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Künstler-Rating 2019

Frisches Blut im Kunstkreislauf

Eine junge Garde von Schweizer Künstlern macht mit neuen Wegen international Furore. Das 26. BILANZ-Künstler-Rating.

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Brigitte Ulmer

Sonia Kacem

Material-Alchimistin: Die junge Genferin Sonia Kacem (Aufsteiger unter 40: Rang 4) kommentiert in ihrem Werk den Produktions-Konsum-Abfall-Kreislauf von Gütern.

Gian Marco Castelberg für BILANZ

Wer den «Art Market Report» der Art Basel und der UBS liest, der könnte meinen, dem Geschäft mit der Kunst gehe es prächtig. Der globale Umsatz für Kunstwerke ist im Jahr 2018 um sechs Prozent auf 67,4 Milliarden Dollar gestiegen. Seit zwei Jahren weist die Wachstumskurve wieder nach oben.

Hört man sich aber unter Galeristen um, so erscheint der Kunstmarkt volatil und äusserst polarisiert. «Der Primär- und der Sekundärmarkt sind zwei Welten», sagt der Galerist Urs Meile. «Ausserdem ist der Markt selektiver geworden. Die Käufer informieren sich wieder viel genauer als auch schon über die Inhalte und den Stellenwert eines Werks innerhalb eines künstlerischen OEuvre.» Einfacher verkauft sich, was museale Weihen hat.

Doch für Künstler, deren Kunst sich nicht wie ein Brand vermarkten lässt, ist der Markt zäh geworden. «Spekulatives Interesse an arrivierteren Positionen ist hoch», beobachtet Gregor Staiger, dessen gleichnamige Galerie in Zürich mit jungen Schweizer Künstlern wie Sonia Kacem und Nicolas Party eines der zurzeit spannendsten Programme bietet. «Experimentelle Kunst aber, der man aus genuiner Begeisterung begegnet, bräuchte mehr Unterstützung.»
 

Ökonomische Schere

Die Polarisierung ist ein Abbild der ökonomischen Schere: hier die Zunahme der High-Net-Worth Individuals und der Aufstieg reicher Asiaten, dort der schrumpfende Mittelstand, womit sich auch das Reservoir treuer Sammler für weniger etablierte, mittelpreisige Kunst verkleinert. Dass der asiatische Markt, im Gegensatz zum Heimmarkt, wichtiger wird, darüber ist man sich durchs Band einig. Meile, der chinesische Künstler wie den Kunstaktivisten Ai Weiwei, aber auch Schweizer wie Not Vital und die junge Berner Künstlerin Julia Steiner vertritt, hat deshalb schon 1997 einen Ableger in Peking gegründet. Der strategische Entscheid bringt ihm jetzt Glück: «Das hilft uns heute substanziell.» Gregor Staiger weiss sich mit innovativen Gallery-Sharing-Konzepten in Mailand oder Warschau zu helfen und einer kleinen, feinen Messe in Paris, die er mitgründete.

Idealistische Kleingalerien, die schlank arbeiten müssen, sehen sich zwar als Nutzniesser der Globalisierung, spüren aber auch deren Schattenseiten. «Es ist einfacher geworden, sich international zu vernetzen», sagt auch Anna Bolte von der Zürcher Galerie BolteLang. «Aber die Sammler haben weniger Zeit und fokussieren weniger auf eine Sache.»

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