Abo

Audemars Piguet: 40 und kein bisschen alt

Die Royal Oak hat eigentlich zwei Väter: Georges Golay und Gérald ­Genta. In diesem Jahr feiert das ­Flaggschiff der Marke aus dem Vallée de Joux in jugendlicher Frische ihren 40. Geburtstag.

Ludovicus kindermann

Werbung

Erfolge haben viele Väter, Misserfolge sind Waisenkinder. Wenn sich Gespräche um die Royal Oak drehen, den unangefochtenen Leader der Audemars-Piguet-Kollektion und eine Erfolgs-Armbanduhr ohnegleichen, führt an gleich zwei Vätern kein Weg vorbei. Einer hiess Georges Golay, seines Zeichens langjähriger Chief Executive Officer (CEO) der Manufaktur. Im Angesicht der Quarzrevolution besass er den Mut zu etwas völlig Neuem, nämlich einer gleichermassen extravaganten wie sportlichen Luxus­armbanduhr in Edelstahl. Dieses Projekt konnte reüssieren, es besass aber auch jede Menge Potenzial für einen gigantischen Flop.

Partner-Inhalte

Für das Handgelenk massgeschneidert

Sein Partner hiess Gérald Genta. Der zweite Vater, ein nachgerade begnadeter Uhrendesigner, hatte sich zum Ziel gesetzt, stets neue Formen unter Berücksichtigung einer klaren Linienführung zu kreieren. Sein Name blühte dabei eher im Verborgenen. 1985 bekannte der Guru, dem unter anderem auch das Basisdesign der Nautilus von Patek Philippe zu verdanken ist, im Rahmen der Basler Uhrenmesse: «Ich habe damals für renommierte Häuser einen neuen Stil eingeführt, den man als Lignes douces – also sanfte Linien – bezeichnete. Es war in dieser Zeit ein Phänomen, Uhren zu kreieren, die an das Handgelenk angepasst und gleichzeitig angenehm zu tragen waren. Meine Entwürfe weisen stets sehr fliessende, ästhetische Linien auf und sind für die menschliche Anatomie massgeschneidert. Ich habe es immer als lächerlich empfunden, Uhren mit grossen geschliffenen Flächen herzustellen, die eckige, rechteckige und auch ansonsten sehr harte Elemente ­aufweisen. Mein Name steht für einen ­romanisch-lateinischen Stil. Das ist sehr leicht nachzuvollziehen, weil mein typisches Achteck kein Oktogon mit geraden Linien ist, sondern eines mit anatomischen Linien.»

Werbung

Geschaffen unter diesen Vorzeichen, gab die Royal Oak 1972 in Basel ihren ­Einstand. Zu den Geburtshelfern gehörten übrigens auch noch die Repräsentanten des französischen, schweizerischen und ita­lienischen Markts. Die Leute an der Verkaufsfront hatten sich bereits 1970 mit der Bitte an Audemars Piguet gewandt, eine Armbanduhr aussergewöhnlicher Natur aus der Taufe zu heben.

Nicht Liebe auf den ersten Blick

Vor dem Basler Messestand der Fami­lienmanufaktur mit Sitz im abgeschie­denen Vallée de Joux war 1972 allerdings so manches Kopfschütteln zu sehen. Das, was man in einer der Vitrine sah, stand in totalem Kontrast zu den bekannten, landläufig als klassisch bezeichneten Gold-Armbanduhren: Eine extrem flache und trotzdem wasserdichte Kreation mit ­Stahlgehäuse, mit achteckiger, aufwendig durch acht Weissgoldschrauben mit dem Gehäusekorpus verbundener Lünette, tailliertem Gliederarmband, 250 verschiedenen Kantenbrechungen an Band und ­Gehäuse sowie einem Mix zwischen polierten und satinierten Flächen. Trotz des hohen, aber keineswegs unangemessenen Preises von damals 3650 Franken verkaufte sich die erste Serie von 1000 Exemplaren erstaunlich schnell. Weil Rufe nach mehr laut wurden, konnte es nicht ausbleiben, dass Zug um Zug eine Kollektion entstand.

Werbung

1993, also gut 20 Jahre nach der Premiere, entwickelte sich die Royal Oak zum «Extremboliden». Die spezifische Gehäusekonstruktion sorgte nicht nur für einen ausgesprochen markanten Auftritt am Handgelenk, sondern widersetzte sich über und unter Wasser selbst härtesten Beanspruchungen. Nicht weniger als 20 manuelle Arbeitsgänge waren erforderlich, um der amagnetischen Schale eine Wasserdichtigkeit bis 10 ­Atmosphären zu verleihen. Zum Schutz gegen Stösse besitzen Krone und Drücker weiche Kappen. Acht Sechskantschrauben reichen durch Boden, Mittelteil, Kautschuk­dich­tungen und Lünette. Sie verbinden die verschiedenen Gehäuseteile zu einer homogenen Einheit.

Der Erfolg auch dieses sportlichen Boliden tut dem Klassiker von 1972 nicht den geringsten Abbruch. Deshalb präsentierte Audemars Piguet anlässlich des Genfer Uhrensalons SIHH eine nostalgisch anmutende Re-Edition mit originalnahem Zifferblattdesign, Logo bei der 6 und – wie schon 1972 – mit dem ultra­flachen Automatikkaliber 2121. Beim ­Debüt der Royal Oak lieferte LeCoultre das Rohwerk. Heute fertigt es Audemars Piguet unter eigenem Dach.

Werbung

«Das Wesen der Zeit besteht in der Veränderung der Dinge», hat der deutsche Mathematiker und Wirtschafts­wissenschaftler Helmar Nahr festgestellt. Wie schön, dass es Objekte gibt, die ­diesem Wesen zu widerstehen vermögen. Nicht für immer freilich, doch zumindest für eine geraume Weile. Dieses Fak-tum macht genau jene Klassiker aus, zu denen die Royal Oak von Audemars Piguet nach 40 Jahren mit Fug und Recht zählt. Und auch weiter zählen wird.

Namengebung: Bei der Royal Navy fündig geworden

Royal Oak
Bei der Namengebung für die neue Uhr hatten sich die Ver­antwortlichen bei Audemars Piguet in Le Brassus vor 40 Jahren unter ­Berücksichtigung des markanten Bullaugen-Designs auf Karl II. von England besonnen. Am 6. September 1651 musste der englische König im Verlauf der Schlacht von Worcester vor seinen Widersachern fliehen. Schutz bot ihm der hohle Stamm ­einer Eiche, später «Royal Oak» ­genannt. Entsprechend taufte die britische Royal Navy einige ihrer Schlachtschiffe auf diesen Namen. Eines davon, die 1862 gebaute HMS Royal Oak, besass Kanonenöffnungen im Rumpf, die Audemars Piguet zur Namengebung inspirierten.

Werbung

Auch interessant

Werbung