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Lionel de Benetti: «Wer am schnellsten ist, gewinnt»

Lionel de Benetti, bei Clarins seit 37 Jahren Chef von Forschung und Entwicklung, über die Wirksamkeit von Kosmetik, Marketing und einen Wunschtraum.

red

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BILANZ: Monsieur de Benetti, Hand aufs Herz, funktionieren Anti-Aging-Crèmes?

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Lionel de Benetti: Ja, der Alterungsprozess der Haut lässt sich zwar nicht stoppen oder verhindern, aber hinauszögern.

Können Sie das beweisen?

Das kann keiner. Dazu bräuchten wir Testpersonen, welche die eine Gesichtshälfte pflegen, die andere nicht, und zwar täglich während 20 Jahren. So ein Panel findet man nicht. Gut Ding will Weile haben, sagen Sie. Auf Ihren Crèmetöpfen versprechen Sie Soforteffekte.

Eine Mogelpackung?

Nein, wir machen keine leeren Versprechungen. Die Leute beurteilen heute ein Produkt tatsächlich nur nach dem raschen Effekt, und der ist relativ einfach zu haben. Wir versetzen die Crèmes mit Stoffen, welche die Haut sofort aufnehmen kann und die damit das Hautbild sofort verbessern. Allerdings handelt es sich dabei um eine Art Illusion, denn ausser dieser Sofortwirkung und der Zufriedenheit der Kundin haben diese Stoffe null Effekt.

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Wie wichtig ist der Faktor Zeit für Sie?

Sehr wichtig, und wir sind hier bei Clarins glücklicherweise sehr schnell im Entwickeln von neuen Produkten, ein grosses Plus unserer Kleinheit: In der Industrie ist es nämlich so, dass fast alle die gleiche Idee zum gleichen Zeitpunkt haben.

Wie kommt das?

Unsere Entwicklungen sind eng gekoppelt an die Erkenntnisse der Wissenschaft über die Haut. Diese werden in Fachzeitschriften publiziert, und die lesen wir alle. Das Rennen ist dann lanciert, und es gewinnt jener, der am schnellsten etwas entwickeln und herausbringen kann.

Und wer ist hier eifersüchtig auf wen?

Eifersucht herrscht eher unter den Marketingleuten als unter uns Forschern. Wir haben viel Kontakt untereinander, treffen uns an Kongressen und auch informell.

Das klingt zu schön …

Wir erzählen uns freilich keine Geheimnisse, der Wettbewerb um Innovationen ist sehr hart. In Sachen Patente herrscht Krieg. Grosskonzerne wie L’Oréal betreiben eine sehr aggressive Patentpolitik mit dem Ziel, andere zu blockieren. Das finde ich unethisch, ist aber Courant normal.

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Courant normal sind auch Versprechen, die nicht eingelöst werden …

… und Produkte, die anders verpackt und dann als Neuheit angepriesen werden.

Die Salben nützen ja sowieso nichts.

Zu sagen, dass die Kosmetik nichts bewirkt, ist polemisch, denn jede seriöse Linie hat inzwischen Beweise für die Wirksamkeit.

Beweisen kann man alles.

Und man kann auch alles in Abrede stellen. Nicht selten handelt es sich bei diesen Kritikern um recht zweifelhafte Spezialisten, die sich auf mittelmässige Studien abstützen. Andererseits: Wenn ich das Marketing von gewissen Konkurrenten anschaue, schaudert es mich auch. Die im Marketing sind manchmal in einer Art Delirium, heben ab und überborden. Weil das unserer Glaubwürdigkeit schadet und uns als Clowns dastehen lässt, kontrolliere ich sämtliche Werbetexte, bevor sie rausgehen.

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Was für ein Produkt würden Sie gerne erfinden?

Mein Traum ist die Horrorvorstellung für jeden Marketeer: Ich hätte gerne eine einzige Crème für alle und alles.

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