facebook und YouTube das zulassen würden. Das wollte ich verhindern. Ich warne seit vier Jahren davor, dass Social Media missbraucht werden. Ich habe Mark Zuckerberg und Sheryl Sandberg bereits im Frühling 2016 während der US-Vorwahlen und der Brexit-Kampagne gewarnt. Aber sie tun nichts dagegen.
Social-Media-Kritiker Roger McNamee: «Mark Zuckerberg macht, was er will.»
Chris HardySocial-Media-Kritiker Roger McNamee: «Mark Zuckerberg macht, was er will.»
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Warum nicht?
Dazu muss man wissen, wie Internetplattformen funktionieren: Bei Facebook, Instagram, WhatsApp, YouTube geht es um Aufmerksamkeit. Je mehr Zeit man ihnen schenkt, desto wertvoller werden sie. Deshalb manipulieren sie den User. Sie sprechen jenen Teil des Gehirns an, der am stärksten reagiert: Physiologen nennen das Kampf-oder-Flucht-Reaktionen. Das funktioniert am effizientesten mit Hate Speech, Desinformation und Verschwörungstheorien. Solche Beiträge im News Feed werden am ehesten geteilt. Die Algorithmen der Plattformen erkennen das und servieren noch mehr davon. So entstehen all die Filterblasen und Echokam mern. Darüber gibt es keine zwei Meinungen, Facebook und Co. bestreiten das auch gar nicht. Die algorithmische Verstärkung ist der Kern ihres Geschäftsmodells. Das Problem von Hate Speech, Desinformation und Verschwörungstheorien ist nicht, dass sie existieren. Es gab sie immer. Das Problem ist, dass sie von den sozialen Medien so verstärkt werden, dass sie ein viel grösseres Gewicht in der Gesellschaft bekommen, als sie Anhänger haben. Alex Jones etwa …
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… ein rechtsgerichteter Radiomoderator und Verschwörungstheoretiker …
… wird von der Empfehlungsmaschine von YouTube 15 Milliarden Mal vorgeschlagen. 15 Milliarden! Das ist mehr als die kumulierte Reichweite aller journalistischen Publikationen in den USA. Der politische Prozess wird durch die algorithmische Verstärkung überwältigt. Sie gehört reguliert, am besten ganz verboten. Denn sie ist inkompatibel mit Demokratie, Privatsphäre, der öffentlichen Gesundheit und dem freien Wettbewerb.
««Facebooks Unaufrichtigkeit ist eine Konstante. Ein Naturgesetz, wie die Schwerkraft.»»
Facebook behauptet, Fake News und Hate Speech konsequent zu löschen.
Das ist nur Kosmetik. Die stutzen einen Baum. Der Baum ist ihr Geschäftsmodell, die algorithmische Verstärkung. Nur wenn der Druck wirklich riesig wird, nehmen sie gelegentlich mal einen Zweig weg, der auf die Strasse hängt. Dann löschen sie etwas oder blockieren einen Extremisten. Aber sie akzeptieren weiterhin Anzeigengelder, um Verschwörungsvideos zu promoten. Und sie erlauben, dass diese weiter auf der Plattform geteilt werden. Facebooks Unaufrichtigkeit ist eine Konstante. Ein Naturgesetz, wie die Schwerkraft. Mark Zuckerberg übernimmt keine Verantwortung gegenüber der Gesellschaft oder den Institutionen. Er macht, was er will.
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Ist Mark Zuckerberg achtlos? Schlecht beraten? Gierig? Gar bösartig?
Ich habe ihn kennengelernt als Menschen mit einem Wertesystem. Er sieht die Mission von Facebook, die ganze Welt zu verbinden, als das Wichtigste überhaupt. Facebook hat knapp drei Milliarden User, zweieinhalb Mal so viel Menschen, wie China Einwohner hat. Seiner Ansicht nach soll ihm niemand, weder die USA noch die EU oder die Schweiz oder sonst wer, dreinreden. Weil er keine eigenen Armeen und keine eigene Währung zur Verfügung hat, tut er nur gerade so viel, dass ihm die Machthaber in den jeweiligen Ländern gewogen bleiben. Es ist ein Balanceakt.
Lanciert er deshalb auch die Kryptowährung Libra?
Ich weiss nicht genau, was seine Motive für Libra sind – vielleicht sieht er sie einfach als nächsten Schritt in der Entwicklung von Facebook. Klar ist: Libra ist eine Bedrohung der Souveränität für jeden Staat.
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Sie waren 2007 massgeblich an der Verpflichtung von Sheryl Sandberg als COO beteiligt. Bedauern Sie das heute?
Ich bin natürlich sehr enttäuscht. Als ich damals den Vorschlag machte, dachte ich nie, dass die Dinge so schieflaufen könnten. Aber Google, wo Sheryl Sandberg damals arbeitete, war bereits sehr stark im Überwachungskapitalismus engagiert. Und Google wusste, dass es sehr kontroverse Diskussionen gäbe, wenn das publik würde. Also hat man alles unternommen, dass es niemand erfährt.
