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Im Gespräch: Arno Inauen

«Wir sind Marktführer mit rund 60 Prozent des Weltmarkts»

Der CEO von Garaventa baut die grössten Seilbahngondeln der Welt. Trotz Duopol im Markt herrsche gesunde Konkurrenz. Mühsamer seien die US-Zölle.

Tina Fischer

<p>Gipfelstürmer und Herr der Seilbahnen: Arno Inauen am Hauptsitz von Garaventa in Goldau.</p>

Gipfelstürmer und Herr der Seilbahnen: Arno Inauen am Hauptsitz von Garaventa in Goldau.

PD/Garaventa AG/André Herger

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Ein Kind rennt im Badekleid durch das Quartier, zwei Velofahrer grüssen sich beim Vorbeifahren, ein Wanderer macht sich bereit für den Aufstieg auf den Wildspitz. Mitten in diesem Quartier, zehn Gehminuten vom Bahnhof Arth-Goldau entfernt, hat das Seilbahnunternehmen Garaventa seinen Hauptsitz.

Auf dem Vorplatz stapeln sich alte Gondeln, Umlenkräder und Mastenelemente. Herr dieses realen Tetrissystems ist CEO Arno Inauen. Der Garaventa-Chef jettet zwar regelmässig um die Welt, um neue Bahnprojekte zu starten, doch im Herzen ist er Schwyzer geblieben. Vor allem aber Seilbähnler.

Pilot, Feuerwehrmann, Astronaut – das sind typische Traumberufe von Buben. Bei Ihnen stand von Beginn an die Seilbahn im Zentrum. Ist das eine Sucht?

Ich war von klein auf damit konfrontiert. Ich bin im Ybrig aufgewachsen, mein Vater war technischer Leiter im Skigebiet. Das hat mich immer interessiert.

Heute sind Sie CEO bei Garaventa. Aber auch privat sind Sie an einer kleinen Seilbahnunternehmung, der Inauen-Schätti AG, beteiligt. Wie geht das?

Als ich an der ETH Maschinenbau studierte, erhielten mein Vater, mein Bruder und ich die Möglichkeit, das Unternehmen Schätti zu kaufen. Ich hatte zwar damals kein Geld, aber wir kauften trotzdem. Wir bauten das Unternehmen auf und erhielten früh die Vertretung von Doppelmayr für die Schweiz. Bis zur Fusion standen wir in Konkurrenz zu Garaventa, heute gehört das zusammen.

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Doppelmayr und Garaventa fusionierten 2002 – im Jahr, in dem der Euro eingeführt wurde. Noch heute agieren Sie unter beiden Namen. Ist das sinnvoll?

Ja, denn die Fusion stand für die Stärken beider Unternehmen. Zwar brachte Doppelmayr rund zwei Drittel des damaligen Unternehmensvolumens ein, Garaventa etwa einen Drittel, doch die Fusion erfolgte auf Augenhöhe. Man nahm von beiden Unternehmungen das Beste und segmentierte die Produktbereiche. Ausserdem geniesst die Marke Garaventa weltweit ein hohes Ansehen.

Wer macht was?

Garaventa steht für Spezialbahnen, also Pendel- und Standseilbahnen, Materialseilbahnen und komplexe Seilzugarbeiten. Doppelmayr ist verantwortlich für die Umlaufbahnen – also Gondelbahnen, Sesselbahnen und Schlepplifte.

Bei dieser Auswahl an Bahntypen: Welches Wort darf ich für alle Bahnen verwenden?

Seilbahn ist richtig – oder Seilbahnsysteme.

Oder Gondeli und Bähnli?

Nein. Das wäre, wie wenn heute jemand Fräulein sagen würde.

Könnte man trotzdem sagen, dass Doppelmayr die Gondeli liefert?

(lacht) Sozusagen. Wir verhindern Doppelspurigkeiten, jeder hatte von Beginn weg seinen Fokus. Wir machen die Spezialbahnen, also Unikate für jeden Kunden. Doppelmayr arbeitet mit einem Baukasten; diese Umlaufbahnen sind hoch standardisiert.

