Guten Tag,
Die Dynastie Schuler reicht zurück ins 17. Jahrhundert. Güter in drei Ländern sind im Besitz. Doch der Weinkonsum schrumpft.
Bastian Heiniger
Die 11.Generation kommt: Patron Jakob Schuler (l.) mit seinem Neffen Samuel. Dieser soll den Betrieb in die Zukunft führen.
Hansruedi Rohrer für BILANZWerbung
Der Schall scheint das gesamte Tal zu füllen. Mit voller Kraft hämmert ein Küfer auf den Metallreifen, der die Dauben zum Weinfass bindet. Hier an der alten Gotthard-Bergstrecke, unweit der Messerfabrik von Victorinox, betreibt die Familie Schuler in Seewen SZ ihre Weinkellerei. Vor der hauseigenen Küferei trocknen in der spätsommerlichen Sonne Bretter aus Eiche, Kastanie, Lärche und Akazie. Vier halbfertige Barriques werden gerade über einem kleinen Feuer getoastet, so erlangen sie die nötige Röstung. Es riecht wie beim Bräteln im Wald.
Patron Jakob Schuler beugt seinen Kopf in eines der schon abfüllbereiten Fässer und atmet tief ein. «Ein Traum», sagt er. Das Fass verleihe dem Wein die spezielle Note mit Aromen wie Schokolade und Vanille.
In der Innerschweizer Alpenidylle hat Schuler die Weinhandlung zu einem kleinen Imperium ausgebaut. Ein Familienbetrieb, dessen Geschichte 325 Jahre zurückreicht. 14 Weinhandlungen, drei Weingüter, zwei Restaurants und ein Standort in Shanghai gehören heute dazu. Allein für den Hauptsitz, die Schwyzer St. Jakobskellerei, arbeiten 150 Personen, insgesamt sind es mehr als 400. Bald soll mit Samuel Schuler die elfte Generation übernehmen. Doch das Weingeschäft ist kein Zuckerschlecken. Momentan schon gar nicht. Es tobt ein Verdrängungskampf.
Werbung
Alles aus eigener Hand: Die Familie Schuler betreibt in Seewen SZ ihre Weinkellerei. Dazu gehört auch eine hauseigene Küferei.
Hansruedi Rohrer für BILANZMit voller Kraft hämmert ein Küfer auf den Metallreifen, der…
Hansruedi Rohrer für BILANZ… die Dauben zum Weinfass bindet.
Hansruedi Rohrer für BILANZDas halbfertige Barrique.
Hansruedi Rohrer für BILANZDie Barriques werden mit Feuer getoastet …
Hansruedi Rohrer für BILANZ… so erlangen sie die nötige Röstung.
Hansruedi Rohrer für BILANZDas Weinangebot nimmt zu und der Markt ab. Vor zehn Jahren wurden in der Schweiz pro Kopf noch 38 Liter konsumiert, heute sind es sechs Liter weniger. In dieser Zeitspanne schoss die Anzahl Weinhändler um mehrere hundert Betriebe hoch auf aktuell 3700. Davon dominieren mit Abstand zwei grosse Player den Markt: Coop und Denner. Beide betreiben zusätzlich eigene Onlineshops nur für Weine. Jüngst hat auch der zu Migros gehörende Internethändler Galaxus sein Weinangebot ausgebaut und zählt nun ein Sortiment von 12 000 Weinen. Mit Tiefpreisen begannen unlängst zudem Aldi und Lidl unter den grössten Händlern mitzumischen. Geschäftszahlen gibt Schuler keine preis.
«Der Markt ist hochkompetitiv», sagt er nur. Das alles reicht aber nicht aus, um den 71-jährigen Patron zu beunruhigen. Zu reichhaltig ist allein die Historie des Familienbetriebs.
Werbung
Schulers Vorfahren brachten schon zur Zeit, als Sonnenkönig Ludwig XIV. Frankreich regierte, Sbrinz über den Gotthard ins Piemont und kehrten mit Tuch, Gewürzen, Olivenöl und Wein zurück. Weil den beschwerlichen Weg nur wenige auf sich nahmen, war das ein gutes Geschäft – bis zur Eröffnung der Gotthardbahn.
Die Familie dachte ans Aufgeben, doch Schulers Urgrossvater machte weiter. Und setzte fortan nur noch auf den florierenden Weinimport. Neben italienischem Rebensaft rückte vermehrt auch Wein aus Frankreich, Deutschland und verschiedenen Schweizer Weinregionen in den Fokus. Schulers Vater baute nach dem Zweiten Weltkrieg den Handelsbetrieb weiter aus und wurde auch zum Produzenten. Er schloss Kooperationen mit Weinbauern, entwickelte mit ihnen Weine. 1988 übernahm die Familie in der Toskana das Weingut Castello di Meleto. 2006 folgte das Maison Gilliard oberhalb von Sion.
