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Chefinnen werden verstärkt beobachtet und tendieren oft dazu, sich noch härter zu geben als ihre Kollegen. Doch es geht auch anders.
Claudia Kraaz
«Wenn ein Mann scheitert, dann scheitert er als Einzelperson – wenn eine Frau scheitert, scheitert sie im Blick der Öffentlichkeit immer als Frau», hält Claudia Kraaz fest.
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Als stellvertretende Kommunikationschefin der Credit Suisse Anfang der 2000er-Jahre hatte ich den Übernamen «Iron Lady». Fand ich das toll? Nein, ich wollte nicht mit Margaret Thatcher verglichen werden. Aber als Frau fast allein auf weiter Flur hatte ich das Gefühl, dass ich eine gewisse Härte zeigen müsse, um mich unter Männern durchsetzen zu können. Mir ging es genau so, wie es die emeritierte Professorin Margit Osterloh diesen März in der «NZZ» beschrieb: Gerade in einer männlich geprägten Führungskultur könnten Frauen unter dem Druck stehen, ihre Durchsetzungskraft stärker zu betonen und spezifisch weibliche Eigenschaften zu verstecken.
Wieso ist dies so? Ich hatte damals keine Vorbilder, die mir zeigten, wie es gehen könnte: durchsetzungsfähig und hartnäckig zu sein – und trotzdem Frau zu bleiben. Und ich wollte ja keineswegs als zu sensibel gelten – das wäre ein Karrierekiller gewesen. Und als noch sehr junge Frau (ich war damals Mitte 30), die in kurzer Zeit steil aufgestiegen war, ging es mir wie anderen Chefinnen: Ich wurde akribisch beobachtet und auch strenger bewertet als meine Kollegen.
Claudia Kraaz, frühere stv. Kommunikationschefin der CS, ist Buchautorin, Coach und Trainerin und gibt Workshops für Businessfrauen.
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Die ehemalige Facebook-Chefin Sheryl Sandberg fragte am World Economic Forum 2016 die Männer in der Runde, wem von ihnen schon von einem Kollegen oder Vorgesetzten vorgeworfen worden sei, zu aggressiv zu sein – es streckte rund ein Zehntel der Männer auf. Als sie die Frauen im Raum fragte, streckte fast jede auf, inklusive Sandberg selbst. Wenn zwei das Gleiche tun, ist es noch lange nicht dasselbe.
Frauen in Führungspositionen sind auch weit stärker exponiert – gerade weil es noch weniger von ihnen gibt. Wenn ein Mann scheitert, dann scheitert er als Einzelperson – wenn eine Frau scheitert, scheitert sie im Blick der Öffentlichkeit immer als Frau. Als Frau in einer hohen Führungsposition wird man auch von den Medien anders bewertet. Man erhält mehr Aufmerksamkeit – aber nicht unbedingt auf die Art, die frau sich wünscht. In Medienartikeln wird ein Drittel mehr über das Aussehen von Frauen und doppelt so viel über ihr Privatleben berichtet als bei Männern. Und wurden Sie als Mann etwa schon gefragt, ob Sie nur wegen Ihres Geschlechts Chef geworden sind oder ob Sie nicht ein Rabenvater seien? Frauen brauchen also einen emotionalen Schutzwall, um diese Exponiertheit unbeschadet zu überstehen. Und das macht nochmals härter. Zum Glück wurden die früher den Frauen zugeschriebenen 3 Ks, Kinder, Küche und Kirche, abgelöst durch Kommunikation, Konsens- und Kooperationsfähigkeit – Schlüsselkompetenzen im digitalen Zeitalter. Männer können diese Kompetenzen auch aufweisen, aber Frauen fallen sie leichter. Denn sie haben klar leistungsfähigere Verbindungen zwischen der linken Hirnhälfte (Sprache/Logik) und der rechten (Emotionen). In Zeiten des Wandels sind nur Führungskräfte erfolgreich, die ihre Mitarbeitenden abholen und einbinden. Und die sprichwörtliche «weibliche Intuition» hilft, Probleme schon im Ansatz vorausschauend richtig einzuschätzen und schnell nötige Entscheidungen aus dem Bauch heraus zu treffen. Also ideale Voraussetzungen für Frauen (oder Männer, die sich dessen bewusst sind).
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Erfolgskritisch ist es, als Führungskraft authentisch zu sein und sich menschlich zu zeigen. Frederike Probert, die Gründerin von «Mission Female», einem deutschen Netzwerk von Top-Managerinnen, nennt die Erfolgsformel für Chefinnen «charmante Penetranz». Ich finde den Begriff nicht perfekt, teile aber ihre Meinung, dass man – unabhängig vom Geschlecht – klare Aussagen machen und hartnäckig sein sollte, aber gleichzeitig freundlich im Ton sein und das Gegenüber auf Augenhöhe behandeln sollte. Um eine gute Chefin zu sein, muss man also gar keine Iron Lady sein.
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