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<p><strong>Gipfelstürmer</strong> Das ganze Leben von Arno Inauen dreht sich um Seilbahnen. Von Kindesbeinen an war er in Kontakt mit dem Trans­portmittel. Davon beein­flusst, studierte er Maschinenbau an der ETH. Heute setzt er als CEO von Garaventa Seilbahn­projekte auf der ganzen Welt um. Wo möglich, gerne auch mit einem Rekord.</p>

Gipfelstürmer Das ganze Leben von Arno Inauen dreht sich um Seilbahnen. Von Kindesbeinen an war er in Kontakt mit dem Transportmittel. Davon beeinflusst, studierte er Maschinenbau an der ETH. Heute setzt er als CEO von Garaventa Seilbahnprojekte auf der ganzen Welt um. Wo möglich, gerne auch mit einem Rekord.

André Herger
<p><strong>Gipfelstürmer</strong> Das ganze Leben von Arno Inauen dreht sich um Seilbahnen. Von Kindesbeinen an war er in Kontakt mit dem Trans­portmittel. Davon beein­flusst, studierte er Maschinenbau an der ETH. Heute setzt er als CEO von Garaventa Seilbahn­projekte auf der ganzen Welt um. Wo möglich, gerne auch mit einem Rekord.</p>

Gipfelstürmer Das ganze Leben von Arno Inauen dreht sich um Seilbahnen. Von Kindesbeinen an war er in Kontakt mit dem Transportmittel. Davon beeinflusst, studierte er Maschinenbau an der ETH. Heute setzt er als CEO von Garaventa Seilbahnprojekte auf der ganzen Welt um. Wo möglich, gerne auch mit einem Rekord.

André Herger

Hat sich diese Aufteilung ausgezahlt?

Bei der Fusion stand der konsolidierte Umsatz bei 400 Millionen Franken. Heute sind es 1,1 Milliarden.

Dieser Umsatz dürfte aber bald unter Druck kommen, denn Sie liefern auch in die USA. Wo treffen Sie die Zölle von 39 Prozent von Donald Trump am stärksten?

Wir haben bereits grosse Produktionen in den USA und bauen diese aktuell stark aus.

Wegen Donald Trump?

Das hat nichts mit den Zöllen zu tun. Wir planen das seit einigen Jahren. Und wir bauen nicht nur in den USA aus, sondern auch in Kanada , in China und an unseren Hauptstandorten. Um die hohen Kosten aufgrund der neuen Einfuhrzölle zu reduzieren, werden wir für US-Aufträge vermehrt in den USA und bei den Unternehmungen unserer Gruppe im EU-Raum produzieren.

Welchen Betrag investieren Sie?

Über alle Standorte sind es rund 150 Millionen Franken.

Also über den Daumen gepeilt sind es 50 Millionen in den USA. Telefonieren Sie regelmässig mit Karin Keller-Sutter, um die Schweizer Verhandlungsposition zu stärken?

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Nein, ihre Telefonnummer habe ich nicht. Wir hätten auch so investiert.

Das Konstrukt Doppelmayr-Garaventa ist mittlerweile ein Grosskonzern. Und noch immer in Privatbesitz?

Ja, das Unternehmen gehört zu 100 Prozent der Doppelmayr-Familienstiftung und Michael Doppelmayr.

Ist ein Börsengang ein Thema?

Nein.

Willy Garaventa war Seilbahnpionier. Wie viel Unternehmergeist ist bei dieser Grösse noch vorhanden?

Unser Ziel ist immer, mit unseren Spezialbahnen die Kundenbedürfnisse optimal zu decken – wie es damals Willy Garaventa tat. Die Stoosbahn ist ein gutes Beispiel dafür: Die Standseilbahn ist die steilste der Welt, und der Kunde wünschte sich horizontale Ein- und Ausstiege an den Stationen. Deshalb entwickelten wir eine spezielle Lösung mit drehbaren Fahrzeugabteilen.

Heute dominiert ein Duopol den Seilbahnmarkt: Sie und Leitner respektive die HTI-Gruppe aus Südtirol.

Leitner ist noch etwas grösser als wir, da sie auch Pistenmaschinen, Schnee- und Windanlagen liefert. Bei den Seilbahnen sind wir Marktführer und halten weltweit rund 55 bis 60 Prozent des Weltmarkts, die HTI-Gruppe etwa 40 Prozent. Den Rest teilen sich eine Handvoll andere Firmen, etwa die grössten chinesischen Produzenten. Die Chinesen sind auch in Russland gewachsen, da wir dort wegen der Sanktionen nicht mehr liefern.

