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1968 wurde das kleine Bergdorf Mürren auf einen Schlag zum Zentrum der internationalen Filmwelt – das bedeutete mehr als Glamour und Action.
Peter Wälty
George Lazenby alias Agent 007 schiesst auf dem Schilthorn scharf in «Im Geheimdienst Ihrer Majestät» – dem Film, mit dem Mürren schlagartig berühmt wurde.
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Mürren, das auf einer Sonnenterrasse hoch über dem Lauterbrunnental liegt, zählt 1968 kaum 450 Einwohner. Zwar verfügt das autofreie Bergdorf über eine lange touristische Geschichte – bereits 1858 entstand hier das erste Hotel, das Silberhorn. In der Vorkriegszeit urlauben hier europäische Adlige, solvente Industriemagnaten und andere High-Net-Worth Individuals. Doch in den 1960er-Jahren wendet sich das Blatt: Der Massentourismus erfasst die Alpen, und der Ort muss sich neu positionieren. Die im Bau befindliche Schilthornbahn soll dabei helfen – doch der ambitionierte Plan wird ausgebremst.
Die Schilthornbahn, bei Baubeginn als längste Luftseilbahn der Welt gefeiert, ist ein visionäres Infrastrukturprojekt. Geplant mit einem Budget von 9,8 Millionen Franken, explodieren die Kosten bis 1968 auf über 31 Millionen. Die Bauarbeiten werden gestoppt, das geplante Drehrestaurant auf dem Gipfel bleibt im Rohbau. Für die Initianten, Verwaltungsratspräsident Ernst Feuz und seinen Direktor Paul Eggenberg, steht das Vorhaben ökonomisch auf der Kippe. In dieser prekären Lage tritt Eon Productions auf den Plan.
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Das Drehrestaurant auf dem Gipfel des Schilthorns auf 2970 Meter Höhe. Im Vordergrund der Hubschrauberlandeplatz, der für den Film auf den Berg betoniert wurde.
PRDas Drehrestaurant auf dem Gipfel des Schilthorns auf 2970 Meter Höhe. Im Vordergrund der Hubschrauberlandeplatz, der für den Film auf den Berg betoniert wurde.
PRDie Londoner Produktionsfirma ist dringend auf der Suche nach einem alpinen Drehort für Blofelds Virenlabor im James-Bond-Film «On Her Majesty’s Secret Service». Autor Ian Fleming hatte es sich als frei stehende Gipfelstation in den Schweizer Alpen vorgestellt – aber ein solcher Ort fehlt ihm bis dato. Als der erfahrene Aufnahmeleiter Hubert Fröhlich im März 1968 auf einer Postkarte im Hotel Adler in Grindelwald ein Bild der neuen Schilthornstation entdeckt, wendet sich das Blatt.
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Nur einen Tag später steht Fröhlich selbst auf dem Schilthorn und weiss: «Das ist es.» Noch am selben Tag beginnt er Gespräche mit Eggenberg und Feuz – wenige Wochen später wird ein Vertrag unterzeichnet.
Der Vertrag zwischen Eon Productions und der Schilthornbahn wird am 22. Mai 1968 abgeschlossen – laut Ex-CEO Peter Feuz wurde er «in weniger als einer Stunde paraphiert». Eon verpflichtet sich, den Ausbau der Gipfelstation zu finanzieren, inklusive des weltweit ersten Drehrestaurants auf 2970 Meter Höhe, das Platz für 120 Gäste bietet. Zudem errichtet Eon eine Helikopterlandebasis – ein baurechtliches Husarenstück, denn die Bewilligung dafür wird erst nach Abschluss der Dreharbeiten offiziell erteilt.
Eine Filmszene im heutigen Restaurant auf dem Schilthorn.
PRRegisseur Peter Hunt (auf dem Stuhl) amüsiert sich über Bösewicht Yuri Borienko (auf dem Boden liegend).
The Blofeld Files, Edition BleuchampSchauspielerin Diana Rigg spielte die Contessa Teresa «Tracy» di Vincenzo.
The Blofeld Files, Edition BleuchampDrehpause auf dem Schilthorn. George Lazenby gibt Helena Ronee Feuer.
PRStuntman und Bergführer Ruedi von Allmen mit einer unbekannten Begleiterin.
The Blofeld Files, Edition BleuchampSir Hilary Bray spielt mit Blofelds Patientinnen auf der Terrasse des Schilthorns Curling.
