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Perlendes aus Italien

Die lombardische Weinbauregion Franciacorta entwickelte sich innerhalb von 50 Jahren zur bekanntesten Appellation italienischer Schaumweine.

Rudolf Trefzer

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Das sanfte Hügelland südlich des Lago d’Iseo in der lombardischen Provinz Brescia präsentiert sich wie eine ­idyllische Gartenlandschaft, in der verstreut zahlreiche Klöster und Stifte liegen. Sie waren als «francae curtes», freie Höfe, von Steuern und Abgaben ­befreit und gaben der Region ihren Namen. Auf den mineralienreichen Moränenöden werden – wie praktisch überall in Italien – von jeher Reben kultiviert und Weine erzeugt. Über Jahrhunderte waren das rote und weisse Stillweine, die aber lediglich von lokaler Bedeutung waren. Als in den 1960er-Jahren das Schaumwein­haus Berlucchi den ersten flaschenvergorenen Franciacorta Spumante herausbrachte, änderte sich dies fast schlagartig. Die rasch wachsende Nachfrage nach diesen Schaumweinen führte dazu, dass auch andere Unternehmer aus Mailand und Brescia in das lukra­tive Geschäft mit hochwertigen Schaumweinen einstiegen.

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Paradoxerweise verdankt Franciacorta ihren Erfolg der Tat­sa­che, dass im Gebiet kaum Weine von über­regionaler Bedeutung erzeugt wurden. ­Damit gelang es den neuen Weinbau­unternehmern, welche zumeist nicht aus der Landwirtschaft kamen, ohne grosse Widerstände veraltete Methoden über Bord zu werfen. Sie gestalteten Erzeugung und Vermarktung ihrer Schaum­weine nach neuen Ideen. Heute, nur 50 Jahre später, ist Franciacorta mit einer Jahresproduktion von 11 Millionen Flaschen das führende Schaumweingebiet Italiens.

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Das Weinbau-Wunder des Franciacorta-Gebiets ist in erster Linie den mineralienreichen Moränenböden, dem vorteilhaften Klima mit seinen warmen Tagen und kühlen Nächten sowie den rigorosen DOCG-Bestimmungen und der funktionierenden Kontrolle des Erzeugerkonsortiums zu verdanken. Unter der 1995 eigens geschaffenen DOCG (De­nominazione di Origine Controllata e ­Garantita) Franciacorta darf nur flaschenvergorener Schaum­wein abgefüllt werden, dessen Trauben aus dem 23 Gemeinden umfassenden Anbaugebiet mit mittlerweile 2200 Hektaren Rebfläche stammen. Die Weine müssen mindestens 18 Monate in der Flasche auf der Hefe liegen und dürfen erst nach 25 Monaten in den Handel kommen.

Erlaubt sind die Traubensorten Pinot noir, Chardonnay und Pinot blanc, die mit den klassischen Bezeichnungen für den Zuckergehalt abgefüllt werden: Von den trockenen Extra Brut (0–6 Gramm pro Liter) über die harmonisch abgerundeten Brut bis hin zu den süssen Demi-Sec (32–50 Gramm pro Liter). Als besondere Spezialität der Region gilt der Satèn (seidig, samtig), der nur aus den weissen Sorten Chardonnay und Pinot blanc ­erzeugt wird. Von der Dosage her ist er immer ein Brut, hat aber einen niedrigeren Kohlensäuredruck (4,5 Atmosphären Druck statt 6), was ihm sehr feine Bläschen sowie einen cremigen Schaum ­verleiht. Abgerundet wird die Produktepalette von den Rosé-Varianten mit einem vorgeschriebenen minimalen Pinot-noir-Anteil von 15 Prozent.

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Das Qualitätsniveau der Franciacorta-Schaumweine ist – wie ich mich jüngst an einer Vergleichsdegustation vergewissern konnte – erfreulich hoch. Von heraus­ragender Güte und bei Kennern besonders beliebt sind die trockensten Versionen mit den Bezeichnungen Extra Brut oder gar Pas Dosé, Dosaggio Zero, Pas Operé oder Brut Nature (maximal 2 Gramm Zucker pro ­Liter), die heute von praktisch allen Spitzenproduzenten angeboten werden: Von Bellavista und Berlucchi über Ca’ del Bosco, Cavalleri, Contadi Castaldi bis hin zu Uberti und Villa, jedoch auch von auf­strebenden neueren Betrieben. Die Fran­ciacorta-Schaumweine brauchen den Vergleich mit der Champagne weder qualitativ noch preislich zu scheuen und sind im Allgemeinen um Welten besser als die Prosecco-Konkurrenz aus dem Veneto. Deshalb sollte in aller Deutlichkeit festgehalten werden: Die italienische Alternative für die Schaumweine aus der Champagne sind nicht die oft kitschig-übersüssten Prosecco (ein Grossteil von ihnen wird in Tanks und nicht in der Flasche ein zweites Mal vergoren), sondern die edlen Schäumer aus der Franciacorta.Rudolf Trefzer

Viele Weinhändler, die italienische Weine im ­Sortiment haben, bieten auch Franciacorta-Schaum­weine an, so Bindella (Zürich), Sacripanti (Wettingen), Scala Vini (Leissigen), ­Silvino ­(Wetzikon), ­Vergani (Zürich).

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