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<p><strong>Duopolisten</strong> Auf dem Weltmarkt der Seilbahnen werden rund 2 Milliarden Franken umgesetzt. Mit gegen 60 Prozent ist das Konstrukt Doppelmayr-Garaventa, das bereits im Jahr 2002 fusio­nierte, der Platzhirsch. Auf Platz zwei folgt mit einem Anteil von 40 Prozent die Südtiroler HTI-Gruppe. Ihre Hauptmarken sind Leitner, Poma und Bartholet. Daneben produziert HTI allerdings auch noch Pistenfahrzeuge und Beschneiungsanlagen.</p>

Duopolisten Auf dem Weltmarkt der Seilbahnen werden rund 2 Milliarden Franken umgesetzt. Mit gegen 60 Prozent ist das Konstrukt Doppelmayr-Garaventa, das bereits im Jahr 2002 fusionierte, der Platzhirsch. Auf Platz zwei folgt mit einem Anteil von 40 Prozent die Südtiroler HTI-Gruppe. Ihre Hauptmarken sind Leitner, Poma und Bartholet. Daneben produziert HTI allerdings auch noch Pistenfahrzeuge und Beschneiungsanlagen.

PD/Garaventa AG
<p><strong>Duopolisten</strong> Auf dem Weltmarkt der Seilbahnen werden rund 2 Milliarden Franken umgesetzt. Mit gegen 60 Prozent ist das Konstrukt Doppelmayr-Garaventa, das bereits im Jahr 2002 fusio­nierte, der Platzhirsch. Auf Platz zwei folgt mit einem Anteil von 40 Prozent die Südtiroler HTI-Gruppe. Ihre Hauptmarken sind Leitner, Poma und Bartholet. Daneben produziert HTI allerdings auch noch Pistenfahrzeuge und Beschneiungsanlagen.</p>

Duopolisten Auf dem Weltmarkt der Seilbahnen werden rund 2 Milliarden Franken umgesetzt. Mit gegen 60 Prozent ist das Konstrukt Doppelmayr-Garaventa, das bereits im Jahr 2002 fusionierte, der Platzhirsch. Auf Platz zwei folgt mit einem Anteil von 40 Prozent die Südtiroler HTI-Gruppe. Ihre Hauptmarken sind Leitner, Poma und Bartholet. Daneben produziert HTI allerdings auch noch Pistenfahrzeuge und Beschneiungsanlagen.

PD/Garaventa AG

Sie haben auch viele Schweizer Anbieter aufgekauft …

Wir vereinen viele Firmen unter unserem Dach: Habegger, Bell, Küpfer, Städeli, Von Roll. Sie alle gehören mittlerweile zu uns. Da kommt viel Wissen zusammen, das wir weitergeben können.

Aber gibt es bei einem Duopol noch gesunde Konkurrenz?

Unser Markt mit rund 2 Milliarden Franken Umsatz ist beispielsweise im Gegensatz zum viel grösseren Automarkt relativ klein. Aufgrund der Schwankungen, Projekt- und Prozessrisiken gab es eine gewisse Konsolidierung. Deswegen findet aber nicht weniger Innovation statt, und es herrscht ein intensiver Wettbewerb. Insofern glaube ich, dass die aktuelle Konstellation gesund ist.

Urs Kessler, der Ex-CEO der Jungfraubahnen, erteilte Ihnen jüngst mit 70 Millionen Franken den grössten Auftrag der Firmengeschichte. Er meinte, Sie seien zu teuer.

(lacht) Und ich sage, wir waren sehr günstig! Das waren zähe Verhandlungen, aber am Schluss haben wir uns gefunden. Von den ausgeschriebenen Bahnen liefern wir vier Stück, und unser Mitbewerber liefert eine Neuanlage.

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70 Millionen sind ein Rekordauftrag. Ein Blick in die Bücher zeigt: Über die letzten Jahre sank die Anzahl Bergbahnen, dafür wurden die einzelnen Bauten teurer. Liegt das daran, dass heute jede Bahn ein Erlebnis sein muss, mit Cabrio, Sitzheizung oder rotierenden Kabinen?

Die Anzahl Neuanlagen kann von Jahr zu Jahr variieren, ist aber langfristig konstant. Das Volumen der einzelnen Projekte nimmt jedoch zu, da die Ansprüche an die Leistungsfähigkeit und an den Komfort steigen.

Von wie vielen Projekten pro Jahr sprechen wir?