Werbung
««Die Qualität erreichen wir, indem wir die Menge der Trauben reduzieren oder die Ernte hinausschieben, um bessere Aromen zu gewinnen.»»
Jakob Schuler
Behaupten will sich Schuler dank der Qualität. «Vom Rebberg bis in die Flasche trägt alles unsere Handschrift. Das ist der Unterschied zu anderen Händlern», sagt Jakob Schuler, der noch immer mehrmals jährlich Weingüter und Produzenten besucht.
Mit Önologen und Bauern wird vor Ort über Rebschnitte und Assemblagen befunden. «Die Qualität erreichen wir, indem wir die Menge der Trauben reduzieren oder die Ernte hinausschieben, um bessere Aromen zu gewinnen.» Die Kunst des Kellermeisters sei es, das erreichte Niveau in die Flasche zu bringen. Als einziger Weinhändler in der Schweiz stellt Schuler deshalb eigene Fässer her. Schuld daran sind indes auch Winzer aus Kalifornien.
Werbung
«Vom Rebberg bis in die Flasche trägt alles unsere Handschrift»: Jakob (l.) und Samuel Schuler.
Hansruedi Rohrer für BILANZ«Vom Rebberg bis in die Flasche trägt alles unsere Handschrift»: Jakob (l.) und Samuel Schuler.
Hansruedi Rohrer für BILANZSchuler nervte sich, als sich in den achtziger und neunziger Jahren die ganze Weinwelt anglich. Erst kopierten kalifornische Winzer den Wein aus Bordeaux. Sie produzierten ihn allerdings exakter und staubten so Preise ab. Danach kopierten alle die USA. Wein wurde hauptsächlich noch in Eiche gelagert. Akazie, Lärche und Kastanienholz fielen weg – auf Kosten der regionalen Vielfalt, betont Schuler. Also eröffnete er eine eigene Küferei. Schulers Weinspezialisten haben nun die volle Kontrolle: welcher Wein für wie lange in welchem Fass mit welcher Holzart lagert.
Es war unter anderem die Vielfalt im Betrieb, die Samuel Schuler nach dem Studium an der Universität St. Gallen und beruflichen Stationen bei Nestlés Kaffeesparte und dem Uhrenhersteller Maurice Lacroix vor drei Jahren in den Familienbetrieb nach Schwyz zurückführte. Er erinnert sich, wie sein Onkel einst alle 22 Cousins und Cousinen zusammentrommelte und vermittelte, dass die Türen für jeden, der Motivation und das Rüstzeug mitbringe, offenstünden. Allerdings ist der 38-Jährige heute der einzige unter ihnen im Betrieb, als Leiter Direktmarketing.
Werbung
Die neuen Noa-Weine aus Armenien.
Hansruedi Rohrer für BILANZDie neuen Noa-Weine aus Armenien.
Hansruedi Rohrer für BILANZEine Chance sieht Samuel Schuler in den hauseigenen Innovationen: «Wir sind ein Exot, indem wir spezielle Vinifikationsverfahren wieder aufleben lassen.» Beispielsweise brachten sie das etwas in Vergessenheit geratene Governo-Verfahren für die Herstellung von Chianti zurück: Nach der Ernte wird ein Teil der Trauben nicht direkt verarbeitet, sondern separat angetrocknet, um einen höheren Zuckergehalt zu erreichen. Oder sie begingen – zumindest für manche Weinliebhaber – für ihren Jubiläumswein bewusst eine Sünde und mischten die edelsten Traubensorten aus den verschiedenen Weinregionen Italiens.
Besonders stolz sind Schulers auf ihre jüngste Kreation. Sie reicht quasi zurück auf die Bibel. Im Alten Testament wird beschrieben, wie Noah nach der Sintflut auf dem Berg Ararat strandet, Weinreben pflanzt und dem edlen Tropfen frönt. Er war so gesehen der erste Winzer. 2010 zeigten archäologische Ausgrabungen, dass schon vor 6000 Jahren in Armenien Wein hergestellt wurde.
Werbung
Seit 2016 betreiben Schulers nun in Armenien ihr drittes Weingut. Auf Noah lassen die Funde zwar nicht schliessen, immerhin aber trägt Schulers Wein nun dessen Namen. Der Jahrgang 2016 holte auch gleich eine Gold-Prämierung des britischen Weinmagazins «Decanter».
Das Fundament steht für den Generationswechsel. Ob sich Samuel Schuler die Verantwortung für die gesamte Gruppe aufladen wird, ist noch unklar. «Das ist ein grosser Lupf», sagt sein Onkel. «Immer wenn einer eingestiegen ist, hat er sich tief verschuldet, um die Geschwister auszuzahlen.» Wohl sei auch das ein Grund, weshalb es sie schon so lange gebe. Zu scheitern, das konnte sich schlicht niemand leisten.
Dieser Text erschien in der November-Ausgabe 11/2019 der BILANZ.
Werbung