PRStuntman Heinz Brunner auf Ski und mit Fernglas; an der Kamera der spätere Modeunternehmer Willy Bogner.
The Blofeld Files, Edition BleuchampAus dem Film: Das Stockcar-Rennen in Lauterbrunnen.
PRGrande Finale im Film – James Bond greift mit dem Helikopter an.
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Die Filmproduktion erhält im Gegenzug exklusiven Zugang zum Rohbau – und zum gesamten Schilthorn – über die Dauer des gesamten Winters 1968/69. Für die Schilthornbahn bedeutet der Deal die Rettung: Eon investiert rund 1 Million Franken in die Fertigstellung der Station – ein massiver Betrag für die damalige Zeit.
Auch das Dorf Mürren profitiert erheblich. Im August 1968 trifft sich Hubert Fröhlich mit den Direktoren der sechs führenden Hotels – Bellevue, Blumental, Edelweiss, Jungfrau, Alpenruhe und Eiger –, um einheitliche Zimmerpreise auszuhandeln. Das Ergebnis: 64 Franken für ein Doppelzimmer mit Bad, 24 Franken für ein Einzelzimmer ohne Bad. Zwei Wochen später führen die Hoteliers eigenständig Zusatzgebühren für das Frühstücksbuffet ein – 3.50 Franken für Cornflakes, 4 Franken für Rührei und 10 Franken für einen Liter frisch gepressten Orangensaft. Das sind für damalige Verhältnisse sportliche Preise, die von den Filmleuten anstandslos bezahlt werden. Ein Novum für Mürren ist das neue Buffetmodell: Noch nie mussten alle Gäste zur selben Zeit frühstücken – und schon gar nicht innerhalb von zehn Minuten. Die Filmcrew verlangt Effizienz, keine Gemütlichkeit. Bis zu 120 Personen werden so täglich im Akkord verköstigt. Das Frühstücksbuffet bleibt danach in vielen Hotels als Standard bestehen.
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Was die Bond-Produktion ins Berner Oberland bringt, ist nicht nur internationale Aufmerksamkeit – sondern vor allem liquide Mittel. Jost Brunner, damaliger Tourismusdirektor von Mürren und zugleich Filialleiter der Schweizerischen Kreditanstalt (SKA) vor Ort, kennt die Zahlen ganz genau. In einem Bericht in der TV-Sendung «Die Rundschau» nennt er offen die wöchentliche Summe, die Eon für laufende Ausgaben aus der Kasse im Hotel Alpenruh abhebt: 600 000 Schweizer Franken.
Der opulente Bildband «The Blofeld Files – The Making of the Iconic Alpine Sequence in the James Bond Movie ‹On Her Majesty’s Secret Service›» ist soeben bei Edition Bleuchamp erschienen und kann unter theblofeldfiles.com bestellt werden.
Autoren: Peter Wälty, Steffen Appel
Mit Vorworten von George Lazenby und Steven Saltzman
Umfang: 368 Seiten, 713 Abbildungen, Fünffarbendruck
Sprache: Englisch
Verkaufspreis: 99 Euro/105 Franken
Edition Bleuchamp, 2025
ISBN: 978-3-00-081725-0
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Dieses Geld fliesst in Hotelübernachtungen, Transporte, lokale Dienstleistungen und Gastronomie. Mürren wird im Herbst 1968 zum Zentrum der globalen Filmindustrie – und profitiert so von einer dritten Saison.
Nach Abschluss der Dreharbeiten bleibt nicht nur ein berühmter Filmdrehort zurück, sondern auch eine vollständig ausgebaute Infrastruktur. Das Drehrestaurant auf dem Schilthorn kann dank Eon-Productions seinen Betrieb aufnehmen und der von Ian Fleming erfundene Name «Piz Gloria» geht um die Welt. Kurz darauf kann die Schilthornbahn AG zum ersten Mal eine Dividende auszahlen.
Der wirtschaftliche Turbo James Bond wirkt über Jahrzehnte nach: Der Bond-Tourismus sichert Arbeitsplätze, verlängert die Saison und macht Mürren international bekannt. Die Region ist bis heute untrennbar mit «On Her Majesty’s Secret Service» verbunden – und verdankt dem britischen Geheimagenten weit mehr als nur einen Werbeeffekt.
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Dieser Artikel ist im Millionär, dem Magazin der Handelszeitung, erschienen (Juni 2025).
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