Durchschnittlich sind es rund hundert Seilbahnprojekte pro Jahr, vom kleinen Schlepplift bis zur grossen Pendelbahn.

Wie profitabel ist eine solche Anlage?

Das ist sehr unterschiedlich. Wir arbeiten projektbasiert und auf der ganzen Welt. Pauschal kann ich die Frage nicht beantworten.

Aber gab es mal einen Bombardier-Moment? Eine Seilbahn, bei der Sie im roten Bereich landeten?

Es passiert, dass die kalkulierten Kosten höher ausfallen. Die Bahn stellen wir trotzdem fertig, das gehört zu unserem Auftrag.

Hierzulande kennen wir Seilbahnen nur aus dem Tourismus. In Südamerika sind sie auch als urbanes Transportmittel beliebt. Im bolivianischen La Paz etwa entstand das erste urbane Seilbahnnetz. Wie kam das?

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La Paz war ein Meilenstein. Der damalige Präsident Morales realisierte ein komplett neues Stadtnetz mit einer Seilbahn, weil er der indigenen Bevölkerung an den Stadträndern den Zugang zum Zentrum ermöglichen wollte. Das löste in ganz Südamerika eine Bewegung aus; die Seilbahn etablierte sich erfolgreich als urbanes System. Wir bauen aktuell urbane Anlagen in Mexiko, Kolumbien, Chile, Brasilien und Guatemala!

<p><strong>Rekordhalter</strong> Der Schweizer Ableger Garaventa hält weltweit dreissig Rekorde im Bereich Seil­bahnen – was wiederum ebenfalls ein Rekord ist. Das Unternehmen baute unter anderem die grösste rotierende Bahn, erstellte die höchstgelegene Seilbahn und die steilste Pendel- sowie Standseil­bahn. Und sie kreierte die längste Seilbahn unter dem Meeresspiegel, von minus 220 auf minus 50 Meter Seehöhe.</p>

Rekordhalter Der Schweizer Ableger Garaventa hält weltweit dreissig Rekorde im Bereich Seilbahnen – was wiederum ebenfalls ein Rekord ist. Das Unternehmen baute unter anderem die grösste rotierende Bahn, erstellte die höchstgelegene Seilbahn und die steilste Pendel- sowie Standseilbahn. Und sie kreierte die längste Seilbahn unter dem Meeresspiegel, von minus 220 auf minus 50 Meter Seehöhe.

André Herger
<p><strong>Rekordhalter</strong> Der Schweizer Ableger Garaventa hält weltweit dreissig Rekorde im Bereich Seil­bahnen – was wiederum ebenfalls ein Rekord ist. Das Unternehmen baute unter anderem die grösste rotierende Bahn, erstellte die höchstgelegene Seilbahn und die steilste Pendel- sowie Standseil­bahn. Und sie kreierte die längste Seilbahn unter dem Meeresspiegel, von minus 220 auf minus 50 Meter Seehöhe.</p>

Rekordhalter Der Schweizer Ableger Garaventa hält weltweit dreissig Rekorde im Bereich Seilbahnen – was wiederum ebenfalls ein Rekord ist. Das Unternehmen baute unter anderem die grösste rotierende Bahn, erstellte die höchstgelegene Seilbahn und die steilste Pendel- sowie Standseilbahn. Und sie kreierte die längste Seilbahn unter dem Meeresspiegel, von minus 220 auf minus 50 Meter Seehöhe.

André Herger

Und in Europa? Beharren die Europäer auf Bus und Zug?

Es gibt in Europa viele Projekte, aber die Realisierung ist hier wesentlich anspruchsvoller.

Warum?

Es gibt zwei Gründe. Erstens ist der Leidensdruck im Vergleich zu Südamerika weniger gross. Der Stau ist auch bei uns mühsam – aber wollen Sie beispielsweise in La Paz Ihr Kind ins Spital bringen müssen, wenn Sie dafür einen halben Tag benötigen? Jetzt sitzen die Leute für acht Minuten in der Gondel und befinden sich danach im Zentrum.

Und der zweite Grund?

Der liegt in den Rechten, die wir hier in Europa haben – und auch schätzen.

Sie meinen die Einsprachen?

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Ja. Wir alle schätzen diese Möglichkeit. Sie hat aber auch zur Folge, dass jeder, der auch nur am Rande betroffen sein könnte, ein Projekt verhindern kann. Stellen Sie sich das im urbanen Raum vor: Dort sind oft sehr viele Leute betroffen. Urbane Unterfangen sind in Europa schwierig.