Mit «Überwachungskapitalismus» meinen Sie die Verwendung privater Daten für das Marketing?
Das Sammeln der Daten ohne oder gegen den Willen der Leute. Und dann die Verwendung dieser Daten, um das Verhalten der Leute zu manipulieren. Die einfachste Version davon ist Marketing. Aber es kann weit darüber hinausgehen und betrifft alle Gesellschaftsbereiche. Wenn wir da zu lange tatenlos zuschauen, wird das irreversibel sein. Deshalb sollten wir jetzt eine Diskussion beginnen, ob wir es wirklich zulassen wollen, dass Technologiefirmen die Demokratie durch Algorithmen ersetzen. Dass sie jegliche Konkurrenz unterdrücken können. Dass wir politische Macht an Menschen mit destruktiven Zielen übertragen. Unter der jetzigen US-Kultur ist das leider alles okay. Aber am Ende steht der Verlust unserer Selbstbestimmung.
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Jetzt malen Sie arg schwarz.
Schauen Sie, in Europa basieren die Gesetze auf Werten. Die Werte der Aufklärung. Da waren wir in den USA auch mal, aber da sind wir nicht mehr. Hier sind die Gesetze inzwischen Verhandlungssache. Und damit die Gesetze der Mächtigen. Ihre Werte triumphieren über die Werte der Ohnmächtigen. Und die Gefahr besteht, dass das von den USA überschwappt nach Russland und Europa und irgendwann in die Schweiz. Die Frage ist: Wie verhindern wir das?
Multitalent: Roger McNamee, hier in seinem Haus, tritt mit seiner Folkmusic-Gruppe Moonalice rund 50 Mal im Jahr auf.
Winni Wintermeyer/Redux/laifMultitalent: Roger McNamee, hier in seinem Haus, tritt mit seiner Folkmusic-Gruppe Moonalice rund 50 Mal im Jahr auf.
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Auch in den USA gibt es Institutionen, um die «Balance of Power» sicherzustellen.
Nicht mehr wirklich. Ja, in der Regierung würden normalerweise der Präsident, der Kongress und das Justizsystem aufeinander Druck ausüben und sich gegenseitig in Schach halten. Und die Regierung würde nach aussen Druck ausüben auf die Wirtschaft und die wiederum auf die Arbeitskräfte. Religion und die Medien wären weitere Kräfte in diesem Beziehungsgeflecht. Aber all das wurde unterminiert durch eine Allianz der Ultrarechten zusammen mit Teilen der Regierung, der Wirtschaft, der Religion. Deswegen tendiert die Wirtschaft in Richtung von Monopolen und die Regierung in Richtung autoritärer Modelle. Die Arbeiter haben nichts mehr zu sagen. Und die Medien schreiben darüber, als wäre das alles völlig okay. In der jetzigen Situation sehe ich keine Hoffnung, dass die grossen gesellschaftlichen Institutionen der Vereinigten Staaten ihre traditionelle ausgleichende Rolle spielen können. Entweder brauchen wir dazu neue Institutionen oder eine Art Aufstand der Massen. Was ich übrigens nicht ausschliesse.
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Sie sind seit knapp 40 Jahren IT-Investor. Gehen wir einen Schritt zurück: Anfangs stand das Internet für Offenheit, Transparenz, Gleichheit. Wann fing es an schiefzulaufen?
Drei Mängel gab es von Anfang an. Die Idee der Anonymität im Internet war ein utopisches Ideal. Es hat die schlimmsten asozialen Elemente ermutigt, wie Trolle alle anderen anzugreifen. Deshalb hat eine kleine Anzahl Menschen überproportional viel Einfluss. Der zweite Fehler war die Entscheidung, nicht von Anfang an ein Zahlungssystem ins Internet zu integrieren. Man erwartete damals nicht, dass es gross kommerziell genutzt würde. Deshalb gibt es heute so viel Betrug im Internet. Hätten wir einen Zauberstab, würden wir wohl diese beiden Probleme abstellen.
Und der dritte Mangel?
An dem ist sowohl die Industrie selber wie auch die Politik schuld: dass die Techunternehmen für ihr Verhalten nicht zur Rechenschaft gezogen werden. Die Pharmaindustrie durfte seinerzeit als angebliches Heilmittel verkaufen, was sie wollte – und Leute starben daran. Bis man die Branche im Jahr 1906 mit dem Pure Food and Drug Act zur Verantwortung zog. Seither muss sie die Sicherheit und Wirkung ihrer Produkte nachweisen, bevor diese zugelassen werden. Die Chemieindustrie durfte ihre Schadstoffe ungefiltert in die Luft blasen und Quecksilber in die Flüsse schütten. Bis in die 1960er Jahre musste sie die Kosten dafür nie übernehmen. Dann hat die Gesellschaft gesagt: Moment mal! Und ich denke, auch die Manager und Entwickler bei Softwarefirmen sollten für die Konsequenzen ihres Tuns zur Verantwortung gezogen werden. Dass sie die Sicherheit und Neutralität ihrer Algorithmen beweisen müssen, bevor diese auf den Markt kommen. Dass sie angerichteten Schaden bezahlen müssen. Google, Amazon, Facebook ersticken Innovationen in der ganzen Wirtschaft, indem sie Energie und Ressourcen auf Bereiche lenken, die ihnen nützen, aber der Gesellschaft schaden.
