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Wie immer lieber etwas vorsichtiger

Mit der Etappen-Öffnung hat sich die bewährte Tradition des Swiss Finish durchgesetzt. Aus wirtschaftlicher Sicht wäre mehr Wagemut zu wünschen gewesen.

Dirk Schütz

Bundesrat Alain Berset, Bundespraesidentin Simonetta Sommaruga und Bundesrat Guy Parmelin, von rechts, kommen zu einer Medienkonferenz des Bundesrates ueber die Situation des Coronavirus, am Mittwoch, 8. April 2020 in Bern. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)

Das Ende des Lockdowns kommt in Trippelschritten: Guy Parmelin (l.), Simonetta Sommaruga und Alain Berset.

Keystone

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Als Balletttänzer kann man sich Alain Berset eher schwer vorstellen, sportlich war der Gesundheitsminister in seinen Sturmjahren als 800-Meter-Läufer eher grobmotorisch unterwegs. Und auch seine Bundesrat-Mitstreiter Parmelin und Maurer möchte man sich eher nicht in Ballett-Strumpfhosen ausmalen. Am ehesten würde man den Part noch Bundespräsidentin Sommaruga zutrauen – als Konzertpianistin darf sie als Fachfrau für höhere Künste gelten.
 
Doch gemeinsam demonstrierte das Corona-Schlüsselquartett im Bundesrat gestern eine hohe Tauglichkeit in der Disziplin, die Ballettvirtuosen besonders auszeichnet: Feinste Trippelschritte. Zwar hätten die Wirtschaftsvertreter Maurer und Parmelin wohl nichts gegen eine etwas beherztere Gangart gehabt, doch am Schluss setzte sich mit der Drei-Etappen-Öffnung die bewährte Tradition des Swiss Finish durch: Lieber etwas vorsichtiger.

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Jeder handhabt es anders

Auf verlässliche Signale von aussen konnten sich die Magistraten in dieser historisch einmaligen Situation nicht stützen. Virologen widersprechen sich in zentralen Fragen (Maskenpflicht, Ansteckungsrisiko, Schulpflicht), das Ausland bietet von Öffnung (Schweden) bis zur Verlängerung der totalen Ausgangssperre (Frankreich) alle Geschmacksrichtungen, und selbst die Frage der Zuständigkeit (Bund vs. Kantone) ist offen für Interpretationen, wie der Sonderfall Tessin zeigt.
 
Wie begründete doch der schwedische Epidemiologen-Contrarian Anders Tegnell seine Ablehnung des Lockdowns: «Reinzugehen ist einfach, rauszugehen viel schwieriger».

Mehr Wagemut wäre wünschenswert

Ja, aus wirtschaftlicher Sicht wäre dem Bundesrat mehr Wagemut zu wünschen gewesen: Mehr Läden hätten schon Ende April unter strengen Hygienevorschriften geöffnet werden können, das Schulkonzept wirkt unausgegoren, die Gastroszene bleibt unter existenzbedrohendem Totalverschluss.

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Doch Kühnheit ist im Kollegialsystem nicht vorgesehen, und damit ist die Schweiz bislang ja meist gut gefahren. Nach Wochen der besonnenen Einheit beginnen jetzt die Wochen der grossen Kakofonie – das Parteiengezänk über den richtigen Exit hat schon fast wieder vertraute Phonstärken angenommen. Das lässt sich immerhin als Zeichen der Rückkehr zur Normalität deuten. Die Trippelschritte werden bleiben.

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Dirk Schütz

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