Das Projekt der ZKB über den Zürichsee scheiterte. Die neue Seilbahn vom Bahnhof Stettbach zum Zoo steht ebenfalls auf der Kippe.

Irgendjemand geht immer in Opposition.

Ist die Schweiz seilbahnfeindlich?

Die Schweizer sind nicht seilbahnfeindlich, aber wir leben auf engem Raum. Da gibt es klare Restriktionen bezüglich dessen, wo man eine Seilbahn bauen kann und wo nicht. Es ist wichtig, dass man Räume hat, die man für den Tourismus nutzen und in denen man mit vernünftigem Aufwand Projekte realisieren kann.

Ist Bauen in der Schweiz für Sie überhaupt noch attraktiv, trotz Einsprachen?

Auf jeden Fall. Die Schweiz ist unser grösster Markt. Auch wenn man schaut, wie sich der Tourismus in der Schweiz und die Nachfrage entwickeln, bleibt das spannend.

In Asien lebt man auch auf engem Raum. Aber da vergehen teils nur 18 Monate von Projektstart bis Bauende. Warum?

Das ist die absolute Ausnahme. Der Schnitt liegt bei zwei bis drei Jahren. Das Bauen selbst dauert nicht so lange, aber die Bewilligungsphase, zum Beispiel die Anpassung der Zonenpläne und so weiter, braucht Zeit.

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Und zusätzlich scheint viele der Massentourismus in den Bergen zu stören. Auf der Zugspitze wurde Anfang Juli ein zweites Gipfelkreuz installiert, damit Flipflop-Touristen ein Gipfelfoto machen können, ohne den ausgesetzten Weg nehmen zu müssen. Gehören solche Leute wirklich in die Berge?

In Mitteleuropa werden keine neuen Berge erschlossen. Die Zugspitze ist ein gutes Beispiel: Die Anlage ist bereits in der dritten Generation, sie wird höchstens durch eine Seilbahn mit mehr Leistung und vor allem mehr Komfort ersetzt.

Braucht es das?

Ja. Ich finde es moralisch vertretbar, dass jemand mit dem Rollstuhl auf eine Zugspitze kann und dort Berg und Aussicht geniesst. Doch ich bin mit Ihnen einig: Jemand, der in Flipflops wandert, ist unvernünftig. Dass aber jemand die Zugspitze besucht, wo eine Infrastruktur besteht, finde ich durchaus legitim. Das heisst jedoch nicht, dass man auf jeden Berg eine Seilbahn bauen muss.

Und trotzdem bauen Sie die Kapazitäten von Bahnen zu touristischen Hotspots wie dem Oeschinen- oder dem Bachalpsee weiter aus.

Seilbahnen sind in diesen Regionen wichtig, um die touristischen Highlights zu erschliessen. Beim Neubau solcher Seilbahnen geht es oft nicht nur um eine Erhöhung der Förderleistung, sondern auch um eine Steigerung von Qualität und Komfort.

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Mittlerweile weist fast jede neue Bahn von Garaventa einen Rekord auf. Wie oft gehen Sie die Extrameile, damit ein neuer Rekord entsteht?

Wir suchen keine spezifischen Rekorde. Oft ist das durch die Topografie bedingt, wie es etwa in Mürren mit der steilsten Pendelbahn der Welt der Fall ist. Solche Herausforderungen nehmen wir gerne an.

Ein weiteres Leuchtturmprojekt steht in Vietnam: die Pendelbahn über die Halong-Bucht. Sie hält zwei Rekorde, einer davon ist sehr skurril …

Die Ha-Long-Queen-Seilbahn hat eine 188,88 Meter hohe Stütze. Das ist die höchste ihrer Art, und gleichzeitig ist die Acht die Glückszahl der Vietnamesen. Der zweite Turm ist übrigens 123,45 Meter hoch. Solche Spielereien machen wir möglich, wenn der Rahmen es zulässt.

<p>Die beiden Stützen der Ha-Long-Queen-Bahn in Vietnam sind beide speziell: Die eine ist 188,88 Meter hoch, die zweite 123,45 Meter.</p>

Die beiden Stützen der Ha-Long-Queen-Bahn in Vietnam sind beide speziell: Die eine ist 188,88 Meter hoch, die zweite 123,45 Meter.

