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Fertig taub stellen: Mit Daniela Stoffel geht das SIF in die Offensive. Das ist auch nötig angesichts des drohenden OECD-Steuerprojekts.

Florence Vuichard
Staatssekretärin: Daniela Stoffel hat im März die Leitung des Staatssekretariats für internationale Finanzfragen übernommen.
Raphael Hünerfauth für BILANZWas immer war, wird immer so bleiben. Das glaubt wohl auch Finanzminister Hans-Rudolf Merz, als er am 19. März 2008 im Nationalratssaal an die Adresse des Auslands ausruft: «Jenen, die das schweizerische Bankgeheimnis angreifen, kann ich voraussagen: An diesem Bankgeheimnis werdet ihr euch noch die Zähne ausbeissen.» Ein Jahr und etliche unglückliche Abwehrübungen später, am 13. März 2009, geben Merz und seine Regierungskollegen klein bei, akzeptieren den ominösen OECD-Artikel 26 und verzichten fortan auf die spitzfindige Unterscheidung zwischen Steuerbetrug und Steuerhinterziehung – und damit auf das, was immer als «unverhandelbar» galt.
Die studierte und promovierte Philosophin Daniela Stoffel, die nach einer akademischen eine diplomatische Laufbahn eingeschlagen hat, verlässt in dieser Zeit Washington und übernimmt auf der Schweizer Botschaft in Berlin die Leitung des Bereichs Wirtschaft und Finanzen – und ist plötzlich mittendrin im ebenso erfolglosen wie schmerzvollen Abwehrkampf der Schweiz gegen die Einführung des automatischen Informationsaustauschs. Krampfhaft hecken Bundesrat und Parlament Alternativen aus und entscheiden sich schliesslich für die Idee von Alfredo Gysi, dem Präsidenten der Auslandbanken, wonach Banken für die ausländischen Staaten anonym eine Quellensteuer erheben sollen. In der Folge schliesst die Schweiz mit Grossbritannien und Österreich solche Abkommen ab – ebenso wie mit Deutschland, an dessen Aushandlung auch Stoffel beteiligt ist.
Die Hauptverantwortung liegt aber bei Michael Ambühl, erster Staatssekretär im vor zehn Jahren neu geschaffenen Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SIF). Die Behörde, die im März 2010 offiziell ihre Arbeit aufnimmt, ist die späte Antwort der Schweiz auf die Dauerattacken des Auslands auf den hiesigen Finanzplatz. Sie soll, so jedenfalls die Hoffnung, das Ende der Epoche der politischen Fehleinschätzungen einläuten. «Wir sind in diesem Bereich bis jetzt nicht stark genug gewesen, wir sind zu oft reagierend statt proaktiv», räumt Merz bei Ambühls Ernennung ein.
Der Finanzminister und sein Staatssekretär setzen in der Folge alles auf die Karte Abgeltungssteuer. Doch spätestens zwei Jahre später, Ende 2012, als Deutschland das Abkommen ablehnt, endet auch dieser Schweizer Sonderweg in einer Sackgasse, aus welcher der Bundesrat erst im Sommer 2013 wieder herausfindet. Im Juni entscheidet die Regierung unter der Ägide von Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf sich, im Rahmen der OECD an der Erarbeitung eines internationalen Standards für den automatischen Informationsaustausch mitzuarbeiten. Kurz darauf verlässt Ambühl das SIF.
Im März 2019 hat nun Stoffel das frühere Chefbüro von Ambühl im dritten Stock des Bernerhofs übernommen. An der Wand steht ein kleines, graues Sofa. Ihr eigenes, wie Stoffel schnell betont. Hier legt sich die 51-jährige Staatssekretärin auch mal kurz hin, wenn sie Zeit hat. Oft kommt das nicht vor, ihr Terminkalender ist voll. Übervoll. Sie ist dauernd unterwegs, reist für die Interessen des hiesigen Finanzplatzes um den Globus. Und immer wieder nach Paris, zur OECD.
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