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««Die grossen Techfirmen zu zerschlagen, ist nicht genug. Ihr Geschäftsmodell muss verboten werden!»»
Was meinen Sie konkret?
In den USA arbeitet geschätzt die Hälfte aller Experten für künstliche Intelligenz daran, wie man das Verhalten der Leute im Netz überwacht und manipuliert. Moment mal, das ist völlig unvereinbar mit den Werten der Aufklärung, auf denen jede westliche Demokratie basiert!
Also mangelt es Big Tech an Ethik und Werten?
Diese Firmen sind nicht besser oder schlechter als Banken oder Industriefirmen oder andere Branchen in den USA. Der grosse Unterschied ist, dass sie in einem wesentlich wichtigeren Bereich von Wirtschaft und Gesellschaft aktiv sind.
Ist die Zerschlagung eine Lösung?
Das ist nicht genug. Ihr Geschäftsmodell muss geändert werden! Man muss algorithmische Verstärkung verbieten, man muss Verhaltensmanipulation verbieten, man muss den Datenschutz so ändern, dass die Firmen Sie um Erlaubnis fragen müssen, bevor sie Ihre Daten verwenden.
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««Wir müssen die digitale Identität behandeln wie einen Körperteil.»»
In Europa haben wir das mit der neuen Datenschutzgrundverordnung GDPR.
Nichts haben Sie! Sie haben das nur im Prinzip. Aber in der Praxis wurde auch diese Verordnung übel manipuliert. Es müsste eine Autorität geben, die festlegt, wie die Dialogboxen zu Datenschutz und Cookies auf Websites aussehen: «Diese Firmen nutzen Ihre Daten auf intransparente Weise. Wir empfehlen Ihnen sehr, auf Ihren Rechten zu bestehen.» Das ist nicht der Fall. Jede Firma kann diese Dialogbox nach eigenen Vorstellungen gestalten. Deshalb klicken 95 Prozent der User an, auf ihre GDPR-Rechte zu verzichten. Dennoch ist Europa unsere einzige Hoffnung! In Europa ist Datenschutz ein Menschenrecht. Ich finde, wir müssen noch weiter gehen und die digitale Identität behandeln wie einen Körperteil – wie ein extra Paar Arme oder Beine oder Nieren. Die darf man auch nicht verkaufen, weil sonst die wirtschaftlich schwachen Menschen ausgebeutet werden. GDPR war ein erster Schritt. Jetzt müssen die Unzulänglichkeiten behoben werden. Und wir müssen viel strikter werden: hundert Milliarden Strafe beim ersten Verstoss dagegen, Marktverbot beim zweiten. Über die bisherigen Strafen lachen die Firmen nur.
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Dann werden die westlichen Technologiefirmen gegenüber der chinesischen Konkurrenz von Alibaba, Baidu, Tencent und Co. zurückfallen.
Wir müssen nicht mit den Chinesen wetteifern, wer am effizientesten die Menschen manipuliert. Sie haben eine andere Form von Regierung. Sie teilen unsere Werte der Aufklärung nicht! Und Facebook oder Google zu regulieren, bringt diese Unternehmen nicht um, genauso wenig wie es die Chemie- und Pharmafirmen umgebracht hat. Sie werden einfach härter arbeiten müssen.
Sie waren einer der ersten Investoren bei Google. Heute sind Sie Google-frei.
Ich versuche es. Ich benutze die Suchmaschine nicht, kein Chrome, keine Google-Apps. An YouTube komme ich als Musiker leider nicht vorbei. Aber sonst gibt es Alternativen für jedes Google-Produkt – vielleicht ein bisschen weniger praktisch, oder man hat etwas weniger Funktionen. Aber ich tue es, um zu sehen, ob es geht.
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Die Sprachassistenten Google Assist und Alexa sind für Sie dann auch des Teufels?
Diese Produkte sind unglaublich schädlich. Sie bieten dem Benutzer einen vernachlässigbaren Wert für gewaltige Risiken. Aber das gilt für jedes Google-Produkt.
Sie leben noch immer im Silicon Valley. Sieht man Sie dort als Helden oder als Verräter?
Das Silicon Valley ist wie ein Club mit seinen eigenen gesellschaftlichen Normen. Eine ist, dass man eher keinen Ärger macht. Deshalb hat mein Aktivismus viele meiner alten Beziehungen unterspült – und neue eröffnet. Diesen Preis zahle ich.
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