ZVG
<p>Die beiden Stützen der Ha-Long-Queen-Bahn in Vietnam sind beide speziell: Die eine ist 188,88 Meter hoch, die zweite 123,45 Meter.</p>

Die beiden Stützen der Ha-Long-Queen-Bahn in Vietnam sind beide speziell: Die eine ist 188,88 Meter hoch, die zweite 123,45 Meter.

ZVG

Rekorde geben gute Presse. Beim Konkurrenten Bartholet stösst die Bahn Flemxpress auf laute Kritik. Die Bahn hätte eine Weltneuheit sein sollen, macht aber primär mit Störungen auf sich aufmerksam. Hat die Branche überhaupt noch Innovationspotenzial? Was kommt nach Sitzheizung und rotierender Bahn?

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Zum Flemxpress kann ich nichts sagen, dieses System führen wir nicht. Wir fokussieren uns auf die Automatisierung. Ein Hauptkostentreiber beim Betrieb von Seilbahnen sind die Personalkosten. Dank unseren Innovationen können Seilbahnen ohne Personal und mit genauso hoher Sicherheit autonom betrieben werden. Dafür entwickelten wir etwa mit dem ETH-Start-up Mantis eine neue Technologie unter Einsatz von KI.

Wer ein Produkt mit weniger Personal betreiben kann, senkt auch die Kosten. Als Konsumentin habe ich aber den Eindruck, dass alles teurer wird: das Skiticket, die Gipfelfahrt, das Bike auf dem Träger. Warum?

Der erfolgreiche Betrieb einer Seilbahnunternehmung bedingt regelmässige und hohe Investitionen in die gesamte Infrastruktur, wie zum Beispiel Seilbahnen, Gastronomie, Beschneiungsanlagen. Dies schlägt sich letztlich in den Ticketpreisen nieder. Und der Kunde wünscht sich heute Komfort am Berg: Sitzheizung, Kuppelhaube am Sessel oder Infotainment.

Was es in Ihren Augen alles nicht bräuchte?

Die Gäste möchten das, und als Bergregion will man dieses Bedürfnis erfüllen. Wir liefern, was gewünscht wird.

Skigebiete wollen nebst dem lukrativen Winter auch den Sommer besser ausnutzen. Welche Saison zahlt sich für Garaventa besser aus?

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Seit rund zehn Jahren ist eine Tendenz zum Sommer da. Die Prognosen sagen, dass dieser Sommer einer der besten wird. Wenn es so heiss ist, gehen die Leute lieber in die kühlen Berge. Die Regionen wollen das für sich nutzen, und wir als Seilbahnbauer passen unsere Produkte entsprechend an.

Wir Schweizer vergleichen uns gerne mit den Österreichern. Dem Hörensagen nach haben sie mehr in ihre Bahnen investiert als die Schweiz. Stimmt das?

Das war vielleicht mal so. Aber die Schweiz hat die letzten Jahre gleichgezogen.

Ganz alte Bahnen stehen auch in den USA. Unabhängig von den Zöllen: Auf wie viele Aufträge warten Sie hier?

Es ist tatsächlich so, dass die USA lange zurückhaltend waren mit dem Investieren. Das hat sich verändert: Wir sehen klare Trends der Investitionen in moderne Anlagen und Komfort. Nordamerika war in den letzten Jahren einer der am stärksten wachsenden Märkte.

Sind Sie mit Vail Resort und Alterra am Verhandlungstisch?

Schweizer Seilbahnen sind weltweit beliebt. Sind sie die Raketen der Schweiz?

Selbstverständlich! Die ersten Pioniere, die Seilbahnen gebaut haben, kamen aus der Schweiz. Seilbahnen prägen unser Image. Das merken wir auch, wenn wir unterwegs sind im internationalen Raum.

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Wenn Sie ein Round-the-World-Ticket vergeben könnten, welche drei Bahnen müssten unbedingt drin sein?

Das ist schwierig. Sicherlich die Hòn Tho’m in Vietnam: eine beeindruckende Seilbahn, die auf eine Inselgruppe führt. Dann natürlich die erwähnte Stadtbahn in La Paz. Und als dritte Bahn würde ich die neue TRI-Line Hoch-Ybrig empfehlen, eine Weltneuheit. Die Bahn wird im kommenden Winter eröffnet.

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Tina Fischer

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